Spätes Erwachen Wie war mein Dasein abgeschlossen, Als ich im grünumhegten Haus Durch Lerchenschlag und Fichtensprossen Noch träumt' in den Azur hinaus! Als keinen Blick ich noch erkannte, Als den des Strahles durchs Gezweig, Die Felsen meine Brüder nannte, Schwester mein Spiegelbild im Teich! Nicht rede ich von jenen Jahren, Die dämmernd uns die Kindheit beut – Nein, so verdämmert und zerfahren War meine ganze Jugendzeit. Wohl sah ich freundliche Gestalten Am Horizont vorüberfliehn; Ich konnte heiße Hände halten Und heiße Lippen an mich ziehn. Ich hörte ihres Grußes Pochen, Ihr leises Wispern um mein Haus, Und sandte schwimmend, halb gebrochen, Nur einen Seufzer halb hinaus. Ich fühlte ihres Hauches Fächeln, Und war doch keine Blume süß; Ich sah der Liebe Engel lächeln, Und hatte doch kein Paradies. Mir war, als habe in den Noten, Sich jeder Ton an mich verwirrt, Sich jede Hand, die mir geboten, Im Dunkel wunderlich verirrt. Verschlossen blieb ich, eingeschlossen In meiner Träume Zauberturm, Die Blitze waren mir Genossen Und Liebesstimme mir der Sturm. Dem Wald ließ ich ein Lied erschallen, Wie nie vor einem Menschenohr, Und meine Träne ließ ich fallen, Die heiße, in den Blumenflor. Und alle Pfade mußt' ich fragen: Kennt Vögel ihr und Strahlen auch? Doch keinen: wohin magst du tragen, Von welchem Odem schwillt dein Hauch? Wie ist das anders nun geworden, Seit ich ins Auge dir geblickt, Wie ist nun jeder Welle Borden Ein Menschenbildnis eingedrückt! Wie fühl' ich allen warmen Händen Nun ihre leisen Pulse nach, Und jedem Blick sein scheues Wenden Und jeder schweren Brust ihr Ach. Und alle Pfade möcht' ich fragen: Wo zieht ihr hin, wo ist das Haus, In dem lebend'ge Herzen schlagen, Lebend'ger Odem schwillt hinaus? Entzünden möcht' ich alle Kerzen Und rufen jedem müden Sein: Auf ist mein Paradies im Herzen, Zieht alle, alle nun hinein!