An die Kriegesmuse nach der Niederlage der Russen bei Zorndorf den 25. August 1758. Was siehest du so schüchtern nach mir her? Scheut eine Kriegesmuse, die den Held So tief in seine Schlacht begleitete, Mit ihm auf Leichen unerschrocken ging, Wie Engel Gottes in Gewittern gehn, Ihn einzuholen, wo er war, zu sein, Zu forschen seine Thaten überall, Von Leich auf Leiche große Schritte that; Scheut eine solche Muse Blut zu sehn? Stimm an, verewige den großen Tag, An welchem Vater Friederich sein Volk Errettete, durch göttlichen Gesang! Nimm die verwaiste Leier von der Wand, Und mische starken Kriegeston darein, Und singe! Held, Soldat und Patriot, Steh um dich her und höre, lauter Ohr! Bewundernd Gottes Thaten, Friedrichs Mut, Wenn er sein Vaterland zu retten geht, Und lerne Gott und Friederich vertraun. Denn standest du, Berlin! nicht halb verzagt, Als der gekrönte Rächer nur verzog, Und Mähren uns, langsame Sieger, sah? Vor deinen Angen, Überwinder Daun! – Wie? oder hörst du lieber andrer Fabius Dich nennen? – lagen wir unangezwackt Sechs Wochen lang; und, alle Tausende, Die du beliebetest, durch einen Strich Im Buche deiner Thaten, in das Reich Der Schatten zu versetzen, lebten hoch Und ließen deiner schönen Kaiserin Tockayer, nach der Krieges Arbeit, sich Gutschmecken, tranken auf des Helden Wohl, Der Friederich ist, nicht Hannibal, ein Glas; Und rühretest du dich in deinem Nest, So jagte dich der tapfere Husar, In deine hochverschanzte Felsenburg, Auf welcher du, mit deinem Vetter Daun, Ein Graf wie du, der deine Thaten thut, Betrachtend uns, und deinen Hannibal, Oft standest, dachtest, nie ersahest, wie Von dir ein Streich ihm zu versetzen sei. Du aber, guter alter Marschall! warst In deinem Troja, Hektor, Friedrich selbst Gab deinem Namen Ewigkeit, und schrieb Ein andrer Cäsar, deine Thaten an! Doch er und Keith und Moritz waren mehr Als Agamemnon, Nestor und Ulyß, Und hätten, ohn ein ungeheures Pferd, Durch Mut dich überwunden, nicht durch List, Wofern nicht Gott der Herr gewollt, daß wir Ablassen sollten. – Hochgelobet sei, Von uns und deinem Friederich, o Gott! Daß du auf unsern ebnen Siegesweg Ein Ollmütz stelletest und einen Held, Der wie ein braver Mann sich wehrete, In seine hohen Wäll' und Mauren gabst! Denn gabst du es in unsre Hand, so war Kein Weg vor uns, als nach dem stolzen Wien, So hätten wir uns allzuweit entfernt Von unserm Vaterlande, dessen Schutz Wir sind, nach dir, o Gott! So wäre wohl Das Ach und Weh, der Jammer, das Geschrei Der Weiber und der Kinder, welche wir Zurückgelassen hatten, allzu spät Uns nach erschollen. Friedrich hätte wohl Des Vaterlandes Ruf um Rache nicht Zu rechter Zeit und Stunde da gehört, Wo umzukehren war! Darum, o Gott! Sei ewig hochgelobt von uns und Ihm, Dem Züchtiger der Bosheit eines Volks, Das noch zu Menschen nicht geworden ist, Dich noch nicht kennt, daher gezogen kam, Heißhungriger als ein Heuschrecken Heer, Mit trägem aber giftgem Schneckengang In sein, o Gott! von dir gesegnet Land, Um eine Lebenlose Wüstenei Ein Land des Fluches, eine Steppe, gleich Den Steppen seiner Kaiserin daraus Zu machen. Langsam zog es so daher, Wie durch fruchtbares Feld in Afrika Giftvoller großer Schlangen Heere ziehn; Da steht auf beiden Seiten ihres Zugs Erstorbnes Grab, da steht, so weit umher Als ihre Bäuche kriechen, alles tot. Von Memel bis Cüstrin stand Friedrichs Land So da, verwüstet, öde, traurig, tot. Allein der Held vernahm zu rechter Zeit In seinem Haus von Leinwand, auf der Bahn Des Sieges, deinen bangen schwachen Ruf, O Vaterland, zu Gott, und ihm! Und stracks War sein Gedank' allein an dich! Er gab Dem größern Feind ein wenig Luft, und flog Mit einem kleinen edlen Heldenheer Dahin, wo sein gequältes banges Volk Nach ihm sich umsah; betete für ihn, Und schwur geheim, in mancher Todesangst, Blieb ihm auch armes mattes Leben nur, Trotz aller Feindes Wut, getreu zu sein Dir, Gott! und deinem Liebling, welchem du Zuwider aller Welt, mit deiner Macht Recht schaffest, Sieg verleihst. Da flog er hin! Kam an in dir, du Sitz der Musen; wo Baumgarten Friedrichs Weisheit lehrt! hielt still Vor einer niedern Hütte, saß das Roß, Das, einen solchen Held zu tragen, stolz, Nicht müde von dem langen Fluge war, Daselbst ein wenig auszuruhen, ab, Ging in die offne niedre Hütte, fand Ein' arme fromme Witwe, die zu Gott Für den Gesalbten eben betete, Saß neben ihr auf einem harten Sitz, Nahm einem Wassertrunk aus ihrer Hand, Stand vor der kleinen Thür der Hütte, ließ Sein edles Heldenheer vorüber ziehn, Stieg auf, folgt ihm den Weg der Rache nach, Sah die Ruinen der getreuen Stadt In welcher er, ein künftger König, einst Dir, Weisheit! in die Arme fiel, und sich Entschloß zu sein, ein Vater seines Volks, Zu tragen stets in königlicher Brust Ein sanftes, menschlichs Herz! Damals als er Der Freundschaft Thränen zollte! Kam In ihrem Aschenhaufen an! O Gott! Wie jammert es dem Vater seines Volks Die Stadt nicht mehr zu sehn! Zum andernmal Weint er in ihr, anitzt – – Ein König weint? Gieb ihm die Herrschaft über dich, o Welt, Dieweil er weinen kann! – Jedoch der Bach Der Heldenaugen floß zu lange nicht, Der Thränen Stelle nahm ein glühend Rot Im feurigen Gesicht; gerechter Zorn Entstand aus Königlichem Mitleid stracks. Er wandte sich zu seinen Helden, schwur Sein rächend Schwert zu zücken und mit Gott Zu züchtigen die Henker seines Volks! Für jede Thräne, sprach er, fließe mir, Ein Strom von ihrem Blut, und, ehe sei, Du, meines Zornes Flamme, nicht gelöscht! Er stand, als er es schwur, noch auf dem Wall Der unbezwungnen Veste, sahe starr Mit Heldenaugen, fähig durch zu sehn, Was Götteraugen sonst nur sichtbar ist, Nach dir, du Lager der Barbaren, hin, Ein Fernglas in der Hand, sah, wie er dich Vertilgen könnte, sah es, stieg herab. Und Tages drauf, mit Sonnenaufgang ging Sein Heldenheer still über deinen Strom Du Oder! Flossest du so sanft, weil Gott Es dir gebot, die Helden, die du trugst, Nicht aufzuhalten itzt auf ihrer Bahn? Sie sangen deinem Gott ein Morgenlied Und kamen wohl behalten über dich! Was zittertet ihr achtzig Tausend, da? Beim Anblick unserer von Todesschaur? Welch eine tiefe Stille ward? Was war Das leisere Gemurmel unter euch? Ja, ja der Schrecken Gottes überfiel Dich, Heer der schrecklichen Verwüster, schnell! Als du den großen Rächer kommen sahst, Die Blutfahn in der Hand, die er noch nie Dem edlern Kriegesfeind entgegen trug, Da standest du betäubt, erstarret, stumm, Die Augen weggewandt von dem, der kam, Wie unter Wetterwolken Sünder stehn, Die Gottes Donnerstrahl auf ihrem Haupt Erwarten. Bangigkeit und Furcht und Angst Fiel, plötzlicher als eine Centner Last, In aller deiner großen Helden Brust, Ward größer stets, je mehr Er näher kam! Zusammensteckend ihre Köpfe stand Ihr großer Haufe; Fermor schüttelte Sein graues Haupt dreimal; sie zitterten; Zuletzt war ihr verzweiflender Entschluß, Ein großes Viereck und der Tod. Nur du, Grausamer, der den Wall, anstatt der Stadt, Verschonete, vergnügt sie brennen sah, Auflachete, wenn Ach und Weh zugleich Mit ihren Flammen zu den Wolken stieg, Wenn schwarzer Dampf sie zu ersticken schien, Unmenschlich neue Höllenflammen schuf, Warfst deine Zündefackel aus der Hand, Entflohest auf dein Roß geschwungen; warst Dem Tod entronnen. Aber, Hezensangst Saß mit auf deinem Roß, und floh mit dir Weg aus der Schlacht. Nun träumst du Höll und Tod. Und alle Flammen, welche dir zur Lust, Der Menschen Wohnungen verzehreten, Siehst du zusammenschlagen über dir. Dein ganzes Leben sei ein solcher Traum! Die Menschheit sehe sich dadurch gerächt, Weit mehr als durch des Schwertes schnellen Tod Den es Besiegten oft barmherzig schenkt. Kallmucken und Kosaken freß es schnell! Qualvolles langes Leben aber sei Das Los der Häupter über sie, die sie Wie Tigertier auf Menschen hetzen, Furcht Voraus zu senden über Stadt und Land Wohin der Krieger seine Waffen trägt! Nicht deines, Heldin, die sich auf den Thron Des großen Vaters, ohne Schwertes Schlag, Zu setzen wußte; lauter Gnad und Huld Wohin sie sieht, ausbreitet um sich her; Von Menschenmartern, Qual und Pein und Tod Stets ihre Majestät wegwendet; Blut Nicht sehen will, um ihren Thron nicht sieht: Denn du gabst nicht den schrecklichen Befehl: Die Wütriche, die Henker deines Reichs, Die noch zu Menschen nicht geworden sind, Kallmucken und Kosaken sollten ziehn, In Menschenland, zu wüten wider sie, Zu sein die Teufel deines Kriegesheers! Jedoch, sie haben ihre Strafe hin! Des Rächers Schwert fraß sie wie dürres Gras, Bei Tausenden, die Hölle nahm sie auf! So lange du, o Vater, vor uns her Die schreckliche Blutfahne trugst, und nichts In deiner Arbeit für das Vaterland Dein Leben achtetest, so lange floß Für jede Thräne deines Volkes Blut, So lange schlug das rächerische Schwert Nicht deinen sondern aller Menschheit Feind, Und mähete die ungeheure Brut Unmenschen weg, aus deines Gottes Welt. Der Engel der bei Lissa seinen Glanz, Um den Gesalbten glänzte, war auch itzt Sein Schutzgeist. Näher sah ich ihn, als dort, Er trug im schönen Engelangesicht Des großen Friedrich Wilhelms Miene ganz. Aus einem Strome schwarzen Mörderbluts Trat ich mit scheuem Fuß auf einen Berg Von Leichen, sahe weit um mich herum Nun keinen zu erschlagen mehr, stand hoch Mit hohem Hals, warf einen scharfen Blick Durch Wolkengleichen schwarzen Dampf der Schlacht Nach dem Gesalbten, heftete auf ihn, Und den Gesandten Gottes, seinen Schutz, Die Augen und Gedanken fest. Und da, Da war es, Muse, (denn du warest nicht, Wo nur erschlagen nicht besieget ward) Als mich ein Mörder traf, als fast zugleich Der edle Dankelmann, der junge Held Und Patriot, hinsank, den schönen Tod Fürs Vaterland, nicht unwillkommen, starb, Ich aber ihn zu sterben noch nicht reif, Mit dieser Wunde weg getragen ward. Sing es, o Muse, singe Gottes Zorn, Und Friedrichs Mut. Indessen heilet sie Geschwinder. Dein Gesang besänftige Den Höllenschmerz, er mache daß der Arm Der hier gebunden müßig liegen muß, Bald wieder frei sei, für das Vaterland Zu streiten. Deines edlen Freundes Tod Rächt er an den Barbaren auch noch gern, Wenn nur das Schwert nicht alle weggerafft. Soll aber er nicht wieder streiten, soll Ich nicht den Friedensengel kommen sehn, Nicht im Triumph den unbesiegten Held Begleiten nach Berlin, nicht der Homer Des göttlichen Achilles werden: Dann, Dann, liebe Muse, weine nur um mich Ein kleines Lied, dann lebe wohl, o Welt! In welcher wider einen Friederich Der Erden Könige verschworen sind.