Märchen Schön Manar trat aus dem wilden Wald, Sie trat in den prächtigsten Garten; Da blühten die Rosen rot und weiß, Und lustig sprangen die Wasser. Und über den Rosen und Wassern stieg Ein Schloß mit schimmernden Kuppeln, Zwei Flügelpferde standen am Tor Aus grünem Erz gegossen. Schön Manar schritt in das Schloß hinein, Empor die schweigenden Treppen; Zwölf Harfen hingen im Pfeilergang, Die Spinnen woben darüber. Und als sie trat in den ersten Saal, Da stand eine Tafel gerüstet Und funkelnder Wein in lichtem Kristall, Doch niemand kam, sich zu letzen. Und als sie trat in das zweite Gemach, Da lag auf seidenen Kissen Das schönste Weib in goldnem Gelock, Doch schlief sie bleiernen Schlummer. Und als sie trat in den dritten Saal, Da saß bei verhangenen Fenstern Im dämmernden Raum auf güldenem Stuhl Ein schattenhafter König. Sein Antlitz war nicht jung noch alt, Sein Haar war unbeschoren; Auf seinen blassen Zügen lag Ein unergründliches Elend. Schön Manar sprach voll Mitleid: »Herr, O brüte nicht hier so düster! Die Welt ist draußen voll Sonnenschein Und voll von Rosen der Garten. »Was gehst du nicht, am funkelnden Wein Dein trauriges Herz zu erquicken? Was weckst du die schlafende Jungfrau nicht Mit Küssen zu Lust und Liebe?« Der König hub zu ihr empor Die gramerloschenen Augen; Er schüttelte trüb das Haupt, doch kam Kein Wort von seinen Lippen. Er schlug den Purpurmantel zurück Von seiner linken Seite, Da war sie nicht Fleisch, da war sie nicht Bein, Da war sie schwarzer Marmor – –