Ein Gedenkblatt 1851? Am Samstagmorgen vor Palmarum war's Im Jahre, da man Neunundvierzig schrieb, Daß mich die goldne Sonne des Aprils Aus meinem alten Nest am Hafendamm Hinab ins Freie lockte. Draußen zog Der Fluß, von mächt'gen Segeln schon belebt, Blauglänzend hin, und in den Lüften schwamm Des Frühlings ahnungsvolles Hoffnungslied. Mir aber wuchs das Herz bei diesem Ton, Als müßt' er Glück verkünden. Ruhiger Gedacht' ich an der Zeit verworrnen Kampf Und an die Zukunft, deren Los vielleicht In diesem Augenblick geworfen ward. Da, wie ich so am Damm des Ufers noch Vertieft hinabschritt, kam mein Jugendfreund, Der blonde Maler, hastig und erregt, Daß Bart und Haar ihm flog, des Wegs daher, Und sein des Lächelns ungewohnt Gesicht Erglänzte wie vom Frührot übersonnt. So rief er mir entgegen: »Weißt du's schon?« Und da mein Blick ihn fragte, quollen ihm Aus tiefster Brust die Worte: »Freue dich! (Und seine Stimme zittert', als er sprach) Ein Deutscher Kaiser ist gewählt am Main, Und seine Boten sendet ihm das Reich.« Und während er von allem, wie's geschah, Mir nun Bericht gab, sieh, da schmückten sich Die alten Zackengiebel längs dem Fluß Mit frohen Fahnen schon, und grüßend flog An manchem Schiff ein deutscher Wimpel auf Und wallte breitentrollt im Morgenwind. Und jetzt, von Turm zu Turm einfallend, scholl Der Glocken Chorgesang und kündigte Das Fest der Palmen an. Mir aber war's, Als läutete man ein das Deutsche Reich, Und das Hosanna, das in meiner Brust Andächtig widerklang, zwei Königen, Die ihren Einzug hielten, galt's zumal, Dem himmlischen und dem von dieser Welt. Auf Windesschwingen flog von Haus zu Haus Die Kunde weiter, da begann im Glanz Der Frühlingssonne durch die Gassen hin Ein festlich Wogen. Freunde tauschten rings Bewegten Handschlag, Feinde grüßten sich, Als wäre plötzlich aller Zwist gesühnt, Und manches Auge, das ich längst im Staub Der Akten oder überm Rechnungsbuch Verhärtet glaubte, sah ich freudenfeucht. Denn was wir alle, sei's mit klarem Geist, Sei's dunkel nur im angebornen Trieb Gewünscht, gehofft, ersehnt, nun schien's erfüllt. Ich aber stieg zu Pferd und ritt hinaus, Die Stille suchend. O wie deuchten mir Voll Melodie die Lüfte, die im Flug Das Haar mir streiften, wie so schön der Wald, Der, kaum von grünem Schimmer überhaucht, Jungfräulich schauert' in des Werdens Lust! Die Quellen brausten, aus den Wipfeln scholl Der Ruf der Vögel, und seitab vom Pfad Wob um die Stämme zitternd Dämmerlicht. In solcher Waldnacht saß wohl Heinrich einst, Der blonde Sachsenheld, den Finkenschlag Belauschend, als ihm Herzog Eberhard Den Purpur und die heil'ge Lanze bot. Ich sah ihn vor mir fest und wetterbraun Im schlichten Jagdwams und im Kreis umher Der großen Botschaft Werder allzumal. Er aber sprang empor vom Vogelherd, Dem Adler gleich, der seinen Flug beginnt, Und nahm das Pfand des Reichs und tat den Schwur, Dem deutschen Volk ein Vaterland zu baun, Und klar im ruh'gen Feuer seines Blicks, In seines Worts einfacher Hoheit lag Die Bürgschaft des, was er verhieß. Da bog Das Knie vor ihm die stolze Frankenschar Und huldigt' ihm mit Jauchzen, und mein Herz, Im Sonnenaufgang frühster Ruhmeszeit Das Bild des heut'gen schauend, jauchzte mit, Und Tränen weint' ich, Tränen, wie ein Mann Sie weinen darf, wenn überwältigend An seine Brust ein großes Schicksal pocht. Es war ein froher Tag – Was später kam, Ihr wißt es alle. Keinen Hüter fand Das uralt heil'ge Kleinod unsres Volks. Die Hand, schon zum Ergreifen ausgestreckt, Verschloß sich plötzlich, und zu Boden fiel Des Reiches Apfel. Waisen blieben wir, Wie wir's gewesen dreiundvierzig Jahr', Und an den Weiden hängten wir aufs neu' Die Harfen auf, und durch die Saiten ging Des Windes Seufzen. O, wann bringt ein Tag Dem Vaterlande die Gestirnung wieder!