Liebe und Ehre Eine Sphärenphantasie. Jauchzet, frohlocket dem Herrn der Gewalten, Geister der Lust, der Liebe zum Leben, die wir aus Sonnen Gluten entfalten, die in den Tiefen wirkend wir schweben! Sehet von Erden zu Monden ihn schreiten, Samen ihn streun mit allmächtiger Hand: um seine Schultern kreisen die Weiten, kränzend ums Haupt ihm Gestirne sich breiten, gärende Nebel sein wallend Gewand! Doch was frommt dem Sterblichen ewiger Liebe maßlos Recht? Aus seines Schicksals engem Becher wirft sie dem Schwachen bald Wonne, bald Schmerz! Hört sie, die zur Freude wir erschufen! durch das Weltall dröhnet dumpf ihr Rufen: Qual nur zeugt der Liebe wilder Gott. Doch er lebt, der rohen Triebe Meister! ihm lobsingen alle reinen Geister, ihm erschallt kein Klagelied zum Spott! Von dem Joch der Lüste zu erlösen, band in Pflichten er den Drang der Wesen. Die nach Reinheit schmachten, Er erhört ihr Trachten: der Gewohnheit sanfte Kraft läutert nun die trübe Leidenschaft! Doch wer stillt die Sehnsucht, wer erbarmt des Erdensohns sich dann, der – ein Sklave der Freiheit selbst – ew'ger Gesetze eherne Ketten schleppt! Aus dem Strudel der Liebe quellen alles des Lebens schäumende Wellen, hebt sich der Wesen drängendes Heer. Folget nur willig den reißenden Wogen: fühlet euch taumelnd von dannen gezogen, fort in der Wonne uferlos Meer. Das ist ein Wallen, das ist ein Streben, das ist ein rastlos Fallen und Heben hin durch Höhen und Tiefen des Glücks! doch wer zaudernd wehret den Mächten, die des Daseins Fäden ihm flechten, spürt die Leere des Augenblicks. Immer in Zweifeln versinkt der Gedanke oder nur höher wälzt er die Schranke, türmt er den Kerker des Geistes empor; aber im Zaubermantel der Liebe rafft dich der Sturmwind Ewiger Triebe auf vom Staub zu der Seligen Chor! Soll dein Sehnen nicht eitel verrauchen, mußt in den Wirbel der Lust du tauchen, an dich reißen, was dir gefällt: nur durch die Pforte, durch die dich ins Leben schufen die Brünste, kannst du entschweben brünstig zurück in den Schoß der Welt! Bebend lauscht der gefangene Blinde: Soll er folgen den lockenden Klängen? Folget, o folget! so fällt die Binde, fallen die Banden, die euch bedrängen: steigt aus dem drückenden Dunkel der Pflicht auf zu der Freiheit entzückendem Licht. Auf aus dem drückenden Dunkel der Pflicht, auf zu der Freiheit entzückendem Licht! Wehe, weh den armen Thoren, wenn verrauscht ihr Traum vom Glück! immer sinkt zum Staub zurück, was vom Staube ist geboren. Nach dem Urquell seines Lichtes wendet, stets verlangend, sich dein Blick empor; doch ins Dunkel flieht er, stets geblendet, – trüber noch ums Auge wogt der Flor! Zwar versinkst du in der Strahlenfülle taumelnd eine selig kurze Frist; doch erwachend spürst du, daß die Hülle deines Auges Heil und Zuflucht ist. Willst du nicht dem leeren Drang entsagen, der nur buhlt um eine flücht'ge Lust? wer nur immer will nach Wonnen jagen, wird nur bittrer seines Wehs bewußt! Der Genuß geht im Genuß verloren, eilender berührt er als ein Hauch; nur vom Augenblick wird er geboren, mit dem Augenblicke stirbt er auch. Doch ob allem Wechsel still erhaben thront die Freude der Zufriedenheit: öffne deine Hände ihren Gaben, leg' in ihren Schoß dein eitles Leid! Lerne auf das frevle Glück verzichten, das sich nähren muß von Andrer Schmerz! zeuge dir aus deiner Sehnsucht Pflichten: wirb ein treues, gieb ein treues Herz! Ohnmacht rächt den Taumel der Sekunden; aber ewige den Bund der Kraft, und verseelt wird euer Drang gesunden, läutern sich vom Leid der Leidenschaft! Ruhelust erlöst dich von den Schmerzen, drin die Wollust dich gefangen hält: – wer so ruht in einem Menschenherzen, ruht im Herzen dieser ganzen Welt! Friedlich winkt aus Nacht und Grauen dem einsam irrenden Pilger ein Licht: Trügt es? führt es zum rettenden Herd? Sagt es euch die treue Stimme nicht, die wie tiefste Wahrheit in euch spricht, die dem Zweifel siegreich immer wehrt: wollt ihr eurem Glauben nicht vertrauen? Nur der gläub'ge Pilger wird die Auen, wo der Friede wohnet, schauen! Ja, dem Glauben laßt uns trauen! gläub'ge Pilger werden wir die Auen, wo der Friede wohnet, schauen! Jammer und Fluch! in Trägheit verstricken wollen sie listig das blinde Geschlecht, wollen den Sterblichen schmeichelnd berücken um seines Lebens schöpferisch Recht! Sehnendes Ringen, werbend Verlangen, heiligste Keime irdischer Werke, sollen vergehn an der Eigenen Stärke, würgen den Drang, dem selbst sie entsprangen?! Wehe! in ewigem Zwiespalt hadern die ewigen Mächte um die Seele des Menschensohns! Unerschüttert thronend schleudern von Zweifel zu Zweifel ihres Zwistes Opfer sie uns: nimmer rührt sie der irdische Schmerz. Ach, wann kommt der Heiland, der den Glauben uns schenkt an die Liebe der Himmlischen, der die Hoffnung uns bringt auf Erlösung der Sterblichen? Wann darf schaun der Gequälte einst seines Geschickes lebendiges Antlitz, das aus bleierner Maske stets auf den Gebannten herab rätselumschauerten Auges starrt! Will der Gram euch lauernd beschleichen, lasset die Waffen der Lust euch reichen: auf in der Liebe fröhlichen Krieg! Jauchzet! euch schützen die schrankenlos schaltenden Diener des Meisters, des rastlos gestaltenden! Sein ist die Herrschaft, sein ist der Sieg! Aus der Wünsche schwelendem Gewühle flüchte, bis dir klar die köstlich kühle Quelle einer keuschen Seele lacht! Jubelt! euch hüten die heilsam waltenden Diener des Meisters, des friedsam erhaltenden! Sein ist der Preis, sein ist die Macht! Weh, es starb der Glaube uns an die Liebe der Himmlischen! Weh, uns stirbt die Hoffnung auch auf Erlösung der Sterblichen! Ach, wann kommt der Heiland? Wer verklärt das düstre Geschick uns?! Die ihr im Abgrund dumpf nun schweigt, lauscht: aus dem Abgrund die Rettung steigt! Denn aus den Tiefen, drunten ihr kreist, wurde und wuchs auch der Menschheit Geist! Und zu den Tiefen wieder, die ihn erschufen, neigt er sich nieder, den ihr gerufen ... Habet erfüllt in der Taufe der Not aller Erkenntnis innerst Gebot: Dem ihr vergebens fluchet, das Leid webet des Lebens farbiges Kleid, – nur wer empfunden des Daseins Pein, kann sich erlösen, kann Ewig sein! Denn wenn in Zweifels läuternden Fluten, denn wenn in Schmerzes stählenden Gluten einsam der Mensch zu vergehen meint: dann erscheint, der zu den Mächten des Alls ihn eint, der zu ewigem Wirken befreit Eigenwesens Vergänglichkeit, der im Erschaffenen schaffend sich weist, erscheint der Menschheit heiliger Geist! Hört des Erbarmers mahnende Stimme! Ja, wir vergaßen des Zieles, des Alle versöhnenden, einenden Ziels: künft'ger Vollendung goldene Zeit! – Aber, ein gütiger Vater, zürnet den irrenden Kindern er nicht, weist er den Suchenden wieder den Weg: höret den gütigen Vater! Welche wundersamen Töne gehn auf Einmal durch die Schaaren? was bewegt die undankbaren, nie zufriednen Erdensöhne? – Wehe! will es uns selber nicht wie ein Zagen und Ahnen beschleichen, daß wir müssen dem Mächtigen weichen? Lauschet, was der Gewaltige spricht! Aller der Kräfte Schaar ist Ihm verbündet, wenn ihr ergründet, was sie gebar! Die um euch ringen, die in euch toben, haben auch seine Schwingen gehoben; denn von dem Kampfe, drin sie sich plagen, läßt Er sich tragen willig nach Oben! – Nur nicht gewaltsam von euch wehret, was unaufhaltsam Leben begehret! Müßt euch versenken tief in den innern Streit, fühlend zerdenken, was in euch schreit! Wie's immer wühlet: wenn ihr's zerfühlet, seid ihr befreit! Nur wie ihr wisse t, was wogt in der Brust, quillt es als Schmerz, quillt es als Lust! – Denn die Fülle der waltenden Mächte will nicht das Gute, will nicht das Schlechte. Was auch die Weiten zeugend durchschweift: wie ihr's gebrauchet, wie ihr's begreift, wird es das Böse, wird es das Rechte! Die euch gebildet, die euch erhalten, schaffend zerstörende tötend gebärende Werdegewalten: habt ihr als eures ihr Wirken erkannt, habt ihr in euren Dienst sie gebannt. Die in euch wühlen, alle die Geister, müssen dann fühlen Mich ihren Meister! Ach – so nahe schon dem Lohne, wird uns entwunden der lockende Preis! Mühlos nimmt sich ein Andrer die Krone, schmückt um die Stirne das Lorbeerreis! Auf den Thron, den selbst wir türmten, daß der Sieger ruhe drauf, den für Uns im Zwist wir schirmten, steigt nun zur Herrschaft der Friede hinauf! Danket dem gütigen Vater! Rühmet der Menschheit heiligen Namen! Die Uns umdrängen, die Ihn erzeugten, dunkle Gewalten, müssen sich beugen dem herrlichen Sohn! – All gewaltiger Geist des Heils! siehe: in Demut schauen wir auf! auf zu den leuchtenden Höhen, wo Dein bleibender Tempel strahlt! – Die wir wandeln in Finsternis, Ewiger, führe uns zu dir! Denn wir spüren es: unbezwinglich waltet der Wille der Tiefe: immer im jungen Bild sehnt er das alte, Eigenen Willens Wieder geburt, senkt er die Schuld in das neue Geschlecht! – Vater, erlöse uns! Vater, laß uns täglich glühn Dein nährend Licht, daß wir wachsen und fühlen, welche der Mächte, die uns lockend versuchen, bauen die Bahn in Dein seliges Reich: künft'ger Vollendung goldene Zeit! – Geist der Menschheit, heiliger Geist! aller Gewalten allgewaltiger Sohn du! Vater der Zukunft, ewiger Vater: nimm an dein Herz uns! Geist der Menschheit, wen Du erfüllest mit Deiner Sehnsucht, Der ist erlöst! – Weh! der Trotz der Schwachen schwand, ist in Demut ganz vergangen. Weh! nun schwindet auch ihr Bangen, das sie gab in unsre Hand. Lust und Pflicht, die ihnen schienen höchster Urgewalten zwei, rufen sie nun selbst herbei, einem Höheren zu dienen. Geist der Liebe, Geist der Ehe, weh! in Schweigen harren Beide: wie der Mächtige entscheide, wer den Urteilsspruch bestehe. Wollt ihr verzagen? jammernd entsagen? heißerem Streit winkt süßer der Sieg! – Aus den Gewalten blöder Gestalten liebend empor der Sterbliche stieg: brünstig bezwang er den brünstigen Feind: Kampf und Liebe sind ewig geeint! – Nur wer ringet, fühlet den Vollgenuß; aus dem Besitz erst wand sich der Ueberdruß! Schwül ist des Friedens Luft, Ruhe die dumpfe Gruft, drinnen der Werdedrang lichtlos verdorrt! Doch die lautren Triebe froher Nächstenliebe wuchsen in der Pflichten sichrem Hort. Eine zarte Blume ist die Menschlichkeit; nicht wo wild einherstürmt die Natur, in dem Heiligtume milder Sitte nur sprießt die scheue Knospe und gedeiht! Führe uns, Vater! breite herab dein gnädig Licht! Denn es schreitet die Wahrheit ihre ewige Bahn verhüllten Wandels, die Füße im Staub, das Haupt in Wolken, mit neidischer Hand die spärliche Leuchte durchs Dunkel tragend; aber wir sehen sie wandeln und müssen ihr folgen, nicht wissend – warum, nicht wissend – wohin! Breite, Vater, herab dein Licht! führe uns, Vater! Wollt ihr verstehen tiefster Gewalten Schöpfen und Schalten, müsset ihr sehen, was sie entfalten! – Keine der Andern Untergang bringt: Eine der Andern Leben bedingt. Denn es vergehet nur der Gestalten Art; doch was als Wesen sich offenbart, immer bestehet. Ewig notwendig ist das Ursprüngliche, zeugt das Verjüngliche immer lebendig: aber sein Wesen könnet ihr lesen, schauet ihr an, wie es Gestalt gewann. Denn nur das Endliche ist das Verständliche; doch – die Erscheinung ist die Vereinung alles Bestehenden, alles Vergehenden ... Aus den Gewalten blöder Gestalten l iebend empor der Sterbliche stieg! – Jauchzet! euch führten die schrankenlos schaltenden Diener des Meisters, des rastlos gestaltenden: Er, Er brachte der Menschheit den Sieg! Doch die edlen Samen, die zur Blüte kamen, wuchsen in der Ehe sichrer Wacht! – Jubelt! euch halfen die heilsam waltenden Diener des Meisters, des friedsam erhaltenden: Er, Er wahrte der Menschheit die Macht! Vater, erleuchte uns! zeige das Glück uns! Mit dem Genusse reizet die Lust; doch den Frieden birgt die Pflicht. Ach, aber enge scheinet die Pflicht, und so weit ist doch die Welt! Und der Augenblick nur lockt, doch mit der Zukunft drohet die Zeit! – Vater, erleuchte uns! weise die Wahl uns! Wenn auf der Wage deiner Gedanken unstät deine Wünsche schwanken: schmähe nicht den Augenblick! Augenblick bestimmt die Zeiten: lerne dir ihn vor bereiten, dann verstehst du dein Geschick! – Drum mitnichten sollst du verzichten auf die Lust: sie wecket die Kraft! aber – daß sie nicht ziellos erschlafft, lerne dir Pflichten draus erdichten! Denn aus Einem Leib schieden in Mann und Weib einst die Gewalten ihre Gestalten: nur so kräftiger, freier zu schalten, schöner in ihnen sich selbst zu entfalten. Und so werde im Menschen die Lust ihres unendlichen Zieles bewußt: was sich nur schied, daß es wachse an Stärke, eine die Lust am erlösenden Werke! Also gewinnt die Werdegewalt in Gesetzen neue Gestalt, bauen der Menschheit sicheren Grund Lust und Pflicht im heiligen Bund! – Ihr habt gehört der Wahrheit Wort: nicht streiten Lust und Pflicht hinfort, wenn ihr dem Einen Ziele lebt, zu welchem Alles aufwärts strebt: die kämpfenden Mächte feiern Versöhnung im Dienste der Menschheit und ihrer Verschönung. Denn immer reiner sich enthüllt der Drang, der alle Wesen füllt; so ward der Liebe dunkle Lust als Ehe ihres Ziels bewußt, so bauen der Menschheit heiligen Grund nun Liebe, nun Ehe im wachsenden Bund! Die kämpfenden Mächte feiern Versöhnung im Dienste der Menschheit und ihrer Verschönung; nun bauen des Menschenglücks wachsenden Grund die Pflicht, die Liebe im willigen Bund! Nun jubelt, lobsinget den Mächten der Welt: wir sind versöhnt, wir sind befreit, genießen den seligen Augenblick und fürchten nicht die künft'ge Zeit! Denn Eines füllt den Augenblick und hebt dich über alle Zeit und senkt dich in und außer dich: die Liebe, die der Pflicht sich weiht – Nur Eines füllt den Augenblick und hebt uns über alle Zeit und schenkt uns an die ganze Welt: die Liebe, die der Pflicht sich weiht, die frei aus tiefer Eigner Kraft sich Sünden dichtet, Ziele schafft! –