Ein verlorener Gesang aus Amaranth Motto: Ein Schneider hat dich gemacht. Lear. Herr Walther wallt im Walde Mit Hermelin verbrämt, Sein Hüfthorn schallte balde So süß und so verschämt. Am Seidensammtbarette Die goldene Trottel rankt, Und über'm Amulette Die Reiherfeder schwankt. Es schlägt in reiche Falten Der Purpurmantel sich, Den zwei Agraffen halten So trutzig ritterlich; Beperlt, besteint, bebändert, Schaut er sich sinnend an, Wer hat dich so verändert, Du deutscher Rittersmann? Er schweigt und beugt sich nieder Und richtet dann sich auf, Unt beugt sich tiefer wieder, Die Hand gen Schwertesknauf! Die sanfte Locke schmieget Sich kindlich um sein Ohr, Und eine Thräne bieget Sich aus der Wimper vor. Und aus der Ferne nahen, Auf stolzem blankem Roß, Die feuchten Augen sahen Gismund mit keckem Troß. »Gib mir mein Koller wieder, Gib mir mein stählern Hemd!« So ruft er treu und bieder, So spricht er stolzzergrämt. »Wenn meine Ahnen wüßten, Wie ich verweichlicht bin, Sie knirschten: einem Christen Kommt solcher Tand zu Sinn?« Und vor der Herrin Füßen Wirft Ketten er und Tracht, Die blauen Augen fließen – Gismund? Gismunde lacht: Was faselst du von Christen, Bist du noch so bornirt? Von des Gefühls Gelüsten Noch nicht emancipirt! Schau' um dich, Herr der Erde, Die perlt im Lenzes schmuck, Es schmückt sich jede Börde – Du liebest Schmutzes Druck? Herr Walther schielt der Schönen In's feuersprüh'nde Aug' – Ihn überläuft ein Sehnen, Dem Sprosser gleich im Strauch. Er zittert mit der Linken Auf ihr Pilaster-Knie, Die Augen thäten im sinken, Er wußte selbst nicht wie. Doch plötzlich fährt er rückwärts, Und seufzt zum Himmel auf, Dann wieder kleidungsstückwärts, Das lag im Gras zu Hauf. Und den bebuschten Lippen Entfährt ein scharfes Wort, Und gen die Männerrippen Kocht ihm das Herz sofort. »Was nützet dir dein Prunken Im sprüh'nden Goldeslicht? Was alle Demant-Funken, Hast du die Demuth nicht? Du möchtest nur genießen, Zu aller Buße träg, Jetzt hab' ich's dir bewiesen: Du geh'st den falschen Weg! »O steig' vom eiteln Rosse Und wandle in's Gemach, Entsage diesem Schlosse Voll übermüth'ger Schmach; O sitze hin zur Spindel – Es ist nur um die Zucht – Verflucht sei aller Schwindel Und aller Stolz verflucht! »Brich ab das Jagdvergnügen, Das dich so wild zerstreut, Laß uns in's Kloster biegen Und einmal büßen heut'. Zwar hab' ich nichts dagegen, Daß man sich freut der Jagd, Doch ist mir d'ran gelegen – O sei mir treue Magd!« Er zieht ihr von dem Finger Den strahlenreichsten Ring, Den Lilienhaut-Umschlinger, An dem ihr Auge hing – Er schleudert ihn hinunter In Seees Grund und sagt: »Hier roste, schnöder Plunter, Du sei mir treue Magd! « Und hellauf zuckt ein Lachen Durch's wälsche Angesicht, Sie spornet den Wallachen Und weilet länger nicht. Als wie ein Blitz geschwinde Hinschießt sie durch's Gehölz, Es bauschen sich die Winde In der Schabrake Pelz. Herr Walther starrt der Stolzen Mit stummem Vorwurf nach, Und der Verachtung Bolzen Dem Aug' entjagen jach. Er hat kein Wort gesprochen, Entwallet still zu Thal, Er ist in's Knie gebrochen, Und weinet noch einmal. Da steht ihm gegenüber Und winkt mit weiter Hand, Und hauchet schnell vorüber Die süße Amaranth. Was mocht' er wohl da denken? Was floh' sie stumm davon? Mit Wehmuth ihn zu tränken Entschwand die Vision. Wohl sieht er stille stehen Beisammen Blumen zwei, Die eine kaum zu sehen, Die and're prunkend frei. Er wallt noch eine Miglie, Bis er frohlockend spricht: Kennst du die Sumpfeslilie, Und das Vergißmeinnicht? Was wallt er durch die Buchen Vorbei am Weiherstrand? Er scheint etwas zu suchen, Gefaltet Stirn und Hand. Er biegt in eine Grotte – Dort leuchtet Jesu Christ – Und danket seinem Gotte, Daß er kein Atheist. Die tiefsten der Gedanken (!) Durchzücken ihn wie Lied, Und Hochgefühle ranken Wie Eppich in's Gemüth. Was er mit sich gesprochen, Das ist so geisteshehr, Was seine Pulse pochen, Das läßt sich sagen schwer. Da zupft's ihn an der Kuppel Des treuen Ahnenschwerts, Und frägt mit kaltem Scrupel, Ob durstig auch sein Herz? Es war der Edelpage Mit der Genossen Schaar, Die zur Heremitage Still hergeschlichen war. Der hält die schwere Platte Voll köstlichen Confects, Der reicht, geschliffen matte, Den Kelch und nickt: wie schmeckt's? Der Maitrank, Limonade, Der Glühwein, der Sorbet, Der prahlt mit praller Wade, Dem sitzt's so knapp und nett. Der nippt verstohl'ner Weise, Der spielt mit dem Geschmeid, Der zieht im Sande Kreise Mit Fußes Lichtigkeit. Der äugelt mit der Schale Von schillerndem Crystall, Der schwenket Gluthpokale Und trotzet ihrem Fall! Herr Walther stiert und blicket Augschweifend in der Rund'; Hat diese hergeschicket Zum Hohne mir Gismund? Mit nerv'ger deutscher Rechte Zertrümmt er das Geschirr, Und scheucht die feinen Knechte Mit droh'ndem Schwertgeklirr'. Die flieh'n und kichern freche, Er aber bricht in's Knie, Und heiße Zährenbäche Enteilen ihm wie nie. Den Ellenbogen stützt er Auf Beichtesstuhles Kant', Und in Gedanken schnitzt er In's Schnitzwerk Amaranth. Was hört er draußen schallen Waldvögelein so trüb? Weh' euch, ihr eitlen Hallen, Weh' deinem stolzen Lieb! O, daß sie immergrünte, Die Minne frommer Zeit, Die, fern du aller Sünde, Trugst vor der Waldesmaid! Wo Berg und See sich schmiegen Mit Sehnsucht ineinand, Dort ließest jüngst du liegen Auf heißem Schooß die Hand? Gismundes Liebesheucheln Es wußte, großer Gott! Dir Gluthen abzuschmeicheln Zu deinem eig'nem Spott? Herr Walther biegt die Stirne An einer Eiche Stamm, Ueber die Alpenfirne Sehnt er sich lobesam; In ihren Eisenpanzer Sehnt sich die bied're Brust, Damit als Mann, als ganzer, Er würde sich bewußt (!) Er träumt von Waldesdüften Und heil'ger Einsamkeit, Epheudurchrankten Klüften, Wildrosig überschneit. Und eine Harfe schweben Sieht er und geisterhaft In leisen Klang verbeben: In Wehmuth Leidenschaft. Hoch über'm Schwarzeswalde, Tiefgolden, emaillirt, Entschwebte sie und hallte Von Waldesduft berührt; Und Hüfthorn, Orgel, Flöte, Sie schwebten all' heran, Die heilige Drommete, Posaune laut voran. Und Harfen über Harfen, Violin und Violon, Wie gaben sie so scharfen, Erschütternd hehren Ton! Es wallt die Tonkohorte Wie Donner des Gerichts, Und saget mehr als Worte – Hier sagten Worte Nichts.