Venus Mea Der Himmel gähnt, der Tag ist auferstanden, ich habe nun genug geschaut nach Osten; die Seele will in ihren Abendlanden Vollendung kosten. An dem Tor des neuen Evagartens steht ein knöchernes Gerippe, mit dem Ausdruck des Erwartens, aber nicht mehr in der Faust die Hippe. Sein Scheitel schimmert; eine Phönixfeder ragt aus der Rechten steil zum Sonnenrand, die spiegelt flammenfarbig, was je Jeder war und empfand. In der Stunde einer Liebesfrucht sprüht ein Strahl aus diesem Spiegel; dann erlischt die Wonnesucht, keusch empfangt der dunkle Keim sein Siegel. Schon dämmert Glanz; kristallne Ketten hängen klar her zu dir aus väterlichen Sphären. So sollst auch Du dich aus der Dämmrung drängen und dich verklären, Seele, bis dein grau Gehirn sich lichtet, wie die Sonne scheint durch Eis, und dir deine Brunst beschwichtet und im Traum selbst deinen Willen weiß. Noch flimmert's erst; tief lockt die alte Nacht mit ihrer Schaar verworrner Muttergluten. Doch du wirst weiterstrahlen! du bist Macht! sieh, rings sind Fluten: wenn zwei Liebende zusammensinken, durch dein Glanzbild einst begeistert, und im Rausch dann blind ertrinken, wird ihr Keim von Deinem Geist gemeistert. So tagt es. Mit dem Ausdruck des Verächters sollst du dem alten Garten kalt entschreiten; dir weist die Phönixfeder unsres Wächters Unsterblichkeiten ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nun verblich der Stern der Frühe; meine Augenlider brennen. Und die Sonne kann mit Mühe die gefrornen Nebel trennen. Mich verdrießt mein nächtlich Brüten. Drüben an den Häuserwänden sprießen diamantne Blüten. Meine Prüfung kann nun enden. Dieser Keller: dumpfer Zwinger! Auf die dunstbelaufnen Scheiben will ich breit mit steifem Finger Venus Rediviva schreiben! Denn ich weiß, du bist Astarte, deren wir in Ketten spotten, Du von Anbeginn, du harte Göttin, die nicht auszurotten. Ich jedoch war weich wie glühend Eisen; darum sollst du mich in Wasser tauchen, bis mein Wille läßt sein siedendes Kreisen und der Stahl wird, den wir brauchen. Nicht mehr will ich meine Brunst kasteien, bis sie mit berauschter Durstgeberde wünscht, daß unsre Lüste fruchtbar seien und ein Wurm zur Göttin werde. Nach der Nacht der blinden Süchte seh ich nun mit klaren bloßen Augen meine Willensfrüchte; denn ich bin wie jene großen Tagraubvögel, die zum Fliegen sich nur schwer vom Boden heben, aber, wenn sie aufgestiegen, frei und leicht und sicher schweben. Glitzernd harrt mein Horst. Du Eine, die ich liebe: Ja und Amen: heute komm ich! heut soll meine Klarheit deinen Schooß besamen! Schon errötet dort ein Giebel; Sonne, mach ein bißchen schneller! – Tolstoi, bring mir meine Stiebel, heut verlass ich deinen Keller! –