7. Die Wochen, die Monde, ich schildere sie nicht, Wenn rechts die Hoffnung ins Ohr dir spricht Mit süßem Wort, und links dir flüstert Die Furcht ihre Zweifel, und dich umdüstert Mit bangen Schatten, und es wechselt so ab, Hältst jede Stund einen andern Stab, Womit du das Leben misst, seinen Wert. Das sind Zeiten, die niemand zurückbegehrt, Auch in der Erinnerung nicht. So schweige Ich denn darüber. – – Es war alles bereit, Das Kind zu empfangen. Geschmeidige Zweige Und Bast hatte ich in der letzten Zeit Auf täglichen Gängen im Walde gesucht, Draus flocht ich heimlich, versteckt in der Bucht, In der Auslughöhle am einsamen Strand Zur ersten Wiege die erste Wand, Und freute mich, sie mit dem Meisterstück Überraschen zu können, und träumte vom Glück Der kommenden Zeit. Da saß ich nun Bei dem ungewohnten, köstlichen Thun; Sah über die Arbeit hinaus auf das Meer, Das öde wie immer und hoffnungsleer, Kein Segel rings, nur Wellen und Wellen, Und drüber die Möven, die rastlosen, schnellen. Eine Arbeit war's, so ungewohnt Wie sauer, doch fühlt' ich mich reichlich belohnt, Sah ich sie langsam sich fortgestalten, Und dacht' an das Glück, das sie sollte halten, Das sie bergen sollte in ihrem Schoß. Und es ward eine Wiege für zwei, so groß. Das Glück! Das Lachen! Die Thränen! als Mein Meisterwerk nun vor ihr stand. Ach, wie wenig gefiel mir's, wie schien es mir roh Und plump, sie aber war herzlich froh Wie ein Kind, und weinte an meinem Hals, Und lachte und küsste mich zwanzig Mal, Und stieß mit dem Fuß die Wiege an, Und streichelte sie mit zärtlicher Hand, Und ließ sie schaukeln und sang dazu, Und rief dann wieder: »Du Guter, du, Du lieber, einziger, guter Mann!« Dies Glück, dies Glück! – Und dann kam der Tag, Der bange, wo sie in Schmerzen lag. Und es ward ihr schwer, und es rüttelte sie, Und ein Fieber kam, eine Marternacht. Ich saß bei ihr, vergrämt und verwacht, Und draußen heulte ein West-Nord-West. Da richtete plötzlich sie hoch sich auf, Mit großen Augen, starr und blank, Und hielt meine Hand, und hielt sie fest, Und rief im Fieber, nein, rief nicht, schrie: »Ein Schiff, ein Schiff! zu uns sein Lauf. Gerettet!« und kraftlos zurück sie sank, Die Augen geschlossen und atmend tief, Und sprach kein Wort, ob ich bat und rief. Da packte mich Graun, und ich stürzte hinaus. Der Westwind heulte, die Nacht war graus Und wüst genug, doch wilder schon trieb Oft der Sturm sein Wesen. Im Ohre blieb Mir immer ihr Ruf: Ein Schiff, ein Schiff! Und ließ mir nicht Ruhe. Der starre Blick, Der drängende Ton, war's Himmelsgeschick? Hätte Gott ihr gezeigt, dass Rettung nah? Wäre wahr es, was sie im Fieber sah? Da ließ es mich nicht; ich eilte hinein. Still lag sie beim flackernden Feuerschein, Blass, fiebernd. Konnt' ich allein sie lassen? Und wenn ich nicht ging, und das Schiff, das Schiff Führe vorbei, nah vorbei an dem Riff, Und es könnte uns retten, wir wären geborgen Diese Nacht, oder doch am kommenden Morgen. Da fiel auf die Knie ich, und betete tief, Und riss mich dann los und stürzte fort. Und immer war mir's, als ob sie rief: »Ein Schiff, ein Schiff!« Und wie ich so lief Durch die Nacht, durch den Wald, da wusste ich's klar: Du triffst ein Schiff, sie sagte wahr. Rettung, Rettung. Kein Fieberwort. Mich jagte die Angst, wie den Hirsch die Hunde. Wie dehnte der Weg sich, fast eine Stunde, Im Sturm, in der Nacht. Ich fiel, sprang auf, Zerriss mir die Kleider, die Haut im Lauf An dornigen, stachlichten Sträuchern; so legte Ich keuchend den schrecklichen Weg zurück. Der Mond warf blasse Lichter zum Glück Durch die Wolken, wenn minutenlang Ein Windstoß sie auseinanderfegte. So kam ich ans Meer, und keuchend rang Nach Atem die Brust, und das Herz wollte springen, Und ich sank auf den Stein, und fiel auf die Hände, Und es war, als ob wirbelnd die Klippenzacken Und die Wellen um mich im Kreise gingen, Als ob alles im rasenden Tanz sich befände, Und die Wolken griffen, mich anzupacken, Mit langen Armen hinunter. Mir schwand Das Bewusstsein. Da lag ich nun hier am Strand Von Ohnmacht umfangen, in Sturm und Nacht; Und lag so Stunden, denn als ich erwacht, War sanfter der Wind und der Himmel fast klar. Zerrissnes Gewölk nur wie Raben umflog Die Sonne, die über dem Wasser war. Und im flimmernden Glanz – wenn das Auge mich trog? Wenn ich träumte noch, fiebernd, und alles wär Wahn? – Doch nein! vom flimmernden Glanz umflossen Grüßten Segel herauf, ein Schiff, eine Brigg! Wahrheit war, was die Augen sahn. Und wie verzückt, mit trunkenem Blick, Verschlang ich das Bild, wie angegossen. Dann rafft' ich mich auf, und sprang, und schrie Und warf die Arme, und stürmte hinauf Auf die höchste Klippe, und schwang im Lauf Mein Hemd, das schnell ich vom Leib gerissen, Und sah, so war es mir, drüben sie Als Antwort eine Flagge hissen. Dann stand ich oben, halb nackt und bloß, Und zerrte blind hastend die Latte los Und zerrte an ihr die Nägel mir wund, Und schwang sie mit beiden Fäusten im Wind, Und warf sie zu Boden, und hielt an den Mund Die Hände, und schrie mit aller Kraft, Und schwenkte dann wieder den Flaggenschaft. Und sie sahen mich, kamen. Ein Boot stieß ab, Zu retten uns aus dem Felsengrab. Mit trockenem Gaumen und fliegenden Gliedern, Mit gierig aufgerissenen Lidern, Nach vorn gebeugt, so stand ich da, Und zagte und zagte, ob recht ich sah. Kein Zweifel! sie kamen. Sie ruderten scharf. Da jauchzte ich auf. Auf den Felsen warf Ich mich nieder, die Stirn auf den kalten Stein, Und schluchzte, schluchzte auf wie ein Kind, Und lachte und weinte, und war wie von Sinnen. Sie kamen, wir sollten gerettet sein; Nicht schnell genug wollte die Zeit mir verrinnen. Ich zählte die Schläge der Ruder, und maß Mit den Augen die Strecke, und stand und saß Und lief und stand und hockte wieder Mit zitternden Knien eine Weile nieder. Drei Jahre waren, drei Jahre es ja! Und endlich Erlösung, so nah, so nah!