Neunter Reim Venusinens Besuch und Ohnmacht in der Sixtina »Muß noch zur Sixtina,« Rief die Venus eilig. »Diese ist besonders Meinem Herzen heilig. Hörte: es vergehen Dort die Christusbilder, Die schon lang bestehen. Angelo, der Meister, Er kehrt niemals wieder, Und vor seinen Werken Knie auch ich gern nieder, Lieb ihn, den das Nackte, Mächtig wie die Götter, Stets von Grund aus packte. Tat heut Nacht ersuchen Meinen Signor Teufel: ›Reparier' Sixtina!‹ Doch er hegte Zweifel. Will mir's selbst ansehen, Ob er nachgeholfen. Etwas muß geschehen!« Zu dem Vatikane Mit besorgter Miene Eilte kunstverständig Schleunigst Venusine Durch die Schweizer Wachen, Die der schönsten Dame Liebeszeichen machen. Sie ersteigt die Treppen. Im Entré voll Farben Standen bleiche Leute, Bleich, als ob sie starben, Kopfschütteln die Köpfe, Schienen zu ersticken, Kriegten beinah Kröpfe. Da kam auch der Teufel Venus schon entgegen. Bat: »Geh nicht mehr weiter Der Sixtina wegen!« War im Reiserocke Wie ein Opernsänger, In der Stirn die Locke. Venus voll Erstaunen Fragt: »Was ist geschehen? Daß die Leut wie Leichen Hier im Vorsaal stehen?« Teufel konnt nicht sprechen. Venus kurz entschlossen Mußte Bahn sich brechen. Greift der Türe Klinke, Steht in der Kapelle. Plötzlich sinkt sie nieder Ohnmächtig zur Schwelle. »Teufel,« ruft der Teufel, »Ich werd's reparieren! Das ist ohne Zweifel.« Leer in der Kapelle Waren alle Flächen. Leere öde Mauern – S'war zum Herzzerbrechen. Staub lag auf den Fliesen Gleich, als hab ein Beben Alles umgeschmissen. »Venus,« bat der Teufel Kläglich in der Miene. Führt sie fast gebrochen Fort aus der Sixtine. Hat sie fortgeschoben, Hieß sie niedersitzen Erst in der Garderoben. »Laß mich hier erzählen, Und Du sollst Dich fassen,« Bat auf Knie'n der Teufel. »Als ich Dich verlassen Heut im Morgengrauen, Lief ich nicht gleich weiter Zu den andern Frauen. Eilte zur Sixtina – Eifersucht macht Schmerzen, Wollte nicht, daß Deine Augen Bilder herzen, Jenen großen nackten Menschensohn im Bilde, – Qualen mich zerhackten. Jenen da, der richtend Aus den Wolken rannte, Böses und auch Gutes Viel zu ernst erkannte. Jenen Sohn der Nöte Dacht ich zu zerstören, Wenn ich Kraft aufböte. Tret' in die Sixtina, Unter tiefstem Schauer, Öffne nicht die Lippe, Starre nur zur Mauer Denkend: wie so mächtig Venusin mich machte! Und war ganz andächtig. Mußte niederknieen, Nicht vorm Kirchenbilde, – Vor dem Blut im Herzen, Das heut Nacht mich stillte; Vor den kurzen Stunden, Da wir nichts mehr wußten Und uns nackt gefunden. Plötzlich war's wie Seufzen, Das sich um mich windet: Von den Bilderwänden Fällt die Farb' und schwindet. Alles, was die Mauer Hielt, stob in die Winde, Der Jahrhundert Dauer.« Venusine staunte Und war fast beklommen, Daß der Teufel solche Lieb für sie bekommen. Dankte ihm; indessen Blieb sie doch inwendig Etwas abgemessen. Dachte: »War des Menschen Sohn nicht doch am Ende Schöner als der Teufel An Sixtinas' Wände, Weil der Teufel wollte, Daß ich den nicht sehen Und nicht lieben sollte?« »Ja, so sind die Frauen,« Rief gereizt der Teufel, »Sehen Angebote Immer an mit Zweifel. Lieber sind sie Diebe, Als daß sie die Treue Schätzen in der Liebe. Bin nicht stets der Böse, Du nicht stets die Gute. Heut in nächtger Stunde Mischten wir zwei Blute. Fühl mich jetzt wie aller Schöpfung frohe Wesen Und doch nicht banaler. Will an leere Wände Dir jetzt Christus malen, Leiden auch die Hände Drüber Folterqualen. Sollt's Ideal mal sehen, Herrin Venusine, Nackt bis an die Zehen.« Seine Stimme hallte Donnernd aus dem Blauen. Christus den Asketen Schildert er mit Grauen. Venus wehrt mit Händen, Weil die Lust des Blutes Schmerz wird ihren Lenden. Doch er malt ohn' Gnade, Malt mit klaren Zügen Teuflisch 'ne Ballade, Schildert ohne Lügen; Schildert den Rivalen, Und sogar die Wahrheit Macht ihm heut nicht Qualen. Venusin erschrocken, S' fing ihr Haar fast Flammen, Flüchtet in der Erde Herz und kriecht zusammen. Ist voll Angst entwichen, Und der Teufel hat sich Stolz den Bart gestrichen. Horcht jetzt was er sagte! Teuflisch war's ersonnen. Nur ein Gott so wagte Götter zu entthronen. Venus zu gewinnen, Sprach sich selbst der Teufel Heute ganz von Sinnen: