Drittes Kapitel Von der Königin Leonore Des König Heinrichs Königin, Die böse Leonore, Sie starrt in finstrem Sinnen hin Auf Towers Hof und Tore; Sie sandte sieben Boten aus, Doch keiner kehrte noch nach Haus, Der sichre Kunde brächte. Sie sandte sieben Boten aus, Die sollten rings erkunden, Ob wo, in eines Köhlers Haus, Der König Schutz gefunden; Doch hofft sie still, daß rot von Blut Im tiefsten Waldesgrund er ruht, Von Mörderhand erschlagen. So hofft und träumt die Königin An hohen Fensters Flügel Und greift in ihrem stolzen Sinn Schon nach der Herrschaft Zügel; Wohl sagt sie sich: ›Du hoffst zu viel!‹ Doch ist das nur ein Gaukelspiel, Um so das Glück zu kirren. Da sprengt der Sieben einer vor, Weiß von des Renners Schaume, Und sieh, die böse Leonor' Fährt auf aus ihrem Traume; In tollem, aberwitz'gem Spott Fleht, gotteslästernd, sie zu Gott Um eine blut'ge Locke. Der Diener naht, sein Herze freut Sich, arglos, seiner Kunde: »Der König lebt, ich sah ihn heut In früher Morgenstunde. Er hielt vor Woodstocks altem Schloß Und hob ein blasses Weib vom Roß – Ihr Haar war lang und golden.« »Daß du an ihrem goldnen Haar Im nächsten Walde hingest, Du Schurke, der du lerchenklar Dein Rabenliedlein singest! Wer gab dir nur die freche Stirn, Daß du der buhlerischen Dirn' Vor Unsrem Ohr gedenkest!« Und Rachepläne röten jetzt Die Stirne ihr, die blasse, All, was sie sinnt, ist wie gewetzt An eifersücht'gem Hasse. Scharf stechend fällt in ihren Saal Die Sonne; jeden einzlen Strahl Möcht' sie zum Stoße zücken! »Doch nein, es fall' kein Tropfen Blut, Kein nutzlos Blutvergeuden, Sie lebe, lebe wohlgemut All ihren süßen Freuden; Doch nimmt sie je das Abendmahl, Gedrückt von ihrer Sünden Zahl, Mein Priester soll's ihr reichen.« Sie spricht's und schlingt in stiller Lust Die Fäden ohne Säumen, Dieweil in Woodstock, Brust an Brust, Noch ihre Opfer träumen: Dort Frühling noch und Sonnenlicht, Hier aber türmen hoch und dicht Sich schon die Wetterwolken.