Der Triumph der Liebe ein Gedicht in drei Gesängen Die Liebe herrscht in mancherlei Gestalten In allen Teilen unsrer schönen Welt. Nur Harmonie kann diese Welt erhalten, Und Liebe nur ist das, was sie erhält. Sie fesselt zum Verein, in dem Gewande Der guten, allerhaltenden Natur, Die fremden Kräfte durch der Eintracht Bande, Und überall erkennst du ihre Spur. Ja, Liebe, deine Zaubermacht beglücket Den weisen Briten an der Themse Strand, Indes sie auch den Araber entzücket, In wüster Stepp, an seines Mädchens Hand. Die schönsten Güter unsers irdschen Lebens Beutst, Liebe, du, und die Zufriedenheit Wem, Holde, ihr nicht lächelt, sucht vergebens Am Thron und in der Hütte Seligkeit. So mancher arme Tor hat dies erfahren Und unter diesen auch mein Lykoon. Er sucht' das wahre Glück in den Gefahren Des Krieges, in der Hütt und an dem Thron. Kalt sah er seiner Jugend Blüte schwinden In düstrer, abgeschiedner Einsamkeit. Umsonst! Er konnte sie doch niemals finden, Die götterähnliche Glückseligkeit. An eines Weibes treuer Brust, umschlungen Von ihrem Arm, an eines Weibes Hand, War es nach langem Kummer ihm gelungen Zu finden, was er vorher nirgends fand. Doch halt, o Muse, die auf leichtem Flügel Sich kühn ins Land der Phantasien schwang, Ergreif den tollen Pegasus beim Zügel, Beginne den melodischen Gesang! Die tolle Schar der fessellosen Winde Durchheulten laut, mit ungewohnter Wut, Des waldbedeckten Tales stille Gründe, In denen Lykoon, der arme, ruht. Er lag in einer Höhle dunkeln Schatten Dahingestreckt auf weiche Binsenmatten. Der Sturm weckt' ihn aus seinem süßem Schlafe. Er hebt den nassen Blick von Tränen schwer Und ruft voll Harm: Ich bin der stete Sklave Von allem außer mir und nie mein Herr! Von allem äußeren werd ich getroffen, Ein Windstoß raubt mir meine Freuden, und Ich wage noch Glückseligkeit zu hoffen Auf diesem mir verhaßten Erdenrund? Ich hoffte einst, in meiner Jugend Träumen; Sie schwanden bei dem ersten Strahl des Lichts, Ich kam zurück aus den so schönen Räumen Der Phantasie, sie sanken in ihr Nichts! Weh mir, es war ein schreckliches Erwachen! Wie der, der sich im Traume glücklich dünkt, Erwacht, und sieht sich in des Löwen Rachen, Von dessen Aug der Tod entgegenwinkt. Wohl dem, der träumend noch, in Charons Nachen Voll von beglückenden Ideen sinkt! Doch solch ein Schicksal war mir nicht beschieden, Sogar das Grab verschließt mir seinen Schoß, Der hagre Tod verhöhnt den Lebensmüden Und martervolles Leben ist mein Los. Ich sahe froh den Kampf der Elemente, Denn meine kühnste Hoffnung ist der Tod, Den Tod nur flehend, falt ich meine Hände, Denn neue Qual bringt jedes Morgenrot, Und jeder neue Tag bringt neue Tränen! So rufet Lykoon, rafft sich empor Von seinem Lager, und mit leisem Stöhnen Tritt er aus seiner dunkeln Gruft hervor. Und eilet wild auf ungebahntem Pfade, Den schwarze Nacht und Finsternis umhüllt, Dahin, wo an das felsigte Gestade Die hohe Well in großen Bogen schwillt Und selbst den lauten Donner überbrüllt. Stets dunkler schwärzet sich der düstre Himmel Und heller flammt der Blitze falbe Glut, Das Meer erbraust mit neuer Wut, Die Elemente kämpfen, im Getümmel Mischt sich der hohe Himmel mit der Flut, Die alternde Zypresse stürzt darnieder, Im Staube liegt ihr hundertjährges Haupt, Und bang und bebend flieht der Luft Gefieder, Die holden Sänger kunstlos schöner Lieder, Des langgewohnten Aufenthalts beraubt. Da steht er nun mit gräßlicher Gebärde Und senket wild das starre Aug zur Erde. Doch plötzlich hebt er den gesenkten Blick, Nur drunten, ruft er, in des Todes Armen, Nur dort, dort wohnet Mitleid, wohnt Erbarmen, Nur drunten blühet dem Verfolgten Glück, Dort erst, in jenen weitentfernten Zonen, Wo der Kozytus fließt, wo Geister wohnen, Kehrt Ruhe in die wunde Brust zurück, Nur jene, die im fernen Orkus weilen, Verschont mit seinen giftgetauchten Pfeilen Ohnmächtig das verfolgende Geschick. Nur in Elysiens Fluren wohnet Frieden, An Lethens hochbeglücktem Strand verhallt Der Seufzer der Unglücklichen, hinieden Droht neue Marter stets dem Lebensmüden. Der, der auf diesem Unglücksballe wallt, Fühlt stets des mächtgen Unglücks Allgewalt. Drum denn hinüber nach dem schönen Lande, Wo uns des Glückes hohe Palme winkt, Gelöset von des Lebens ehrner Bande, Der Mensch ans mütterliche Ufer sinkt Und neu belebt an Lethes Strande Vergessenheit in vollen Zügen trinkt. Hinaus, Gequälter, fort aus diesem Leben, Mit deinem Atem fliehet deine Qual, Der Tod nur kann dir jene Freuden geben, Die dir das grausame Geschick hier stahl. Schon dreißig Jahre hab ich nun gelitten, Den schweren Kampf mit dem Geschick gestritten, Doch nun lohnt meinen Leiden Götterlust. Empfangt denn meinen Leib, ihr schwarzen Wogen, Ich fühle mich zu euch hinabgezogen, Denn keiner Schandtat bin ich mir bewußt! So ruft er und steigt bei dem Schein der Blitze Hinauf bis zu des Felsens steiler Spitze Und stürzt – an eines alten Mannes Brust, Der ihn, mit freundlich helfendem Bemühen, Versucht, vom hohen Ufer fortzuziehen, Wie wenn in Lybiens unfruchtbaren Strecken Ein Leu, von jeder Kreatur verflucht, Der armen Landbewohner grausam Schrecken, In öden Wäldern seine Beute sucht. Er hört ein Lamm im nahen Busche blöken, Raubgierig eilet er dahin und fällt In Netze, die der Jäger schlau gestellt. Er schüttelt heiß von Rachbegier die Mähne, Bleckt grimmig seine blutbesprützten Zähne, Sein aufgesperrter weiter Rachen droht Dem kühnen Jäger, der ihn fing, den Tod. So wendet Lykoon in raschem Grimme, Den Störer zu bestrafen, sein Gesicht, Als jener ihn umarmt und weinend spricht, Mein Lykoon; mein Freund, kennst du mich nicht? Kennst du nicht mehr des alten Freundes Stimme? Mein Lykoon, ist deinen Ohren Ihr einst so wohlbekannter, süßer Klang Itzt fremd geworden, die dir, kaum geboren Zuerst ein schlaferweckend Liedchen sang Und fremd der Mann, der deine Kindheit pflegte, Der in des heitern Knaben junges Herz Den Keim zum Edlen und zum Guten legte, Der jede Freude, jeden Schmerz Voll Liebe väterlich mit dir geteilet, Der kurz zuvor dem Tode dich entzohn Und nun voll Lust in deine Arme eilet, Kennst du nicht mehr den alten Polyon? wie aus dem Schlaf erwacht sieht Lykoon den Sprecher an mit Ungewissen Blicken, doch kaum hat er das Aug gewandt und schon liegt er an seinem Halse voll Entzücken und drohet ihn mit Küssen zu ersticken. Kaum windet sich der alte Polyon aus seinen Armen, die ihn fast erdrücken, tritt zwanzig Schritte weit zurück und meint, nun werd er freier Atem holen können, Doch hier verfolgt ihn auch sein junger Freund, der es drauf angelegt zu haben scheint, den Alten in die See hinabzurennen. Doch endlich leget sich die erste Glut des Wiedersehns, doch nun strömt eine Flut von mehr als hunderttausend Fragen, die sich wie Regentropfen jagen, aus unsers ungestümen Helden Mund auf den erschrocknen Alten, und er kann sich kaum des Wütenden verwehren, der immer näher ihm zu Leibe geht, er bittert, jammert, wimmert, fleht umsonst, sein junger Freund scheint nicht zu hören! Ihr stutzet, Freund, wie [nur] ein Mann, der Wochen mit der ganzen Erde grollte und grimmen Tod im Meere suchen wollte, nach Irdischem so eifrig fragen kann! ...