Aus verschollenen Tagen 1. Es war ein schöner Tag im schönen Wien, Die Linden blühten, und die Sonne schien, Und Arm in Arm, uns selber überlassen, Durchschritten wir die morgenfrischen Gassen. Prunkläden hier, Paläste stolz und grau, Dort schwarzgetürmt Sankt Stephans Riesenbau, Und rings aus laub'gen Gärten durchs Gedränge Herflatternd Rosenduft und Geigenklänge. Ein Märchen deucht' es uns, ein Traumgeschick: Sonst ruhlos überwacht in Wort und Blick, Und plötzlich nun im bunten Volksgetriebe Der großen Stadt allein mit unsrer Liebe! Beschwingt ins Grüne lenkten wir den Schritt, Die Vögel jauchzten, und wir jauchzten mit, Bis wir zuletzt nach sel'ger Irrfahrt Stunden Den Weg zu Belvederes Schloß gefunden. Von Panzern drinnen beim gedämpften Strahl, Von Türkenbeute blitzte Saal an Saal, Und friedlich neben den ersiegten Waffen Hing, was der Meister Farbenkunst geschaffen. Da grüßt' uns plötzlich lächelnd von der Wand Der schönste Frauenkopf von Palmas Hand; Bezaubert staunt' ich, bis ins Herz erschrocken, So glich er dir mit deinen goldnen Locken. Und küssen wollt' ich das holdsel'ge Bild, Du aber wehrtest mir und sprachest mild: »Warum nach stummem Reiz den Blick erheben? Du hast's ja besser, halte dich ans Leben!« – Und wieder durch die Gärten schwärmten wir, Und von den trunknen Lippen strömte mir Ein übermütig Lied der Liebeswonne, Die Rosen blühten, und es schien die Sonne. Und denk' ich dran, so weht's durch meinen Sinn Wie Rosenduft und Sonnenglanz dahin. O Stadt Sankt Stephans, daß dich Gott behüte, Wo meiner Jugend schönstes Märchen blühte!