Am zwölften Sonntage nach Pfingsten Ev.: Vom Pharisäer und Zöllner. Der Zöllner aber stand von ferne, und wollte seine Augen nicht gen Himmel aufheben, sondern schlug an seine Brust und sprach: »Gott sei mir Sünder gnädig!« Ich sage euch, dieser ging gerechtfertigt vor jenem in sein Haus hinab. Ja, wenn ich schaue deine Opferflamme In eines frommen Auges reiner Glut, Dann schimmert es, als ob es mich verdamme; Der scharfe Strahl fährt in mein schuldig Blut. Wie blendet mich das Licht! Die Augen darf ich nicht erheben; Ich darf es nicht, Und meine Wimper beben. Und unter den gcschloßnen Lidern fahren Die Schatten alter Sünden hin und her. Was dann sich muß dem Hirne offenbaren, O meinem Feinde werd' es nicht so schwer! Aus Grund und Wänden auch Sie dampfen, schweben durch die Zimmer, Gebild' aus Rauch; So war und bleibt es immer. Wenn eine milde Tat ich seh vollbringen, So recht aus übervollen Herzens Grund, So klar die heißen Liebesquellen springen, Nur achtend was dem Bruder sei gesund, Wenn ganz ein Gotteskind, Sich unbewußt, am Gnadenkleide scheinet Die Träne lind, Nicht fragt, warum sie weinet, Dann wühlt in meinem Busen das Gewissen, Schutt und Geröll stellt sich mein Wirken dar; Das Geben und das Streben mir zerrissen Von Grübelns Dornen, wie der Einfalt bar, Ja überall mein Fuß An Gitter stößt, an Kerkerschragen, Und zitternd muß An meine Brust ich schlagen. Vor allem, ach! wenn eine fromme Stimme Mir flüstert zu ein einfach heilig Wort, So sicher daß mein Herz in Glauben schwimme, So unbesorgt um meines Lebens Port, Mir deiner Gnade Laut Unschuldig beut als Losungszeichen Und ganz vertraut An meine Brust will schleichen: Dann müssen alle Worte sich empören, Die frevelnd ich gesprochen einst und je Und alles was noch jetzt mich kann verstören, Das steigt und wirbelt um mich wie ein See, Dann fühl' ich in dem Schaum Noch heut mich keiner Bande ledig, Dann stöhn' ich kaum: Gott sei mir Sünder gnädig!