Auf den Tod meines Sohns, Moritz Günthers 1 Als ich jüngst an Exters Seite Mich des Wonnemondes freute; Als ich an la Roche's Hand Jedem Rheinschiff' das Geleite Mit den Augen gab am Strand', Bis in dunkelblauer Weite Mast und Wimpel uns verschwand; Als bei Moser's Druck der Hand Ihm mein Herz entgegen hüpfte, Und, vor Lauren an der Wand, 2 Ich mit Uz ein Freundschaftsband Wie Petrarch und Laura knüpfte; Als ich weinend vor dem blinden, Doch zufriednen Pfeffel, stand; Als in seinen Veilchengründen Kleinzog mir ein Sträußchen band; Als so rasch am Krückenstabe Bodmer mir entgegen kam, Und mein Herz, als kleine Gabe Auf der Pilgrimschaft zum Grabe, Nah am Ziel', noch mit sich nahm; Als mit mir bei Mondenscheine In dem blühnden Lindenhaine 3 Lavater spatzieren ging, Ich am Fall' des Rheins, von Schaume Naßgesprützt, ihm wie im Traume, Staunend an dem Arme hing: Ach! da war mir wohl! Noch besser, (Seufzt' ich dann für mich allein,) Als am lieblichsten Gewässer, Wird am Zorgafluß' dir seyn, Wenn dein Günther dir entgegen Auf dem Steckenpferde springt, Und dir alle sein Vermögen – Seine bunte Trommel – bringt; Um mein Knie die Arme schlägt, Hererzählet seine Thaten Und Vocabeln, und mich frägt: Bleibst nun bei uns über Nacht? Hast nicht bleyerne Soldaten Mir von Nürnberg mitgebracht? Aber ach! mit bleichen Wangen, Und in traurendem Gewand', Kam die Mutter, an der Hand Unsern Fritz, dahergegangen. Beide schwiegen; ich verstand Dieses fürchterliche Schweigen. – Schönes Veilchen, mußtest du Schon so früh der Erde zu Deinen Kelch mit Balsam, neigen? Wein' dich aus, du volles Herz! Thränen kannst du nur vergeuden. Meiner Liebe lange Leiden, Meiner Augen Folterschmerz, Konnt' ich mir versingen. Doch Meine Lipp' ist itzt verstummet! Denn vor meinem Ohre summet Günthers letztes Rufen noch. Hätt' ich deinen Ruf gehört: Ach mein Sohn! aus fernem Lande Wär' ich schnell zurückgekehrt. Doch wozu? Um dich im Sande Zu verscharren? O mein Sohn! Trankest du den süßen Mohn Aus des Todes Becher schon, Eh' ich selbst ihn kosten durfte? Wär' es möglich: Gott! ich schlurfte Rein, für dich, noch itzt ihn aus, Hülfe dir aus deinem Grabe Wieder an das Licht heraus! Denn seit ich nicht dich mehr habe, Losch die Freud' ihr Lämpchen aus. Deine Mutter sitzt versteint, Auf dem Schooß' dein Schifferhütchen, Hört von Fritz dein Wiegenliedchen, Blickt auf deinen Hut, und weint. Trösten soll ich sie? besiegt Wörterschwall, den Schmerz um deinen Tod? – Wir wollen beide weinen, Bis der Thränen Quell versiegt. Wer uns liebet, o! der weine Mit uns! Wer ihn hat gekannt, Weint von selbst um ihn, dem keine Mutter, jemals leer die Hand Reichte, ach! um ihn, der seine Schmerzen, wie ein Mann bestand! Wär' er einstens auf dem langen Rauhen Pfad', ins Heiligthum Hoher Weisheit, eingegangen: Aller seiner Ahnen Ruhm Hätt' er sicher überschattet, Und den meinigen ergänzt, Ja! am Ziel' hätt' ich ermattet Ihn vielleicht noch selbst bekränzt. Fußnoten 1 Er starb während einer Reise des Verf. durch das südliche Deutschland und die Schweitz. 2 In Herrn Uz Zimmer hing ein Porträt der Laura: eine sehr getreue Kopie von dem Originale, welches die Familie de Sade noch besitzt. 3 Bei Bülach, einem Städtchen zwischen Zürich und Schafhausen; Herr Lavater gab dem Verfasser bis nach Schafhausen das Geleit.