Siebenter Reim Venusinens Morgenspaziergang auf der Via Appia unter unschuldigen Gräberbewohnern Auf der Appiastraße, Wo die Grabruinen Manchen armen Leuten Als Behausung dienen – Und das Gras, als Futter Ihren Ziegenherden, – Lebten Sohn und Mutter. Auf dem Grabhauf steckten, Gleich wie ein Paar Ohren, Ein Paar Fensterläden. In zwei Eisenrohren Und in den Zypressen Sang nachts der Schirokko Wie in Feueressen. Sohn und Mutter liebten Sich wie Ehegatten. Nie des Sohnes Lippen Je geküßt sonst hatten. Eifersüchtig wachte Über ihn die Mutter, Nur an sie er dachte. Saß er bei den Herden, Fuhren reiche Fremde Oft an ihm vorüber. Er in Hos' und Hemde Hat sie nie beneidet, Denn wer liebt, vor Allem Niemals Mangel leidet. Prachtvoll war die Mutter, Konnt' sich lassen sehen. Doch auch sie tat niemals Unter Menschen gehen. Lebte bei den Toten, Die verbotner Liebe Straflos Obdach boten. Doch nicht so die Menschen, Die in Nachbargräbern. Machten sich zu Rächern Und zu Schandangebern. Einer sprach zum Andern: Sohn und Mutter müßten Ins Gefängnis wandern. Doch die Mutter holte, Ums Gerücht zu stillen, Eine Frau dem Sohne Gegen beider Willen. Und sie riet ihm düster: »Nimm das Weib, denn schweigen Muß jetzt das Geflüster! Bleibst mir trotzdem weiter Herz- und Bettgenosse. Größer wächst nur immer Meine Lieb, die große. Laß die Menschen neiden! Köstlich im Geheimen Schmeckt die Lust uns beiden.« Eifersucht kommt früher, Als man glaubt gekrochen. Härter als Gedanken Sind des Fleisches Knochen, Zu dem jungen Weibe Fühlte bald die Mutter Haß im ganzen Leibe. Und sie wollte gehen, Wollt' den Sohn verlassen. Da begann auch dieser Still sein Weib zu hassen. Mocht sie nicht mehr rühren. Schrie: eh' woll' er sterben, Als dies Weib noch spüren. »Glücklich war man früher. Pfeifend bei den Herden Lag ich, wie die Sonne, Leidlos auf der Erden. Mutter, zum Verderben Ward's Gered' der Leute! Mutter, ich will sterben!« »Sohn, Dein Bett auf Erden Muß auf Gräbern stehen! Willst nach Rom du schauen, Mußt durch Gräber sehen. Sollst mir niemals sterben! Doch Dein Weib im Hause Lebt uns zum Verderben.« In der Nacht da scharrten Sohn und Mutter, beide, Schweigend eine Grube In der nahen Heide. Legten jene nieder, Die sie leicht erschlagen – Und sind glücklich wieder. Keiner hat's gesehen, Und doch ist ein Deuten Bald nach ihrem Hause Unter Nachbarsleuten. Stets man lauter munkelt, Und die Lust zu köpfen Aus den Augen funkelt. Doch die Mutter fürchtet Nicht mehr das Gelichter. Stolz legt sie zum Sohne In der Nacht sich dichter. Ruft: » Wenn all' doch wüßten : Kein Gesetz der Erde Reißt die Lieb aus Brüsten! « Und bald holt man Beide Aus dem Bett im Grabe. »Richter!« sprach die Mutter, »Meine einz'ge Habe War die Lieb' zum Sohne, Dem ich Weib gewesen; – Den Geliebten schone! Ja, ich hab gemordet, Denn ich wollte lieben. Jedem steht sein eigen Schicksal vorgeschrieben. Furchtbar ist das meine. Die Natur schafft Lüste, – Das Gesetz kennt keine. Und die Urteil' töten Leichter als die Hände. Dem Gesetzbuchstaben Ich mein Blut verpfände. Schont den Sohn des Leibes! Hört die Stimme einer Mutter – und des Weibes!« Doch das Urteil zeigte Vorerst kein Erbarmen. Vom Schaffott empfangen Und von Henkersarmen Dort erst, am Gerüste, Kam dem Sohn die Gnade; – Nur die Mutter büßte. Lächeln auf den Lippen Ging sie hin zum Beile. Süß schien ihr das Leben Noch die kurze Weile. Hab geliebt, genossen – Dacht' sie, »und kann sterben«. – Hat ihr Aug geschlossen ... Wenig Jahre später Auf der heißen Heide, Trieb der Sohn die Ziegen Wie zuvor zur Weide. Hat es fast vergessen Mord und Todesurteil, Als wär nichts gewesen. Just an jenem Tage, Da mit Sonntagmiene Aus dem Appiatore Wandelt Venusine, Nahm der Bursch ein Bräutchen. Wieder zwischen Gräbern Liebten sich zwei Leutchen. Amor zeigt es Venus Auf den Zehenspitzen, Daß in einem Grabturm Junge Leutchen sitzen, Die sich erst gefunden, Sich im Schoße liegen Ohne Zeit und Stunden. Ein Leib stillt dem Andern Brünstig die Gelüste. Sie beißt seinen Nacken, Er beißt ihre Brüste. Kühl im Grab sie liegen; Draußen in der Hitze Springen Bock und Ziegen. Amor und die Venus, Jeder süß erschauert: »Mutter, seit heut morgen Hab' ich zugemauert. Merken tat's nicht Einer, Brachte ihnen Essen, – Wundern tut sich Keiner.« Wirklich war der Eingang Vor dem Grab geschlossen Mit antiken Krügen Und mit Broten, großen. Wein war in den Krügen. Braut und Bräut'gam tranken D'raus in tiefen Zügen, Aßen auch vom Brote. Venus lacht im Stillen. »Die«, spricht sie, »sind Götter, Haben ihren Willen. So war auch die Erde In den Adamstagen Sorglos von Gebärde.« » Traulich ist o, Freundin,« Flüstert eine Stimme, »Des Idylles Frieden, – Pracht doch hat auchs Schlimme . Mit Verstand genossen Sind schön Gut und Böse, Selbst wenn Blut geflossen.« Und die Stimme malte Blutrot aus dem Blauen Jenes Burschen Jugend. – Venus sieht mit Grauen Mord an seinen Händen Und die Lust der Mutter, Lust einst seinen Lenden. Sieht das große Wehe, Das wie's Gute waltet, Und aus Schmerz und Tragik Schönheit sich gestaltet. Sieht blutschändend küssen Sohn und Mutter beide, Weil die Herzen müssen. »Teufel«, sprach die Venus, »Bist mir nachgeschlichen!« »Göttin,« sprach der Teufel, »Ich bin nie gewichen. Bin im Geist daneben, Wo uns eint Int'resse, Kann mich nicht fortheben.« Venus rief: »Vor allem Bist Du Mann der Männer! Und als Frau bewundre Ich den Lebenskenner. Stets sind Energien Eine Lust dem Weibe, – Drum sei Dir verziehen!«