DIE HERRIN BETET EINE SAGE IM SINN DER ALTKÖLNISCHEN MEISTER DEM BURGHERRN AUF RHEINSTEIN EHRERBIETIGST GEWIDMET Bei einer aufführung dieser dichtung in der weise Lebender Bilder dient der beschreibende teil zur errichtung der bühne und stellung der gruppen während der wörtlich angeführte den gestalten in den mund gelegt oder in leidenschaftlos getragener sprache im hintergrund hergesagt wird. Es treten auf: die Herrin Der mit dem Falken Der mit dem Greifen (nur als erscheinung) ein Priester ein Bote Mägde Ihr finger frei von allen edelsteinen Umfängt die perlen der geweihten schnur Und sieht nur halb aus feh-verbrämtem ärmel Des kleides dessen straffe schwarze falten Sie ganz umhüllen vor dem frommen pult. Die Herrin betet. Schiefe strahlen fallen Herab auf sie aus spitzem bogenfenster. In seinen rauten die marie schwebt In grün und purpur · gelben schein ums haar In leuchtend vollen farben andrer welten. Im hofe drunten geht ein waffentosen Durch vieler mannen heiliges verstummen. Im gange schleichen mägde auf den zehen: ›Die Beiden die die Herrin eifrig ehrten – Ihr gatte war als er im forste jagte Von fremdem arme hinterrücks erschlagen – Sieh in den schranken gegenüber treten Dass einer sich der schweren klage löse Und der Erkämpften höchste huld ihm sei.‹ Und zwischen den gebeten lispelt ihr Der mit dem Falken: ›Seht mich ständig heiter · Bei frohen brüdern ist mein lieber ort · Sie missen jeden gerne nur nicht mich. Der wächter · senkt er mir die brücke · sagt Dass jezt die trübnis aus den mauern reite · Des dorfes töchter küssen meine rede Und innig lauschen frauen meiner laute. Wer sah mich einsam auf verrufnen wegen Mit jenem blick wovor den kindern bangt?‹ Der mit dem Greifen: ›Denkt an meine sitte · Und meine zierde – meine narben – zeuge! Vor königs wahl schon nahm ich meine sporen Vergoss mit ihm mein blut im wälschen land. Dem heile der bedrängten galt mein arm. Die ehre nennt das volk mit meinem namen. Vor meiner lanze fürchten sich die mohren. Ich stand am berg wo unser heiland hing.‹ Ein lauter schlag · ein halt · ein volles schweigen Dann jubelrufen und ein dumpfes murren. Die beterin noch lauschend hat sich bebend Emporgerichtet · beugt sich einmal noch Die perle küssend mit dem teuren splitter · Sie eilt hinaus dass sie den sieger grüsse Der schon im gange dröhnt. Ihr auge glänzt Und ihre hand die sie mit gnade bietet (Soweit es ihr in witwentrauer zieme) Verspricht dass Gottes wahl die ihr genehme: Der junge ritter sinkt vor ihr ins knie. * ›Da kaum des festes lezter ton verschallt Und unsrer freude zeugen sich verstreut Bleibt mein gemahl auf rauhen zügen fern Und hat zurückgekehrt nur böse rede. Ich spinne einsam bei dem herde oder Ich schaue von dem söller in den strom Und denke meinen neuen kummer weinend Der harten prüfungen der tiefen schmerzen Die sich in meine schönen jahre stahlen. Ich habe · Frommer Vater · lang gerungen Dem los mich fügend deinen rat befolgend · Vor vielen gnadenbildern brennt das wachs Von meinen schreinen flossen reiche gaben Und bei den kranken trat ich furchtlos ein. Doch seit ich einmal ihn im zorn gehört Ward meine drangsal zur verzweiflung reif Und durch die schauer meiner leeren nächte Verfolgt mich ein entsetzlicher gedanke ..‹ ›O tochter reize nicht den höchsten richter Er irrt so wenig wie der lauf der sterne .. Nun hat dich wahres unglück heimgesucht: In deinem busen thront der widersacher Mit seiner schar. Du musst ihn von dir treiben Wie heftig er auch tobe · durch die zucht Des fleisches das sich bäumt und durch vermittlung Der Heiligen die dir zum schutz gegeben.‹ Ein Bote sprengt den steg hinan: ›Mir ist Die kundschaft des gebieters an die gattin Dass ihn des grossen mönches wort erleuchtet Im felde vor der stadt der sieben brücken Und tief gerührt er ohne den verzug Des abschieds nur zu dulden auf der schulter Das rote kreuz nach Christi grabe fahre.‹ Der bote ist im hof vom ross gesprungen · Er sucht in gängen und gemächern · merkt Die angelehnte pforte der kapelle · Er öffnet · zögert etwas · legt sie wieder Behutsam bei und mit dem deutefinger Verschliesst er sich den mund: ›Die Herrin betet.‹