Sonnenblumen Am Abend zwischen Traum und Wachen, Ich dachte nicht grad an heilige Sachen, Vor mir der Nazarener stand. Die schönen Gottesaugen lagen Auf mir wie zwei freundliche Fragen. Hielt eine Blume in der Hand, Hochstengelig ein goldener Stern Lehnt an der Schulter unserm Herrn, Wie frommer Maler Engelsgestalten Ihre Friedenspalmen halten: Eine Sonnenblume, voll erschlossen, Von einem lieblichen Licht umflossen, Hob sich von seinem blauen Kleid Als ein glänzendes Geschmeid. So schwebte wie ein Nebel zart Vor mir die göttliche Gegenwart, Darauf ich holden Schreckens geblickt, Bis ich darüber eingenickt. Am Morgen, nach gesundem Schlaf, Stand mir der Sinn ins Feld hinaus, Wo ich auf eine Hütte traf, Ein leicht gezimmert hölzern Haus. Drum ragten als ein Schirm und Zaun, Als ein golden Gegitter anzuschaun, Hochsäulig aufgereiht beisammen, Sonnenblumen, zehn helle Flammen. Das war ein dichterlicher Platz, Wie nur am Wege hold versteckt Ein Sonntagskind ihn einmal entdeckt. Ein Wässerlein lief mit süßem Geschwatz Durch eine schattige Wiese hin, Sonst war die Stille hier Königin; Ihr König, der Frieden, saß auf der Bank Und putzte seine Krone blank. So oft ich dem Häuschen vorübergeh, Ein blau Gewand ich vor mir seh. Geht nicht, steht nicht, schwebt vielmehr In einiger Höhe vor mir her. Schöne Gottesaugen schlagen Sich nach mir auf mit freundlichem Fragen, Und von der Schulter unserm Herrn Nickt schwankend der goldne Blätterstern, Die Sonnenblume, voll erblüht, Von einem himmlischen Leuchten umglüht. War nie diesen Blumen recht gut gewesen. Schalt sie bäuerisch und gemein, Kamen mir vor wie Küchenbesen, Die gerne wollten Prinzessinnen sein. Aber so läßt, was wir verachtet, Ehs drüber getagt nur oder genachtet, Oft plötzlich die schlichte Hülle sinken Und uns seine heimliche Schönheit trinken. Besonders Poeten kommen oft Zu solchen Gnaden unverhofft.