8. [Lebwohl, Kind!] Lebwohl, Kind! ... die Fahrt, die du wagst, ist weit! Mein Wunsch, daß es gut dir gehe, geb dir getreulich Geleit! Leb wohl! den Kopf immer hoch und fröhlich und unverzagt, und nie zuviel auch bei andern um Rat und Meinung gefragt! Raten ist leicht, doch es geht schon nicht alles im rechten Gleis, wenn man Rat braucht, Kind, und sich nicht selbst zu helfen weiß! Es trägt ein jeder zudem schon so viel an eigener Last, daß er sich meist nur ungern mit fremden Sorgen befaßt! Es kommt auch selten etwas dabei heraus und ich mein: man müsse für Glück und Unglück immer selbst verantwortlich sein. Wer seines Zieles klar ist, erreicht, was er erstrebt, und wer ein Ziel errungen, hat nie vergebens gelebt! Lebwohl, Kind! und wenn es wettert und Blitze und Wolken dräun, es kommen auch Tage wieder, die Blüten und Rosen streun. Es ging ja uns beiden im Leben nie noch besonders gut, wir erfuhren niemals, wie schön es ohne Sorge sich ruht; wir haben von früh an in fremde Launen uns schicken gemußt und hatten niemand, zu teilen, weder bei Leid noch bei Lust; und gerade in Jugendtagen ist das wohl der herbste Schmerz: man träumt da von Wunderdingen und hat so voll das Herz, man möchte jubeln und jauchzen und möchte glücklich sein und denkt, das Leben bestünde aus lauter Sonnenschein. Es kann ja nun alles sich ändern, ich glaubte für dich es so gern: es kann vom Himmel fallen wie ein rotblitzender Stern, es kann auf schimmerndem Flügel herrauschen im Windeswehn, es kann mit jauchzendem Liede urplötzlich vor dir stehn! ... Dichter sind's, die das sagen, auch hört man es sonst dann und wann, im wirklichen Leben aber ... ich glaube nicht recht daran! Ich glaube viel eher, es wird so sein, wie es bisher war: von allem, was man sich wünscht, wird nur das Wenigste wahr! ja ich glaube beinahe, das große Glück, von dem man so träumt und an das ein jeder so viel seines besten Lebens versäumt: daß es das gar nicht gibt ... als festes dauerndes Gut, daß alles Glück nur in kleinen ganz flüchtigen Dingen beruht! Es ist wie Gold, das man auch nicht in Klumpen und Blöcken hebt, das man nur staubkorngroß aus Geröll und Getrümmer gräbt.