Die beiden Mädchen Zwei junge Mädchen hofften beide, Worauf? Gewiß auf einen Mann; Denn dies ist doch die größte Freude, Auf die ein Mädchen hoffen kann. Die jüngste Schwester, Philippine, War nicht unordentlich gebaut; Sie hatt' ein rund Gesicht und eine zarte Haut, Doch eine sehr gezwungne Miene. So fest geschnürt sie immer ging, So viel sie Schmuck ins Ohr und vor den Busen hing, So schön sie auch ihr Haar zusammenrollte: So ward sie doch bei alledem, Je mehr man sah, daß sie gefallen wollte, Um desto minder angenehm. Die andre Schwester, Karoline, War im Gesichte nicht so zart, Doch frei und reizend in der Miene Und liebreich mit gelassner Art. Und wenn man auf den heitern Wangen Gleich kleine Sommerflecken fand: Ward ihrem Reiz doch nichts dadurch entwandt; Und selbst ihr Reiz schien solche zu verlangen. Sie putzte sich nicht mühsam aus, Sie prahlte nicht mit teuren Kostbarkeiten. Ein artig Band, ein frischer Strauß, Die über ihren Ort, den sie erlangt, sich freuten, Und eine nach dem Leib wohl abgemessne Tracht War Karolinens ganze Pracht. Ein Freier kam; man wies ihm Philippinen; Er sah sie an, erstaunt' und hieß sie schön; Allein sein Herz blieb frei, er wollte wieder gehn. Kaum aber sah er Karolinen: So blieb er vor Entzückung stehn. Im Bilde dieser Frauenzimmer Zeit sich die Kunst und die Natur; Die erste prahlt mit weit gesuchtem Schimmer: Sie fesselt nicht, sie blendet nur; Die andre sucht durch Einfalt zu gefallen, Läßt sich bescheiden sehn, und so gefällt sie allen.