Der Götter Irrfahrt (Nach einer Volkssage der Tonga-Inseln) 1. Unten endlos nichts als Wasser, Droben Himmel still und weit, Nur das Götterland, das blasse, Lag in Meereseinsamkeit, Wo auf farbenlosen Matten Gipfel wie in Träumen stehn, Und Gestalten ohne Schatten Ewig lautlos sich ergehn. Zwischen grauen Wolkenschweifen, Die verschlafen Berg und Flut Mit den langen Schleiern streifen, Hoch der Göttervater ruht. Heut zu fischen ihn gelüstet, Und vom zack'gen Felsenhang In des Meeres grüne Wüste Senket er die Schnur zum Fang. Sinnend sitzt er, und es flattern Bart und Haar im Sturme weit, Und die Zeit wird ihm so lange In der stillen Ewigkeit. Da fühlt er die Angel zucken: »Ei, das ist ein schwerer Fisch!« Freudig fängt er an zu rucken, Stemmt sich, zieht und windet frisch. Sieh, da hebt er Felsenspitzen Langsam aus der Wasser Grund, Und erschrocken aus den Ritzen Schießen schupp'ge Schlangen bunt; Ringelnd' Ungetüm' der Tiefen, Die im öden Wogenhaus In der grünen Dämmrung schliefen, Stürzen sich ins Meer hinaus. Doch der Vater hebt aufs neue, Und Gebirge, Tal und Strand Taucht allmählich auf ins Freie; Und es grünt das junge Land, Irrend farb'ge Lichter schweifen Und von Blumen glänzt die Flur, Wo des Vaters Blick' sie streifen – Da zerreißt die Angelschnur. Wie 'ne liebliche Sirene Halb nun überm Wellenglanz, Staunend ob der eignen Schöne, Schwebt es mit dem Blütenkranz, Bei der Lüfte lindem Fächeln Sich im Meer, das rosig brennt, Spiegelnd mit verschämtem Lächeln – Erde sie der Vater nennt.