Mondnächte 1. Damals, Seele, ja; ich war ein Kind – und das alte Forsthaus dumpf und eng. Und in hellen und in dunkeln Nächten, wenn ich so am Kammerfenster stand und die großen Eichen schwarz erschauern hörte, wurde mir das Dach noch dumpfer. Denn immer sah ich, drüben, drüben fern, wo aus der Waldnacht um die Felder die Eine hohe Kiefer in den Himmel horchte, immer ruhte dann da drüben durch die Wolken jener weitgewobne Schimmerkreis. Und in bleichen Nächten war er blaß und flehend wie ein Heiligenschein, aber in den grauen tröstlich blau und schirmend wie der Glanz von einem klaren Stahlschild oder mild und gelb wie Kronengold; und ich wollte König werden. Meine Mutter aber sagte mir's, dort lag Berlin ... Damals wußt'ich nicht, warum mir bangte, als sie mir die Stirne küßte. Dort lag die Lichtstadt und straalte ... Heute ist auch Nacht; der Mond will in mein Fenster, und ich sehe über tausend Dächer. Im schweren, weichen Schnee ruhn und horchen mit verhaltnem Atem die Schatten der Stadt. Bis in den blauen Silberschein der Ferne schwillt in langen Falten weiß und zart die sanfte Decke hin, wie über die Kissen eines Täuflings. Die aber, die darunter schlafen – und wachen? – – Schwarz und scharf stechen die Türme, Kirche neben Kirche, in den kühlen Himmel; stahlspitz flittert ein Glanz um die finsterhohe Kuppelkrone jenes Palastes, und über einem dicken Schlote stockt ein Schild von Qualm. Jetzt, unten an der Ecke drüben, wo eine Gaslaterne trübgelb mit dem Mondlicht kämpft, schimpft ein frierender Schutzmann ein betrunknes Straßenmädchen aus. Seele, ja: da liegt Berlin ...