Die Eüle und die Elster Die Eüle saß in einer hohlen Kluft, In welcher sie mit klugem Auge wachte, Und hörte da wie in der freyen Luft Auf einem Baum die Elster sie verlachte. Du Nachtgespenst, so sprach die Plaudrerinn, Du Schattenfroh, der keine Sonne kennet! Wie daß der Mensch dich voller Eigensinn Der Weysheit Bild, Minervens Vogel nennet? O tummer Wahn! der die für weyse hält, Die für und für im dunkeln Schatten sitzen. Du Döhrichte! was nützest du der Welt? Was mag sie dir in deinem Kerker nützen? Nein! meinen Leib belebt ein andrer Sinn. Ich freüe mich der holden Sonnenblicke; Und, weil ich noch bey guten Tagen bin, So leid ich nicht, daß mich ein Grab ersticke. So machte sich die Plaudertasche groß. Doch, als ihr Lied zu lange sich verweilet, So hatte sie mit einem grimmen Stoß Der Vögel Prinz, der Adler, schnell ereilet. Er riß sie weg. Die Eüle rufft ihr zu: Erkennst du nun, wer besser oder schlimmer Von uns getahn? Denn, wahrlich hättest du, Wie ich, gelebt, so lebtest du noch immer.