Der Räuber Link (Auf Verlangen gedichtet zur Drehorgel von G. Biedermaier, corrigirt durch den bösen Schwartenmaier). Laßt uns schaudern vor der Szene, Die ich nun enthüllen muß, Gräßlicher als die Hyäne Ist des Mörders Bruderkuß; Link, der Mordmensch, ach geboren Ward er in der Mutter Schooß, Doch dem Teufel zugeschworen Wuchs er auf und wurde groß. Seht, schon lief er aus der Schule Mit dem Messer in der Hand, Ruhig sitzen auf dem Stuhle War ihm gänzlich unbekannt; Ganz besonders auf die Katzen Hatte er es abgesehn, Und den unverschämten Spatzen Thät' er früh den Hals umdrehn. Fenster konnt' er gar nicht leiden, Darum schmiß er alle ein, Balgen, schreien, Fratzenschneiden Waren die Vergnügen sein. Unvorsichtig ging er frühe Schon mit schwarzem Pulver um, Und er gab sich alle Mühe Zu erschrecken 's Publikum. Seinen Lehrer, den er hatte, Prügelt er auf eigner Stub, Frecher war als eine Ratte Der verzog'ne Gassenbub. Zwetschgen bengeln, Birnen stehlen, Teller knicken und so fort Konnten später nicht verfehlen, Daß er schritt zu Raub und Mord. Gar nichts aber wollt' er lernen, Und es war des Vaters Pflicht, Aus dem Hause zu entfernen Den verkappten Bösewicht. Aber dieses Zwangsverfahren Schlug zum Guten gar nicht aus, Dem gemäß den Flegeljahren Ist die Zucht im Vaterhaus. In des Waldes finstern Höhlen Hauste Link letzt ganz allein, Morden, rauben, brechen, stehlen, That er grausam wie ein Stein; Wehe, wer ist ausgetreten, Aus dem menschlichen Verein, Wer verlernet hat zu beten, Er muß tief gesunken sein. Wer nun denkt nicht an den Winter, Wo die großen bösen Wölf' Waren Thier- und Menschenschinder Anno 1812! Dort lebt in dem Schwabenlande Eine dicke Rittersfrau, Welche schon am Grabesrande Stille Demuth trug zur Schau. Ihr Herr Gatte war begraben Schon seit manchem Leidensjahr, Denn im braven Lande Schwaben Dieser Fall nicht selten war. Und in jener Hundekälte War sie ganz allein im Schloß, Und sie sah im weiten Felde Einen Reiter hoch zu Roß. Ach! wenn der Herr Sohn es wären' Welcher heimkehrt aus der Fremd', Und ihm Wölfe oder Bären Rissen von dem Leib das Hemd! Doch auf einmal ging die Thüre Wie durch einen Zufall auf – Aber sprecht! wer stürzt herfüro, In der Hand des Dolches Knauf? In des Sohnes bestem Rocke Steht der Link vor ihrem Leib, Bis herauf zum dritten Stocke Drang er zu dem armen Weib. Er verwürget sie und drücket Sie vor heuchlerischer Lieb, Daß sie jämmerlich ersticket, Daß sie auf dem Platze blieb. Hurtig springen die Bedienten Zu der Flügelthür' herein, Wollen es sogleich ergründen Was das für Spektakel seyn? Doch sie kommen grad zu späte, Wie sie ihren Geist aufgibt, Stellen aber den zu Rede, Der sie so zu Tod geliebt. Aber aus dem Hinterhalte Brechen jetzt die Räuber vor, Und verstellen jede Spalte Und verriegeln Thür und Thor. In die wundervollsten Möbel Schlägt der Unmensch Nägel ein, Und mit seinem Mohrensäbel Haut er wie besessen d'rein. Da wird Schonung nicht geboten, Wo der Mensch sich nicht bewußt, Seht, auf den gewichsten Boden Speien sie mit roher Lust. Rauben, plündern, sengen, brennen, Bringen Alles lebend um, Bis sie nimmer schnaufen können Und das ganze Haus ist stumm. Jetzo geht es an ein Schwelgen, Daß es unsereinem graust, Ach! sie trinken aus den Kelchen, Essen aber aus der Faust. Welch' ein schrecklich Heidenleben Führen sie, wie nicht gescheit Schamlos, ohne nur zu beben Vor der hohen Obrigkeit. Wie sie nun zu Ende waren Kehren sie zum Wald zurück, Um die Kräfte aufzusparen Für ein größ'res Bubenstück. Denn es kam vom Jahresmarkte Heim der Eltern traurig Paar, Und der Sohn, der Link, verargte Ihnen schnöd das letzte Jahr. Denn mit seinen Mordgesellen Bricht er flugs aus dem Gebüsch, Thät den armen Vater fällen Mit dem Dolche kühn und frisch; Doch der Mutter ängstlich Flehen Rührt den Sohn zu mild'rer Straf, Statt den Hals ihr abzudrehen, Peitscht er sie als einen Sklav. Seinem Brüderlein daneben, Einem hoffnungsvollen Knab, Statt ihm einen Kuß zu geben, Beißt er Nas und Ohren ab; Doch es konnte tapfer laufen Dieser kleine Kamerad, Und mit athemlosen Schnaufen Springt er in die nächste Stadt. Schreit und jammert ganz entsetzlich, Winselt, zwitschert, pfeift und klagt, Heult und hustet, bis ihn plötzlich Jemand nach der Ursach fragt. Und sogleich zu hohen Ohren Kommt es einem Magistrat, Daß die Eltern er verloren Unter einem Blutgebad. Und man frägt sich, was man mache, Und man kratzt sich hinter'm Ohr, Kitzlich nämlich war die Sache, Das geht aus sich selbst hervor. Doch nach vielerlei Debatte Stimmte Alles Einem bei, Der sogleich die Ansicht hatte, Daß der Link zu fangen sei. Mannschaft wird hinaus beordert, Man umzingelt schnell den Wald, Und der Link, herausgefordert, Weiset seine Schreckgestalt. Und er spricht so rohe Worte, Daß man's gar nicht sagen kann, Daß man glaubt, die Höllenpforte Hätt' ihr Maulwerk aufgethan. Doch sie werfen ihn in Ketten, Der wie wüthend sticht umher, Und er kann sich nimmer retten Trotz der großen Gegenwehr. Fort mit ihm! Er fahr' zur Hölle, In den tiefsten Schlund hinab, Nimmer schau' er Tageshelle Sitze wie im finstern Grab! Hingeschleppt vor seinen Richter Wird der Vatermörder nun, Und die größten Kirchenlichter Disputiren dran herum. Ja, er wird es büßen müssen – Freue dich, o frommer Christ – So ein Mensch, dem sein Gewissen Ganz abhanden kommen ist! Und er wird sogleich befraget, Ob er nicht ein Mörder sei, Daß er so am hellen Tage Treibe solche Lumperei? Doch er will nicht Antwort geben, Wie der Richter ihn verlockt, Gehen wird es ihm an's Leben, Denn man hält ihn für vestockt. Ach wie soll ich mich zerstreuen? Was ist das für eine Zeit! Daß er gar nicht will bereuen Seine große Schuldigkeit! Ganz vergeblich, daß der Pfarrer Ihm in das Gewissen sprach, Ach so miserabel war er, Daß es gar nichts half darnach. Doch es enden alle Faxen Und es frägt sich nur noch dies, Ob man ihm den Kopf abhaxen O der besser henken ließ? Und nach fünfundzwanzig Jahren, Weil er gar nichts sagte nicht, Wurde er hinausgefahren Zu dem heil'gen Halsgericht. Der Verdacht war zu handgreiflich, Wenn auch Zeugniß dünngesä't, Aber an dem Menschen zweifl' ich, Dem das nicht zu Herzen geht. Blutig waren seine Hände Und man wußte, wer er war, O was nimmt das für ein Ende, Und was gibt es für Gefahr! Doch man läßt ihm nach der Sitte Vor dem Tod noch einen Wunsch, Und man reicht auf seine Bitte Ihm Essenz zu einem Punsch – Aber dieser Hottentotte Setzt die Flasche an den Hals, Leert sie aus und macht zum Spotte Mit der Zunge seinen Schnalz. Alles ist bereits versammelt Vor dem Thore, Alt und Jung, Und mit Militär verrammelt Für die kleinste Unordnung. Still wird's bald an allen Ecken, Als ein Ton die Ohren packt, Wie wenn Einer einen Stecken Mitten auseinander knackt. 1 Ha! es war der grimme Henker, Der zerbrach den Todesstab, Doch der Link, der ew'ge Zänker, Spricht mit Hohn zum Volk herab: Willst du morden, stehlen, fischen. Hochverehrtes Publikum, Laß dich niemals nicht erwischen, Mach' es nicht wie ich so dumm! Kaum war dieses ausgesprochen, Zappelt er schon in der Luft, Dann von Knochen hin zu Knochen Wird gerädert unser Schuft; Und zum Schluß wird er zerrissen Von vier Ochsen, die das freut, Und als guter Rabenbissen In die Landschaft hingestreut. Hätt' ich Zungen, hätt' ich Wörter, Zu verwünschen, wie's gehört, Diesen schlechten Vatermörder, Der die Mutter selbst nicht ehrt! Jeder aber überlege, Daß er bleib' ein guter Christ, Unerforschlich sind die Wege Dessen, der im Himmel ist! Fußnoten 1 Diese erhabene Schilderung ist des größten Dichters würdig. Anmrkg. des Amtmanns Müller.