Weihegesang Am 4. November 1831. Zur Eröffnung des neuerbauten Saales der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates Gedichtet von Franz Grillparzer, in Musik gesetzt von Franz Lachner Tretet ein und laßt euch nieder, Blickt umher im weiten Raum! Freund der Tonkunst und der Lieder, Stehst du stumm und glaubst es kaum? Die du gabst, die kleine Spende – Weißt sie selber kaum genau – Sieh verkehrt in diese Wände, Sieh verklärt in diesem Bau. Ward gesorgt doch schwer und viel, Und gespart mit kargem Lohne, Denn für neure Amphione Ist ja Scherz kaum mehr ein Spiel. Jener alte Götterliebling, Amphion, mit Huld beteilt, Ging dahin durch leere Weiten, Mit dem süßen Joch der Saiten, Das bewältigt, trifft und heilt. Und Harmonia, die Göttin, Tritt ihn an und spricht ihm zu: »Rührst du nicht das Spiel der Saiten? Nicht mehr wüst sind dann die Weiten, Nicht mehr einsam wandelst du.« Denn des Wohllauts Band umschlinget Aller Wesen tiefstes Sein, Was aus vollem Herzen klinget, Trifft ein Herz in jedem Stein. Dort der Flußgott, schilfgekrönet, Nickt uns zu und stimmet ein: Was aus vollem Herzen tönet, Trifft ein Herz in jedem Stein. In des Sängers Busen leuchtets, Er greift ein, wie prüfend nur, Und das erste Lied erklinget Durch die horchende Natur. Lied. 1 Hin übers Meer und durch die Sterne Hat Zeus die Saiten ausgespannt; Was dich von Menschenbrust durchzittert, Das wecket dort der Götter Hand: Aus Strömen und aus Hainen Will sich ein Lied vereinen Mit deiner Seele Pein: Dein Lust- und Schmerzempfinden Wird in der Erde Gründen Nicht ohne Nachhall sein. Der Nacht empörte Wetter toben Ob Träumen der Vergänglichkeit, Drum blick hinauf, dir tönt von oben Ein Nachhall deiner Unschuldzeit. Da, welch Regen, Still Bewegen Durch Geklüft und Wald und Flur? Aus den Wellen Häupter schnellen, Tönen leise, silberklar; Und des Baumes Oreade Am Gestade Schüttelt nach dem Maß ihr Haar. Felsen wanken; Wie Gedanken Schlüpfen Geister draus hervor; Und der Boden hebt und senkt sich, Und der Abgrund ist ein Ohr. Aber sichtbar helle Fäden Zieht der Wohlklang durch die Luft. Was seit je auf seiner Stelle, Fügt sich dem Gesetz, das ruft. Nicht mehr Fels und Fluß und Bäume, Stein und Holz, verbindend Naß Füllt die umgeschaffnen Räume Nach des Liedes süßem Maß. Wie der Saiten sieben Zeilen Stellen sieben sich die Säulen, Und der Leier hohlen Bau Ahmt die Kuppel nach genau. In dem Giebel lebt der Dreiklang, Fünf und vier gibt Breit und Höh, Und der Tempel in der Mitte Ist der Einklang aus der Höh. Also ward, die Väter sagens, Und die Väter sagen wahr, Ward die siebentorge Thebe, Die den Pindar drauf gebar. Aber neuern Amphionen Wird der Bau nicht halb so leicht, Nicht mehr heitre Wunder wohnen, Wo nur Mühe stöhnt und keucht. Wie der Pflüger hinterm Pfluge, Geht der Künstler hinterm Werk, Willst du haben, mußt du streben, Nichts gewährt, als was erreicht. Lust und Liebe halfen endlich, Und der nimmermüde Fleiß; Und noch eins – der Busen schaudert, Sprech ichs aus, obschon ichs weiß? Kommt denn ihr und helft mirs sagen! Wagen wirs und nennens leis? Aber horch! mit stillem Tritte Trat es ein in unsre Mitte. Ist das deiner Flügel Schwung, Heilige Begeisterung? Tochter du des ewgen Vaters, Mutter jeder ewgen Tat, Immer noch blühn heitre Wunder Dem, der deinen Schutz erbat. Von der Götter selgem Glücke Geht zu Menschen noch die Brücke, Und als Botin, ewig jung, Wandelst du, Begeisterung! Senke denn dich, lustverbündet, Gern und oft auf dieses Haus, Was mit dir, für dich gegründet, Pfleg es fort und füll es aus; Unsrer Stiftung heitre Sage Halte noch den Enkel jung, Und von heut in ferne Tage Walte fort, Begeisterung! Fußnoten 1 Eingelegte Worte