Zufriedene Stunde Zufriedene Stunde. Durch die offne Thür Kommt vom Balkon die milde weiche Luft Des niedergehenden Septembertages Und, minder mild, der Lärm der Straße: Kreischen Von Knaben, die sich balgen; helle Stimmen Der kleinen Mädchen, Ringelreihe tanzend; Das scharfe Kleffen meines Nachbarhündchens Und dann und wann der tiefe Polterbass Des Milchmannshundes. Auch das Läuten trägt Der Pferdebahn zu mir der schnelle Schall, Und, dumpfer, von der nahen Alster her Den kläglich heisern Ton der kleinen Dampfer. Zufriedene Stunde. Auf den Knieen das Buch, »Jenseits von Gut und Böse« nennt der Vater Sein wundersames Kind der Einsamkeit, So auf den Knien das aufgeschlagene Buch, Lass' ich den wirren Klang des Lebens lächelnd Die zarten schüchternen Gedanken mir Zurück ins dunkle Nest der Seele scheuchen. Zufriedene Stunde. War ich je so fröhlich, So herzensstill, so gütig? Oftmals schon Schlug ich die Thür mit leisem Fluche zu, Wenn so von draußen mit der plumpen Faust Der wüste, rohe Lärm des Tages griff In meine zarten feinen Seelenfäden, Das kaum begonnene Gespinst zerstörend. Doch heute kann ich's lächelnd dulden. Seltsam. Zufriedene Stunde. Ohn' warum, wozu. Du dreimal Glücklicher, dem jeder Tag Bringt solche Stunde, solche Stunden wohl. Und giebt's nicht Glückliche, die immer so, So fraglos, leben hin ihr ganzes Leben? Ein wirrer Ton, ein unbestimmter Klang In all den wirren, unbestimmten Klängen Der wundersamen Lebenssymphonie, Füllstimmen nur im wuchtig lauten Tutti. Zufriedene Stunde. Oder nicht? Ist Schlaf Nur diese Stille, diese satte Stimmung, Die wunsch- und fragelose? Wie? Nicht Glück? Nicht Glück für mich? Wenn sich dem wirren Lärm Nun hell und klar, wie rieselnd Gold, entringen Die zauberhaften Solostimmen wieder, Die feinen kirrenden Zauberflötentöne? Und in dem stillen dunklen Rattennest, Das meine Seele nenn' ich, wird's lebendig Und läuft und springt und drängt und pfaucht und pfeift? Nein! tutti tutti! forte! con fuoco! Recht brausend, lärmend, alles übertäubend! Bum bum! tam tam! Nicht diese zarten, feinen Geheimnisvollen Rattenfängersoli. Zufriedene Stunde, stille, satte Stunde! Ganz ohne Wunsch die eingelullte Seele, So ruhefroh, so flach, so unbewegt –