An die Frau Kammerräthin Holzmann Gröningen 1 , den 13. Juni 1773. In einem Städtchen, das vor Jahren Noch eines Bischofs Huld genoß, Der, weil er da zu ganzen Schaaren Die Hirsche und die Keuler schoß, Der großen Hirsch' und Keuler wegen, Zuletzt aus Gnaden gar beschloß, Die Hofstadt selbst hierher zu legen, Und so denn Stadt und Land verband, Ein mächtig Schloß ihm aufzuführen, Worin er über sie regieren, Das heißt, wie bald nachher sich fand, Der guten Narren halbe Rente Fein gnädiglich verzehren könnte; Der, als das Schloß nun fertig war, Die armen Hörnerträger gar Zwang, einen langen Gang zu bauen, Durch welchen mit Bequemlichkeit, Ihn, ungesehn, zu jeder Zeit, So gut die Mädchen als die Frauen, (Zumal des Müllers schönes Weib,) Besuchen könnten, Seel' und Leib Bei ihrem Hirten zu erbauen 2 ; Der, als auch fertig war der Gang, Die Tonnenbinder-Gilde zwang, (Und unter allen, im Vertrauen! Verzeih' ich ihm am ersten das!) Ein ungeheures großes Faß Für Seine Heiligkeit zu bauen 3 ; Und somit wurde stracklichst auch Ein halber Eichwald umgehauen, Damit das Faß mit Bischofs Bauch Und Bischofs Durst nach altem Wein', Verhältnißmäßig möchte seyn; Woraus sich Ihro Heiligkeiten Mit dummer Laien hübschen Bräuten Recht gütlich thaten, bis ihn so, Wie einst den König Salomo, Die Narrenpossen auch gereuten, Daher er aus Gewissensdrang Die Männer seiner Weiber zwang, Ihm eine Kirche zu bereiten, Um da durch Predigt und Gesang, So Lieb' als Wein, die Eitelkeiten! Als neuer Heil'ger, zu bestreiten. In diesem Städtchen, das zur Gnüge In vierzig Versen mich gequält, Von dem, wenn ja noch etwas fehlt, Herr Peter Leukfeld 4 manche Lüge, Und manche Wahrheit mehr erzählt: Da sitz' ich jetzt in einem Hause, Vom Urgroßvater noch erbaut, Das, wie die Schweizer Berg-Carthause 5 , Mit Gänsestoppeln schon die Haut Dem überzieht, der es beschaut, So gothisch, und so öd' und grause, Daß mir vor meinem eignen Laut' Darin am hellen Tage graut; Da sitz' ich jetzt in einem Zimmer, (Zur Reitbahn' wär' es herrlich groß!) Worin dein Freund am Silberschimmer Des Mondes, sich als Säugling immer Gefreut auf seiner Mutter Schooß; Da sitz' ich jetzt in einem Stuhle, Worin mein Eltervater schon Betstunde, Mittagsruh' und Schule Gehalten hat, und ich, zum Lohn' Für meine Faulheit, leider schon Die zweite neue Federspule Zernag', um ausgereimt zu haben, Eh' heute noch der Postillon Von Magdeburg hieher wird traben; Doch horch! fürwahr da bläßt er schon! Zwar weißt du endlich, wo ich bin. Doch heißt das nicht, die Neugier mehren? Was liegt am Ort'? Wie ich darin Gelebt? das willst du lieber hören! – Nun, Schwager, reit' denn immerhin! Hier, wo mich nun seit ehegestern Ein Zirkel drei geliebter Schwestern Auf meinem großen Stuhl' umgibt, Die sich nicht selten gar entzweien, Wer unter ihnen allen dreien, Am zärtlichsten den Bruder liebt; Hier sitz' ich, Freundin, und erzähle Von dir und deinem lieben Mann', Bis ich vor Heiserkeit der Kehle Kaum noch verständlich reden kann. Ja! tränk' ich selbst das Rheinweinhaus Des Bischofs, sie zu netzen, aus, So gingen doch, nach deinem Mann' Und dir, die Fragen wieder an. Doch wenn ich auch von selbst nicht schon So herzlich gern von Euch erzählte, Ich hielte dennoch sanften Ton, So sehr mich auch ihr Bitten quälte. Denn, nimm dieß aus, so haben sie Nur immer ihres Bruders Willen; Nie ist's zu spät, und nie zu früh, Um meiner raschen Phantasie Den sonderbarsten Wunsch zu stillen. Bald schlendern wir in Morgentracht In eines Erlenbusches Nacht; Ein Feuer, von uns angefacht, Kocht uns, aus der Levante Bohnen, Den Trank, der lüsternen Matronen Im Hessischen 6 , itzt manche Nacht Vor lauter Seufzern, schlaflos macht. Bald, um des Herzens Fibern alle Zur Freud' heranzuziehen, rauscht Gleich einem raschen Wasserfalle, Christinens Finger durch die Saiten Der Harfe, daß dem Ton' von weiten Die Nachtigall verwundernd lauscht, Und, um die Harfe zu begleiten, Ihr Nest mit unserm Baum' vertauscht, Nicht mehr in Trauerliedern wimmert, Und, wie wir Menschen, unbekümmert, Sich in der Freude mit berauscht. So opfr' ich hier, von Morgens früh Bis in die späte Mitternacht, Der reitzenden Philosophie, Die einen Nord zum Zephir macht, Zum wenigsten aus kalt nur kühle; Doch freilich nehm' ich mich in Acht, Daß ich, vom Hof- und Stadt-Gewühle Nicht irr' in meinem Text' gemacht, Stets meine Roll' im Stillen spiele. Beneid' ich einen andern Stand: So werde schier durch meine Lieder Der Kenner Pfeife angebrannt; So falle selbst mir niemals wieder Zur Auslösung, ein Busenband Von deinem Mühmchen, in die Hand; So werde Holzmanns glatte Stirne Mit Runzeln von mir weggewandt, Und du, du fromme Seele, zürne Und mach' ein Kreuz mit deiner Hand, So oft du einen Namen nennest, Den, seit du dieses Herz hier kennest, Du ohne Lächeln nie genannt. Fußnoten 1 Ein Städtchen bei Halberstadt, worin der Bischof Heinrich Julius im sechzehnten Jahrhundert ein großes Schloß erbauen ließ. 2 Dieser Gang, der aus dem ehemaligen Schlafzimmer des Bischofs, in die Mühle geht, steht noch jetzt. Jeder Einwohner in Gröningen weiß durch die Tradition, daß er zu dem angezeigten Zwecke angelegt worden, und das Andenken der schönen Müllerin ist noch nicht erloschen. In einem Zimmer des Schlosses sieht man auch noch die Geweihe der Sechszehn- und Zwanzig-Ender, die der Bischof in dortiger Gegend erlegt hat. 3 Dieses Faß schenkte König Friederich II. dem Domdechanten, Freiherrn v. Spiegel zu Halberstadt, der es nach den Spiegelbergen bei Halberstadt bringen, und in einem dazu erbauten Keller wieder zusammensetzen ließ. 4 Er hat antiquitates groeningenses geschrieben; eine Chronik vom gewöhnlichen Schlage. 5 S. Blainville's Reisen, 1. B. 6 Der Gebrauch des Kaffee war gerade damals den niedern Ständen im Hessen-Casselschen untersagt worden.