An Denselben. 1 Wie? hast du gar gemeint, Ich würde nun verstummen? Du sprichst von großen Summen, Wie ich von Versen, Freund! Nicht wahr, das ist es Alles? Doch dieses leeren Schalles Gewohnt, verschließet sich Mein Ohr vor deinen Zahlen; Denn wird zu Kapitalen, Durch deine Klugheit, sich Mein Häufchen zehnfach mehren? Ist's nicht, als wenn ich dich Die Dichtkunst wollte lehren? Versagt hat die Natur Zum Dichter, dir Talente, Mir, alles, was mich nur Zum Freisaß' machen könnte. Schon immer war's mein Plan, Auf ehrenvoller Bahn' Nach Unabhängigkeit, Dem großen Ziel'! zu laufen. Fünf Jahre meiner Zeit Wagt' ich noch itzt daran; Denn sage selbst, wer kann Zu theuer sie erkaufen? Wie? was ich mit ihr machte? Nun, außer daß ich dann Noch lieber scherzt' und lachte, Fing ich im Ernst' recht an – Zu sammlen? Ei, mit nichten! Mit nichten, lieber Mann! Dann wollt' ich erst recht dichten. Was ich itzt obenhin Bei Arbeit und Beschwerden, Für meine Freunde bin, Wollt' ich für Deutschland werden: Der Lehrer unsrer Jugend, Der Herold stiller Tugend, Ein Gift für Schmeichelei, Ein Schrecken solcher Fürsten, Die nach dem letzten Ey Des Tagelöhners dürsten, Ein süßer Labewein Für unerhörte Liebe: Was wollt' ich dann nicht seyn! »Daß ich gut Kegel schiebe Und Verse mache, sind Gleich herrliche Talente!« Sprach Boileau. Gewinnt Sein Abgott, der ihm Rente Und Ehre gab, dabei? Und solchem Manne drehten Hof, Stadt und Land – wie klein! – Noch Kränz'? Ich würd' erröthen, Nichts besseres zu seyn. Wenn Popen, als Poeten, Mit Dichten ihre Zeit So gut, als Junker Veit Mit Kegelschieben, tödten: So geht auf die Galeeren Und rudert für den Staat! Ja! müßte diesen Rath Nicht selbst Homerus ehren? Zehn Jahre bin ich hier In Ellrich, doch in allen Sind, von Gedichten, mir Zehn Worte kaum entfallen. Wie? sollt' ich nun mit dir Mich um den Nutzen zanken Der Kunst, o Freund, wofür Uns Andrer Zähren danken? Wenn du ihr Freund nicht bist: Sollt' ich dich minder lieben? Du siehst, dein Dichter ist Doch kein so böser Christ, Als Götz 2 ihn hat beschrieben, Und kann die Duldung üben, Die Götz so oft vergißt. Der ist so gut ein Thor, Wer seine Kunst zur Laube Des Himmels hebt empor, Als wer herab zum Staube Der Kegelbahn' sie stößt. Nicht wahr, mein Lieber, flößt Nur dir der Saft der Traube Und deines Mädchens Kuß Vergnügen ein, so preise Sich ein Abstemius Bei Wasser immer weise! Mein Mädchen und mein Wein, Das wirst du doch erlauben? Soll, statt der Küß' und Trauben, Ein Reim, ein Liedchen seyn. Heißt das die Zeit verschwenden, Wenn ich, in meinem Sinn', Die Leyer in den Händen, Der Reichst' auf Erden bin? Heißt das die Zeit nicht nützen, Wenn, Unschuld zu beschützen, Und Frevler zu bedräun, Ich meinen Stachel wetze? – Und gut, mein Lieber, setze, Daß nur mein Lied ergötze: Gewinnst du Land? o nein! Wirf einen Lilienstengel Ins Meer von Albion, So wird vielleicht ein Engel Die Wirkung noch davon, Trotz aller Winde Wehn, An Frankreichs Küsten sehn. Selbst er kann aber nicht Der Wirkung Summe fassen, Die bloß durch ein Gedicht Homer zurück gelassen. Zwar bin ich kein Homer, Doch gibt von guten Leuten Ein Häufchen, mir Gehör; Mit diesen mußt du streiten, Nicht aber, Freund, mit mir. Denn wird durch meine Lieder, Kein Herz voll Falschheit, bieder: Was kann denn ich dafür? Ja freilich will der Staat Von mir ganz andre Pflichten, Als Lieder für ihn dichten, Um die er nie mich bat. Wer aber sah mich schon Auf meinem Posten schlafen? War's nöthig, mir mit Strafen Auch nur von fern zu drohn? Sieh, Lieber, ob ich nicht Im Augenblick der Weihe, Den Sand auf ein Gedicht Geschwind und willig streue, Sobald zum Untertauchen In einen Akten-See, Der Staat mich will gebrauchen, Um Perlen in die Höh' Zu fischen, die versteckt In tiefem Schlamme liegen? Auch Arbeit wird Vergnügen, Wenn Pflicht uns dazu weckt. Und wenn ich, Freund, der Schwere Der Bürde, die die Ehre Vom Staate auf sich nahm, Zu schwach, zu kraftlos wäre: Dann würde mir die Scham Wohl heißen, tief gebückt Sie durch die öden Steppen Stillschweigend fort zu schleppen, Bis sie mich hätt' erdrückt. Kann ich mit raschen Schritten Auf einem Pfade gehn, Worauf bald Andre glitten, Bald still, ermüdet, stehn; Und wenn ich eh' am Ziele, Als man erwartet, bin: Dann leid' es immerhin, Daß ich die Leyer spiele. Du Reicher nimmst mit Fug Zur Tafelzeit drei Stunden, Doch wenige Sekunden Sind mir dazu genug. Indeß ich ruhig dich Champagner trinken lasse, Verstatte, daß ich mich Dem weisen Narrn im Fasse So ähnlich, als es nur Die Sitt' erlaubet, mache, Mich freue der Natur, Der Menschen aber lache. Durch die Philosophie Werd' ich nicht reicher werden, Denn Schätze sammlet sie Im Himmel, nicht auf Erden. Gab mir das Glück Talente, Daß glücklicher ein Land Durch mich einst werden könnte? Nein! bloß für meinen Stand! Doch was sind Rang und Rente, Wenn Glück nicht auf das Land Durch sie herabfließt? Tand! Wohl mir, daß nicht das Glück Mich auf dem Schiff': die Welt, Ans Steuer hat gestellt, Wenn's sah, daß mir Geschick Und Muth in Stürmen fehlen; Genug! daß selten ich Darf als Matrose mich An meinem Ruder quälen; Für meine Hand ein Spiel! Um Winde, Bänk' und Klippen Bekümmr' ich mich nicht viel. So lang auf meinen Lippen Sich Freud' und Weisheit paart, Mag meinethalb die Fahrt Nach Peru's goldnem Strande, Nach Grönlands Felsen gehn; Ich werd' in jedem Lande Mein Abentheur bestehn. Fußnoten 1 Diese Epistel ist eine Antwort auf die Einwürfe, die Hr. v.U. dem Verfasser auf die vorige gemacht hatte. 2 In Hamburg.