4. Abschied von Wien Wie bleich, wie hold, wie schmachtend hingegossen Sie daliegt, die gefährliche Sirene, Die dunklen Augen träumerisch geschlossen, Das Haupt geneigt an ihrer Berge Lehne! Es geht ein süßes, winkendes Erwarten Wie Nachtigallen-Locken durch die Flur, Die Brunnen murmeln heimlich in den Garten, Die Zweige lallen: Komm, o komm doch nur! Entschlafen sind Sankt Stephans Wächtersorgen, Verstummt die Mahnungen des treuen Flusses; Wie fern der nüchterne, der strenge Morgen, Wie lang die Nacht entfesselten Genusses! Nun hat sie abgestreift die letzte Hülle, Den grünen Gürtel der Glacis gelöst, Frei glänzt und nackt der Schultern Marmorfülle Und Arm und Busen jedem Wunsch entblößt. Sieh, durch verhangne Fenster schimmert lüstern Der Mond, im Laube rauscht's wie Regentropfen, Verbotne Schritte rascheln, Küsse flüstern, Und Herz am Herzen hört sich glühend klopfen! Ein Meer von Liebe schlägt in heißen Wogen Hoch über dem entzückten Tale hin, Zum Vorhang wandelt sich des Himmels Bogen, Ganz Wien in eine Venus-Priesterin! Buhldirne Du, die hinter der Gardine Allnächtlich ihre Phallos-Feste feiert, Und morgens früh mit Magdalenen-Miene Im Beichtstuhl heuchelnd ihr »Absolve« leiert; Kannst Du mit Wollust nur ein Leben würzen, Dem jede geist'ge Kraft und Weihe fehlt, Und nur in des Genusses Abgrund stürzen, Von keinem heiligeren Drang beseelt? Ja, Du bist schön in Deinem Rosenkranze, Die Blüte der Verheißung auf den Wangen, Wenn Du vorüberfliegst im wilden Tanze, Begehrlich von der Männer Brunst umfangen! In Deinem Schoß sich welt-vergessen wiegen, Versinken gehn in weicher Arme Bucht, Und Deinem Zauber taumelgleich erliegen, – Wohl ist's ein Ziel, das Götter selbst versucht. Ich fliehe, Weib, um nicht vor Dir zu knien, Auch einer von den Proselyten-Scharen; Du wirst mich nicht auf Deinen Purpur ziehen, Weib Potiphars, – laß meinen Mantel fahren! Vor meinen Blicken schwebt in keuschem Lichte Ein andres Bild, das meiner Seelen-Braut, Der hab' ich mich im Leben, im Gedichte Mit deutschem Wort auf ewig angetraut. Ihr Aug' ist schön, ob minder schön, als Deines, Es strahlt nur Frieden, Deines flammt Entzücken, Dein Kuß ist Glut, der ihre nur ein reines, Ein hauchendes und flüchtiges Beglücken; Du neigst Dich ganz in duldender Gewährung Und ziehst die Deinen stark hinab zu Dir, Sie schwingt sich stets in züchtiger Verklärung, Lächelnd und wehrend, aus den Armen mir. Ihr Kummer furchte nimmer Deine Stirne, Doch schwellt ihr Stolz auch nimmer Deine Adern, Du ahnst die Lust nicht, heitre Schmeicheldirne, Mit Sklaven und Tyrannen kühn zu hadern; Ein Kind der Glücklichen, hast Du mit Armen Und mit Gefangnen nimmermehr geweint, Hast nie des Himmels Frieden voll Erbarmen Mit unsrer dunklen Erde Kampf vereint. Geh und berausch, betäube Dich auf's neue, Versuch's, die rasche Stunde festzuhalten; An Deinem Antlitz nagt doch stille Reue, Und Überdruß zerreißt's mit grauen Falten. Um eine Nacht, dann welken Rosen-Kränze, Und Deiner Reize blühend' Reich zerfällt, Der Lorbeer aber grünt im ewgen Lenze, Und ihr, der andren ist die junge Welt. Du kennst sie nicht, Du wirst sie niemals kennen, Ihr zwei könnt nirgends mit einandergehen, Und wollt' ich Dir den teuren Namen nennen, Dir ist er tot, Dir schwerlich zu verstehen. Fühlst Du's, so schlag beschämt die Wimper nieder, Denn eben weht ihr Gruß von Osten her; Der Tag bricht an – Gottlob! Ich hab' mich wieder: Die Lieb ist viel, doch ist die Freiheit mehr!