Abenteuer der fünften Amme »Ja wirklich,« sprach da Eine »Nichts ist vor Lieb' gefeit, Herrn Heinz liebten einst reine Zwilling zur Veilchenzeit. Und da gibt's nichts zu lachen, Die Lieb ist wundersam. Und Liebe konnt' es machen, Daß Totes wiederkam.« Die sieben andern Ammen Mußten ans Herz sich fassen. Sie rückten eng zusammen Und stellten fort die Tassen. »Aurora und Alice,« So hieß ein Zwillingspaar. So ähnlich waren diese, Es fehlte dran kein Haar. Durch einen Blumenladen Ernährten sie sich keusch. Wie Rosen still auf Drahten Lebten sie ohn' Geräusch. Heinz kam zur Rosenhecke Hinter den Ladenpult, Und nur zum Ankaufszwecke Empfing man ihn mit Huld. Es wagten nie die Damen Die Käufer anzusehn. Selbst wenn Ausländer kamen, Blieb jede schamrot stehn. Sie sahen nur auf Hände, Man schlug nie auf den Blick, Erkannten ohn' Umstände Den Mensch am Handmimik. Konnten durch Handschuh lesen, Was jeder Käufer denkt, Wenn sie dem obern Wesen Auch keinen Blick geschenkt. Sah'n nur den kleinen Finger Und wußten es sogleich: Trotz Diamantendinger Sind Menschen doch nicht reich. Sie müssen noch was haben, Noch ein besondres Air. Denn sonst, bei allen Gaben, Sind ihre Hände leer. Bei Heinzens Hände fielen Sie beide fast zur Wand. Sie war ganz ohne Schwielen Und doch die Schicksalshand. Zum ersten Male tauten Die beiden Damen auf. Und ihre Blicke blauten Heinz bis zum Hals hinauf. Von Beiden die Aurora, Sie ward besonders rot. Was flüstert ihr ins Ohr da: Der Mann, der bringt den Tod! Wogegen die Alice Den Heinzen fast anblickt. Und eben es war diese, Die dann am Heinz erstickt. Herr Heinz kauft hundert Rosen Und alle ohne Draht. Weil er die Stengellosen Von je verachtet hat. Herr Heinz kam jeden Morgen Und kaufte wie verrückt, Ihm taten Freunde borgen, Weil's Geben sie entzückt. Im Herbste, wo die Veilchen In zweiter Blüte stehn, Da mußt nach einem Weilchen Ein Zwilling einsam stehn. Denn Heinz, er hat's entschieden: Er nähm Fräulein Auror'. Ihm schien die mehr zu sieden, Und kam ihm wärmer vor. Alice stand im Laden Am Sonntag Nachmittag, Heut' ging die Stadt zum Baden, Herbstglut am Himmel lag. Sie mochte nicht mal denken An das geringste Bad. Konnt den Gedank nicht lenken Von Heinz, den sie nicht hat. Sie ist schon längst entschlossen, Und heute wird's getan, Sie füllt sich einen großen Waschkorb mit Veilchen an. Sie ist mit ihrem weißen Firmungsgewand geschmückt. Tat Tränen stolz verbeißen Und hat sich tief gebückt. Im Waschkorb zu ersticken Sucht sie durch Veilchen Ruh. Ein Talglicht blöd von Blicken Sieht ihr mit Tränen zu. Auf einen weißen Bogen Schrieb sie es vorher hin: »Aurora, bin betragen, Weil ich Dein Zwilling bin.« Mit Heinz kommt heim Aurora Und sucht im Ladenraum: »Alic' war doch zuvor da! Jetzt sieht man sie ja kaum.« Die Talglichttränen stanken, Das Licht war eben aus. Es raucht noch in Gedanken – Aurora schlich hinaus. »Ach, Heinz, komm doch mal näher, Ich glaub', es ist wer tot, Es riecht nach Leichen eher Als wie nach Rosenrot.« Heinz kommt ganz in Gedanken, Zum Veilchenkorbe hin, Fühlt seine Kniee wanken Und sagt: »Es liegt wer drin.« Tief unter blauen Veilchen Lag die Alice weiß, Sie zuckte noch ein Weilchen Und starb dann schnell mit Fleiß. Untröstlich war Aurora, Herr Heinzen schluchzt mit Macht. Ein Licht war noch zurvor da, Und jetzt war's still und Nacht. Und noch nach langen Jahren Sieht man den Heinzen viel, Mit seltsamen Gebahren Zur Veilchenzeit oft still, In eine Hand voll Veilchen Den Kopf hineingesteckt, Das treibt er so ein Weilchen, Bis ihn Aurora weckt. »Ich wollte es nur fühlen« Spricht Heinz dann lebensmüd, »Ob Veilchen wirklich kühlen, Wenn's Blut im Herzen glüht.« Heut' sitzt am Sarge diese Aurora, und sie weint, Denkt: glücklich ist Alice, Jetzt kriegt sie meinen Freund. Und seufzend streut Aurora Ihm Parmaveilchen hin: »Ach wärst Du wie zuvor da, Weil ich noch lebend bin!« »Jetzo«, schloß hier die Amme, »Will ich Kaffee einschenken. Lieb ist 'ne wundersame Sache und gibt zu denken.« –