16. Die Ameise und die Fliege Hitzig, aber nur mit Worten, Stritt die Ameis' und die Fliege Mit einander. Schweig'! ich siege, Sprach die Flieg': an allen Orten Bin ich, oder kann ich sein, Weil ich, wie der Adler fliege; Kannst du das mit deinem Bein? Kriechen kannst du; von der Erde Kommst du nicht; mit viel Beschwerde, Sorge, Kummer, Angst und Not Suchst du dir dein schlechtes Brot, Das ein Leckermaul verachtet! Ich hingegen sorg' und faste Niemals, denn ich bin zu Gaste, Wo man buttert, oder schlachtet! Seh' ich Widder, oder Stier, Schön bekränzt, als Opfertier, Dann erheb' ich mein Gefieder In die Luft und senk' es nieder Auf den priesterlichen Greis, Der dabei steht, es betrachtet, Und besprengt; und wenn ich weiß, Daß er fertig ist, und Zeus Prächtig, aber unsichtbar, Auf den heiligen Altar Vom Olympus niederfährt, Es zu speisen; dann kost' ich Es zuerst, und letze mich Auf des Donnergottes Herd! Ist im hohen Göttersaal, Offne Tafel, Freudenmahl, Allsobald bin ich auch da, Und mein Elefantenrüssel Holt aus mancher goldnen Schüssel Nektar und Ambrosia! Und das merke dir, Ameise! Diese süße Götterspeise Eß' ich dann mit allen Göttern, Sitzend auf den Lorbeerblättern, In dem Kranze des Apoll! Himmel! o wie schmeckt sie mir In dem Grünen da so wohl! – – Eins, das laß mich noch erwähnen! Auf den Busen einer Schönen Setz' ich mich gar oft auch hin, Und verschönre ihn, und bin, So wie du auf dürrem Grase, Herr auf eines Kaisers Nase, Wo ich, wenn er mir den Sitz Streitig macht, zu Kriege blase, Und geschwinder, wie der Blitz, Überwindet den ein Stich, Den kein Säbel überwindet! Solche Heldin, sieh! bin ich! Still, von keinem Zorn entzündet, Hört die fleißige, die weise Philosophin, die Ameise, Ruhig alles; endlich spricht Sie mit lachendem Gesicht: Ei, du bist, wie ich auf Grase, Herr auf eines Kaisers Nase? Mag's doch sein! Allein du bist Öfter es ja doch auf Mist! Und mich dünkt, es ist bekannt, Daß die Schönen in der Hand Ungeheure Fächer tragen, Grobe Fliegen zu verjagen. Bei der Götter fetten Schmäusen An der Tafel mit zu speisen, Ist was Artigs, das ist wahr; Aber angstvoll, mit Gefahr, Thust du es! Die Fliegenklappe Wartet, daß sie dich ertappe, Wo du sitzest, und dein Tod Steht bei jedem Bissen Brot! Freundin, ach, an deiner Stelle Sei mein Feind! in meiner Zelle Fürcht' ich nichts; ich lebe still; Esse, trinke, wann ich will! Mit Gefahr und Tod umgeben, Lebst du kümmerlich dein Leben Einen Sommer! und du stirbst Halb vor Hunger, weil du dir Auf den Winter nichts erwirbst, Und dann bettelst du bei mir! Bettl' ich? sprach die stolze Fliege, Warf den Rüssel, blies zum Kriege, Ging mit zornerfülltem Blick Auf die Feindin, sie zu fassen; Aber diese ging gelassen In ihr Magazin zurück!