Lehren an einen jungen Dichter Des Friedens Mutter ist Bescheidenheit, Und Scham des Barden beste Feierzier. Mein Sohn! ich tadle Lobbegierde nicht. Lob ist der Seelenstachel beß'rer Art, Und ohne diesen Stachel schlummerten Die größten Thaten der Vergangenheit, Die besten Lieder unerweckten Schlaf. Doch niemal hoffe der von Andern Lob, Dem Eigenlob von trunk'ner Lippe träuft. Und wie, wie träufelte dir Eigenlob Von deiner Lippe? Zeichnetest du vor, Als dich Allvater schuf? Verstand, Gefühl, Gedankenschwung, und Bildekraft, und Ohr, Und Saitenfähigkeit – gab er sie dir? Mußt' er sie geben dir? Und wenn sie nun Sie alle Gaben seiner Willkühr sind, Und du sie nützest, thust du mehr, als Pflicht? Die Pflichten sind der Laster Gegensatz. Der größten eines ist Undankbarkeit. Du fassest jetzo deinen Wanderstab, Und wallest deines Vaters Giebel zu. Nun sage, wirst du wohl auf jeder Flur Mit Blumenpflücken weilen? Wirst du dich In jeder Quelle spiegeln, dich, zu ruhn, In jedem Schatten niederwerfen? Nein! Des Vaters Harren, und der Mutter Wunsch Dich bald zu sehn beflügelt deinen Fuß. So wirf einst jedes Lied, das dir geräth, Schnell über deinen Rücken, sieh nicht um, Sieh nur vor dir hin, wo ein neuer Sproß Für deine Schläfe dir entgegengrünt. Bald laubt sich hinter deinen Pfaden her Ein junger Eichenhain für dich empor. Du siehst ihn nicht; allein ihn sieht dein Volk, Und preiset deine Lieder desto mehr, Je mehr du selbst von deinen Liedern schweigst. Gib Ehre denen, deren Harfenruhm Im ganzen Erbe Teuts, wie Sonnen, stralt. Sie sind Allvaters helles Bild, die Zier Der Menschheit, Lehrer von Jahrhunderten. Beneide jene nicht, die, weit verstreut Durch alle Gauen, gleichen Weg mit dir In Bardenkunst bewandeln. Freue dich Vielmehr auch ihres Namens, wenn er steigt. Denn Oder, Elbe, Weser, Donau, Spree Sind alle deutsche Flüße. Jedes Lob Des Barden ist des Vaterlandes Lob. Tritt einst ein schwächerer Versucher auf, Und bringt ein ungereiftes Lied im Volk, Doch ohne Stolz, bescheiden – schone sein, Beschimpf' ihn nicht! Er hat es gut gemeint, Er hat gestrebet. Soll er jetzt dafür Mit schwerem, wundem Herzen einsam gehn, Der Schlaf sein Aug' in Kummernächten fliehn? Ersticke du die zarte Pflanze nicht! Vielleicht gedeiht sie noch zu Blüth' und Frucht. Erdulde Tadler! mögen sie nun still An deinem Kranze nagen, oder laut Dein Lied verachten. Als sich Fingals Sohn Auf seinem leichten Nebel einst in Nacht Zum Ohre meiner Ruhe niederließ, Und mir gebot, die Laute seines Lieds, Noch nicht verströmet von der Zeiten Flut, Die Söhne Teuts zu lehren; ich es dann In Mitte meines Volkes unternahm; Da scholl es in den Mengen hier und dort Bald stärker und bald leiser: Ossian Sang nicht so weich! Und jetzt: Nicht rein genug! Und jetzt: Die Weise fehlt! Und and'res mehr. Dieß alles hörte Sined. Sined schwieg In sich gekehrt, wie wenn der rasche Nord An seiner wohl verwahrten Halle sich Die Schwinge bricht. Ich dachte: Fingals Sohn! Hab' ich ihn nicht erreichet deinen Schwung, Hab' ich verstellt dein Lied, die Saiten falsch Und schnarrend angeschlagen, o so kann Ich mich nicht schützen, bin des Tadels werth, Und, was ich unternahm, wird bald wie Duft, Vor meines Volkes Augen sich zerstreu'n. Allein gelang es mir, den hohen Gang, Den du einst gingst, dir männlich nachzugehn, Den Kindern Teut's dein lange schlummernd Lied So, wie es war, zu wecken, o dann tritt, Dann tritt es vor der Nachwelt Richterstuhl Mit heit'rer Zuversicht, und steht so fest Dem Tadel, wie den Wogen Morvens Fels. So denk' und handle stets, mein Sohn! Dann wird Auch deine Seele, gleich der glatten See, Worinn des Mondes holder Silberblick Sich lächelnd mahlt, zufrieden, ruhevoll Durch alle deine Lebenstage seyn.