Romanze vom Elfenbrunnen »Wiss' es, Blanka, meine Tochter, Weil du sünd'ger Liebe Sproß, Hab' ich früh schon in der Wiege Dich dem Heiland anverlobt. Morgen reiten wir selbander Nach Sankt Annas Klosterhof, Daß du dort ein Nönnlein werdest, Dir zum Heil und mir zum Trost.« – »Mag kein Nönnlein werden, Vater, Denn mein Herz ist jung und froh; Tanz und Jagd gefällt mir besser, Als zu singen auf dem Chor; Schad' auch wär's um meine Locken, Sie zu kürzen schonungslos, Schad' um meine weißen Füße, Die nur seidne Schuh gewohnt.« – »Mach dich fertig, meine Tochter, Besser weiß ich, was dir frommt. Morgen ziehn wir früh vor Tage Nach Sankt Annas Klosterhof.« – Als die Jungfrau das vernommen, Zäumte sie ihr milchweiß Roß, Zäumt' es unter bittern Tränen, Ritt hinab zum wilden Forst. Ganz in ihren Gram versunken Sah sie nicht, wohin sie zog, Kam zur tiefsten Waldestiefe, Als das Spätrot schon verglomm, Kam zuletzt zur alten Linde, Wo der Elfenbrunnen quoll. Aufgeweckt vom Wasserrauschen Ihren Blick erhub sie dort, Sieh, da ritt ein schöner Knabe Neben ihr auf schwarzem Roß, Trug im Haare Lindenblüte, Trug am Gurt ein silbern Horn Und begann so süß zu blasen, Daß ihr Gram davor zerschmolz Und ihr Herz von heißer Sehnsucht Nach dem schönen Fremdling schwoll. Als sie endlich ganz bezaubert Sich zu ihm hinüberbog, Hielt mit Blasen ein der Knabe, Hub im Sattel sich empor Und umfing sie, wie sie ritten, Mit den Armen liebevoll. Langsam, in den Blumen weidend, Schritten ihre Zelter fort, Schritten sacht hinein ins Dunkel, Wo sich jeder Pfad verlor. In den Lüften ging ein Singen, Durch die Wipfel schien der Mond. Andern Morgens leer am Schloßtor Stand der Jungfrau milchweiß Roß, Doch sie selber blieb verschollen Für und für im wilden Forst.