Die Türkenkugel Auf der Höh' am Felsenkirchlein, Rings vom Türkenheer umschlossen, Liegt ein Häuflein tapfrer Griechen Von des Bozzaris Genossen. Achtmal hat die Schar dort oben Schon begrüßt den Strahl der Sonnen; Achtmal schon ergimmten Mutes Hat der Feind den Sturm begonnen. Doch vergeblich in den Schluchten Häuft' er Tote nur zu Toten, Denn der Fels ist schroff, und sicher Trifft das Blei der Sulioten. Drum von fern aus Feuerschlünden Will er nun Verderben senden; Kugeln über Kugeln wirft er Nach den steilen Felsenwänden. Aber mag sein glühend Eisen Seltnes Opfer nur erreichen: Schon beginnt ein andrer Würger Droben durch die Schar zu schleichen. Grauser als von Feindeswaffen Ist der Tod von Durstesqualen; Keinen Brunnen hat der Felsen, Und geleert sind Schläuch' und Schalen. Und der Himmel blau und ehern Schaut herab mit Feueraugen; Ach, nicht reicht's, daß von den Halmen Sie den Tau der Frühe saugen. Bleich, mit hohlen Wangen, schwanken Um das Kirchlein die Gestalten: Kaum vermag der Arm entkräftet Noch das lange Rohr zu halten. Dorrend klebt die Zung' am Gaumen, Fieberglut durchrast die Glieder; In der Not des neunten Abends Werfen sie sich flehend nieder: »Der du Mosis Stab gesegnet, Daß er Wasser schuf dem Volke, Der du auf Elias' Rufen Kamst in schatt'ger Regenwolke, Herr, erbarm', erbarm' dich unser! Sieh, wir sind wie trockne Scherben, – Von des Feindes Schwert errettet, Laß uns nicht im Durst verderben!« Und noch hallt es: »Herr, erbarm' dich!« Da in rotgewölbtem Bogen Aus dem Türkenlager sausend Kommt ein Feuerball geflogen. Dröhnend schlägt er in die Klippe, Bohrt sich wühlend tief und tiefer, – Horch, da zischt es leis, und silbern Zuckt es auf im Felsgeschiefer: Und es blinkt und rinnt und rieselt, Und mit Brausen dann geschossen Well' auf Welle kommt das Wasser, Dem das Erz die Bahn erschlossen. O wie lieblich rauscht der Sprudel In das Ohr der Kriegsgefährten! O wie schlürfen sie mit Wonnen Von dem Naß, dem langentbehrten! Aber dann zum frommen Danke Siehst du sie die Hände falten: »Sei gepriesen, Herr der Gnaden! Wundervoll ist all dein Walten. Durch die Hand des grimmsten Feindes Weißt du Trost und Heil zu geben; Tod gedacht' er uns zu senden, Doch du wandtest Tod in Leben!«