Epiktet Verlangst du ein zufriednes Herz: So lern' die Kunst, dich stoisch zu besiegen, Und glaube fest, daß deine Sinnen trügen. Der Schmerz ist in der That kein Schmerz Und das Vergnügen kein Vergnügen. Sobald du dieses glaubst: so nimmt kein Glück dich ein Und du wirst in der größten Pein Noch allemal zufrieden sein. »Das«, sprichst du, »kann ich schwer verstehen. Ist auch die stolze Weisheit wahr?« Du sollst es gleich bewiesen sehen; Denn Epiktet stellt dir ein Beispiel dar. Ihn, als er noch ein Sklave war, Schlug einst sein Herr mit einem starken Stabe Zweimal sehr heftig auf das Bein. »Herr«, sprach der Philosoph, »ich bitt' Ihn, laß Er's sein, Denn sonst zerschlägt Er mir das Bein.« – »Gut, weil ich dir's noch nicht zerschlagen habe: So soll es«, rief der Herr, »denn gleich zerschlagen sein.« Und drauf zerschlug er ihm das Bein. Doch Epiktet, anstatt sich zu beklagen, Fing ruhig an: »Da sieht Er's nun! Hab' ich's Ihm nicht gesagt, Er würde mir's zerschlagen?« Dies, Mensch, kann Zenos Weisheit thun! Besiege die Natur durch diese starken Gründe. Und willst du stets zufrieden sein: So bilde dir erhaben ein, Lust sei nicht Lust und Pein nicht Pein. »Allein«, sprichst du, »wenn ich das Gegenteil empfinde, Wie kann ich dieser Meinung sein?« Das weiß ich selber nicht; indessen klingt's doch fein, Trotz der Natur sich stets gelassen sein.