17. Don Juan Einer albernen Fabel Opferte dich, den Helden Spanischer Minne, Deutsche Klatschbaserei. »Tausendunddrei«, Sagen die Frommen achselzuckend, Und seit Jahrhunderten Spukst du in engen Gemütern Als zierlich geputztes Monstrum, Das mit blutbefleckten Lippen Armen Tauben Liebe heuchelt. Schönheit, Weiblichkeit, Knospende Frauenanmut Oder reiferer Formen Blendende Reizesfülle Herrschten über dein ganzes Sein. Ja, mit gewaltigen Zügen Schöpftest du aus dem Borne Unaussprechlicher Wonnen; Doch nicht Sinnestaumel, Lebensdurst, siedende Sehnsucht Zeigten dir jene Gefilde, Wo sich an hängende Himmelsgärten Irdische Liebe klammern möchte; Unter säuselnden Palmen Wolltest du, Staubgeborner, Lächelnde Engel umschlingend, In der Wollust veratmenden Ohnmacht Mit offnen Augen träumen, Um deiner Seele Einsamkeit Mit immer neuen Gefühlen Und die angestammte Trauer Mit Dithyramben zu täuschen. Fröhlich, zufrieden sein, Ist das Selbsterkenntnis Oder tierische Stumpfheit? Ist es Selbstvergessen Oder Geistesarmut? Kanntest du der Beschränkung, Der Gewohnheit schüchterne Freuden? Ewig wechselnde Bilder, Ob teure Erinnrung Oder des schaffenden Genius Nimmermüde Gestaltungskraft Aus dem Nichts sie riefen, Ließen nie dein Blut erkalten In behaglicher Sonntagsruhe; Und berauscht von dem Gifte, Das in schmeichelnden Liebespsalmen Deinen Lippen entströmte, Konnte von Evas Töchtern Keine dem Zauber entrinnen. Schale, dürftige Welt, Wäre sie nicht erleuchtet Durch holder Frauenaugen Zündende Strahlen! Lieben, Geliebtsein – Unvollkommnes, kurzes, Süßes, schmerzenvolles, Unermeßliches Glück! Ritterlicher Glanz, Stolze Geburt und voller Beutel Waren deines Strebens Treffliche Stützen; Nicht mit Harpagons Blicken Hast du Schätze bewacht, Die dir eitel schienen, Hatten nicht schöne Kinder Sich an goldnen Gaben ergötzt Und mit deiner Großmut Blitzenden Zeichen prangend Dich, den Sieger, lachend umarmt Oder dir, tief errötend, Ihren Dank gestammelt. Nicht mit eisernen Fingern Hast du Herzen gebrochen, Nicht mit kaltem Hohne Taubeschwerte Blüten geknickt; Auch du, Himmelsstürmer, Weintest manche Abschiedsthräne. Doch aus verglimmender Asche Wuchsen lodernde Flammen; Lenze wurden zu Sommern, Und in versengender Mittagsglut Lockten schwellende Früchte Mit entzückendem Dufte Und mit neuem Farbenschimmer. Nie war Platos fröstelnde Lehre Dein freies Glaubensbekenntnis; Doch in des Jünglings Busen Weckte keusche Zärtlichkeit Erhabene, starke Gedanken, Und als deine Philosophie Raschem Genusse Weihrauch streute, Suchte auch dann, im Erdenschlamme, Deine dürstende Seele Göttliche Schöpfungsfreuden. Fandest du, was du suchtest? Träufelte himmlischer Balsam Auf das heftig klopfende Herz, Daß du des Glückes Vollendung Einmal kennen durftest? Nein, du kanntest keine Vollendung. Doch ob Weiber dich liebend umfaßten, Oder ob du verzweiflungsvoll Edeln Marmor beleben, Schlummernde Triebe wecken wolltest: Schönheit und Weiblichkeit Blieben dein unvollkommner, Letzter und einzigster Trost, Und kein Triumph des Geistes Schien dir größer, gnadenreicher, Als der bald aus verschämten, Bald aus schmachtenden Blicken Dir, dem Schwärmer, entgegenstrahlte. Fliegende Pulse – frühes Siechtum! Durch der Liebe feurigste Küsse Wehen leise Grabesschauer; Liebeskrank und todesmutig Riefst du selbst, in wilder Laune, Dein Verhängnis in die Schranken Und verhauchtest dein verwirktes Dasein, Don Juan, heißbeweinter, Ohne Hoffnung und ohne Reue.