Am Dienstage in der Karwoche Ev.: Von der Nächstenliebe. »Gleich deiner eignen Seelen Sollst du den Nächsten lieben!« O Herr, was wird noch fehlen, Bevor dein Wort erfüllt! So muß denn all mein Denken Mich rettungslos betrüben; Wie sich die Augen lenken, Steht nur der Torheit Bild. Mein Herr, ich muß bekennen, Daß wenn in tiefsten Gründen Oft meine Sünden brennen, Mich diese nie gequält. So ist denn all den Flecken, Die meine Brust entzünden, Des Übermutes Schrecken Noch tötend beigezählt! Und hast du mich verlassen, Mein rügendes Gewissen, Weil ich dich wie zu hassen In meinen Ängsten schien? O schärfe deine Qualen! Und laß mich ganz zerrissen, Bedeckt mit blut'gen Malen, Vor Gottes Augen glühn! Sprich! wolltest du mich trügen? Und kann der Heller Klingen Dein feiles Wort besiegen? Die ich der Armut bot. O Gold, o schnöde Gabe! Die alles soll erringen, So trägst du mir zu Grabe Mein Letztes in der Not! Wie oft drang die Versteckte, Die Sinnlichkeit, zu spenden, Wenn mich ein Antlitz schreckte, Vom Elend ganz verzerrt, Und mußt' es bald entrinnen Den arbeitlosen Händen, Den ratlos irren Sinnen, In Jammer ausgedörrt. O Gold, o schnöde Gabe! Wie wenig magst du frommen, Magst läuten nur zu Grabe Das letzte Gnadenwehn. So hast du sondergleichen Die Liebe mir genommen, Daß ich kann lächelnd reichen, Wo Gottes Kinder sehn. Ihr Sinne, sprecht ihr scheuen, Was habt ihr euch entzogen? Muß euch nicht alles freuen? Was mich nur freuen mag! In flatterndem Verlangen Habt ihr die Lust gesogen, Indes die Not vergangen An eurem Jubeltag! So hab' ich deine Pfunde In Frevelmut vergeudet, Und für der Armut Wunde War mir ein Heller gut! Das wird an mir noch zehren, Wenn Leib und Seele scheidet, Wird kämpfen, mir zu wehren Den letzten Todesmut. Ich müßte wohl verzagen, Ich habe viel verbrochen, Doch da du mich getragen, Mein Gott, bis diesen Tag, Wo meiner Seele Grauen In fremder Kraft gebrochen, Wie soll sie dem nicht trauen! Der ihre Bande brach.