Vermischte Gedichte Zweites Buch München Die Erde Wohl hast du einst mit hoher Wonne Mein junges Herz getränkt, Natur, Wenn mich der Glanz der Frühlingssonne Zur Ferne zog durch Wald und Flur; Vertieft in mich, mit halbem Lauschen An deinen Wundern streift' ich hin Und wob in all dein Blühn und Rauschen Der eignen Brust geheimsten Sinn. Doch heilig-ernster ist die Feier, Damit du jetzt mein Herz umwebst, Wenn du den falt'gen Isisschleier Vom hohen Antlitz lüftend hebst; Wenn du vom Reiz der bunten Schale Mein Auge still zur Tiefe lenkst Und aus des heut'gen Tages Strahle Ins Dämmerlicht der Urzeit senkst. Da offenbart im Schwung der Auen, In schwarzer Grotten Säulenschoß Sich mir der Welle leises Bauen, Des Feuers jacher Zornesstoß; Da singt der Gurt geborstner Schichten Ein heilig Lied mir vom Entstehn Und läßt in wandelnden Gesichten Die Schöpfung mir vorübergehn. Und wieder schau ich's, wie mit Toben, Vom unterird'schen Dunst gedrängt, Der flüss'ge Kern des Erdballs droben Die meergebornen Krusten sprengt; Wie er, ein Strom von zähen Gluten, Bis in die Wolken rauchend stürmt Und über Täler dann und Fluten Zergipfelt zum Gebirg' sich türmt. O Riesenkampf der Urgewalten, Drin eine Welt sich gärend rührt, Der von Gestalten zu Gestalten Mich auf ein letzt Geheimnis führt! Denn wie ich rastlos rückwärts dringe Von Form zu Form, erlischt die Spur; Ich steh' am Abgrund, draus die Dinge Der erste Lebenspuls durchfuhr. Da fällt ins zagende Gemüte Ein Glanz aus tiefsten Tiefen mir: »Im Anfang war die ew'ge Güte, Und tausend Engel dienen ihr!« Und wie sie licht in Flammen wallen, In Fluten brausen allerorts, Empfind' ich schauernd über allen Den Hauch des unerschaffnen Worts.