11. Januario Garria »Ich glaube, daß du weinst; du bist gerührt; Ich habe solchen Tau seit vielen Jahren In diesen dürren Höhlen nicht verspürt.« (Ryléjew.) 1. »Entartet ist die junge Brut, Und – Gott verzeihe mir die Sünde – Ich habe sehr gewicht'ge Gründe Und manchen Anlaß, mehr als gut, Mit meinem eignen Fleisch zu hadern; Denn Wasser, anstatt heißes Blut, Rinnt meinen Söhnen durch die Adern, Seitdem ich, auf der Mutter Bitte, Den Rechtsverdrehern sie gebracht, Zu Advokaten sie gemacht Dort in Sanct-Paul, nach heut'ger Sitte. Jetzt sind sie modisch angekleidet Mit engen Hosen und Krawatten; Doch wilde Hengste abzumatten Ist ihnen lange schon verleidet; Statt dessen wird von Politik, Von Menschenrechten viel gesprochen, Und von Theater und Musik. Was soll's? Die Keckheit ist gebrochen – Verrostet sind der Alten Messer; Es gilt ihr Wort nur dann und wann, Denn Kinder wissen alles besser. Habt Ihr's verstanden, junger Mann? Vielleicht gehört Ihr auch zu jenen Spaßvögeln, die mit schlaffen Sehnen Herüberfliegen, uns zu mahnen An Fortschritt und an Eisenbahnen Und andre solche Narrenspossen? Gleichviel! Laßt die gelehrten Leute, Und wenn Ihr wollt, erzähl' ich heute Von einem Freund und Zeitgenossen; Garcia hieß er als der Sohn Ehrbarer Eltern (wohlgeraten War dieser Sprosse – mir zum Hohn!) Und Januario von dem Paten. Garcia! – Ha, Ihr sollt erfahren, Wie der gewußt, sein Recht zu wahren, Was der auf diesem Grund und Boden Gethan, um Unkraut auszuroden, Was der geschworen und gelitten! Schon gestern hatt' ich's auf der Zunge, Als wir die kleine Strecke ritten Von Sorocaba nach Itù; Staub aber lag auf meiner Zunge Und klebte mir die Lippen zu.« Nach solchen Eingangsworten floß Die Rede von des Alten Munde. Wir lagen schweigend in der Runde, Und wenn uns mancher Wink verdroß, Wir mußten dies und jenes hören, Es wagte keiner ihn zu stören. Ein Fazendeiro 1 war's, ergraut In harter Arbeit, heißem Schaffen, Der seine blankgeputzten Waffen Zuweilen grimmig angeschaut, Ein halber Gaucho, rauh und zähe. – – Wir ruhten aus am Lagerfeuer; Die Pferde grasten in der Nähe, Und daß Garcias Abenteuer Uns, deren Herzen nicht gestählt, Den Schlaf verscheuchten, glaube jeder, Der lesen mag, was meine Feder Mit leichten Strichen nacherzählt. Denn ich bekenne meine Schwäche, Die Scene schildern kann ich nicht. Der Vollmond goß sein Silberlicht Auf eine waldumkränzte Fläche, Hier Gräser, von Demanten funkelnd, Felsblöcke dort auf Blumenmatten, Mit ihren langgestreckten Schatten Das wunderbare Bild verdunkelnd. Des Alten Stimme, bald erschallend Wie Sturmestoben, bald verhallend Wie Todesseufzer, dumpf und hohl – Das alles läßt sich nicht beschreiben; Mir aber wird die Scene wohl Auf immer im Gedächtnis bleiben! Fußnoten 1 Brasilianischer Landbesitzer.