Venus Pandemos Das war das letzte Mal. Im Nachtcafé der Vorstadt saß ich, müde vom Geruch der schwülen Sofapolster und des Punsches, der vor mir glühte, und vom Frauendunst der feuchten Winterkleider; müde, lüstern. Die Tabakswolken schwankten vom Gelächter und feilschenden Gekreisch der bunten Dirnen und Derer, die drum warben. Das Gerassel der Alfenidelöffel am Büffet ermunterte den Lärm des Liebesmarktes, ununterbrochen, wie ein Tamburin. Ich saß, den langen Mittelgang betrachtend, und lauschte, wie das Licht des Gaskronleuchters, der drüber hing, sich mühsam mit den Farben auf den Gesichtern um die Marmortische in seiner gelben Sprache unterhielt; wozu der schwarze Marmor blank auflachte. Ich war schon bei der Wahl – da teilte sich die rote Türgardine neben mir: ein neues Paar trat ein. Ein kalter Zug schnitt durch den heißen Raum, und Einer fluchte; die Beiden schritten ruhig durch den Schwarm. Mir grade gegenüber, quer am Ende des Ganges, als beherrschten sie den Saal, nahmen sie Platz. Der bronzene Kronleuchter hing über ihnen wie ein schwerer alter Thronhimmel. Keiner schien das Paar zu kennen. Doch hört'ich rechts von mir ein heisres Stimmchen: »Bejejent muß ik die woll schon wo sein.« Er saß ganz still. Das laute Grau der Luft schrak fast zurück vor seiner krassen Stirne, die wachsbleich an die schwachen Haare stieß. Die großen blassen Augenlider waren tief zugeklappt, auf beiden Seiten lag ihr Schatten um die eingeknickte Nase; der dürre Vollbart ließ die Haut durchscheinen. Nur wenn die üppig kleinere Gefährtin ihm kichernd einen Satz zuzischelte, sah man sein eines schwarzes Auge halb und drehte sich sein langer dünner Hals, langsam, und kroch der nackte Kehlkopf hoch, wie wenn ein Geier nach dem Aase ruckt. Es wurde immer stiller durch den Raum; sie blickten Alle auf den stummen Mann und auf das sonderbar geduckte Weib. »Sie ist ganz jung« – war um mich her ein Flüstern; auch trank sie Milch, und gierig wie ein Kind. Doch schien sie mir fast alt, so oft die Zunge durch eine Lücke ihrer trüben Zähne spitz aus dem zischelnden Munde zuckte, während ihr grauer Blick den Saal belauerte; das Gaslicht gleißte drin wie giftiges Grün. Jetzt stand sie auf. Sein Glas war unberührt; ein großes Geldstück glänzte auf dem Marmor. Sie ging; er folgte automatisch nach. Die rote Türgardine tat sich zu, der kalte Zug schnitt wieder durch die Hitze, doch fluchte Keiner; und mir schauderte. Ich blieb für mich – ich kannte sie auf einmal: es war die Wollustseuche und der Tod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weicht, ihr Schatten! – Wie sie zucken, wie die Fensterhöhlen drohn! Ja, ihr mögt manch Opfer schlucken; aber ich, ich sprech euch Hohn! Die Laternen flackern greller, jäh erlosch das letzte Fenster; jeder Stern erscheint noch heller – niemals sah ich die Nacht beglänzter! Ich! Denn ach –: ich kannte Einen, der sah nie zu gleicher Zeit Sterne, Fenster und Laternen scheinen – dieser Ärmste tut mir leid. Beim Geschmetter einer Blechkapelle kann er keine Nachtigall hören, ohne daß sich auf der Stelle seine zarten Ohren empören. Ich indessen – o Mirakel – höre das Lied der Nachtigallen durch den ärgsten Höllenspektakel nur noch himmlischer erschallen. Ich Barbar! ich brauch mir meine Nerven nicht zu vergesundern; ich kann beim Laternenscheine manchen Stern erst recht bewundern. Mir wehrt keine Kunstscheuklappe meinen freien Blick durchs Fenster, weder Holz noch Blech noch Pappe – niemals sah ich die Nacht beglänzter! Leucht auch Du mit deinem reinsten Licht, du Spürkraft meiner Seele, die mitfühlend im gemeinsten Wicht noch scheut die eignen Fehle! Denn ich weiß, wie Du mich Einsamen einst zum edelsten Trotz anschürtest, als ich dich, du Allgemeinsame, selbst im schmutzigsten Elend spürte,