Die Schlacht von Sedan (Dem deutschen Heere zu eigen). Endlich erreich' ich dich, Endlich ergreifst du mich, Lange gesuchte, Wochenlang durch die Nächte ersehnte, Dröhnende, heilige, Männermordende Feldschlacht. Hoch in den Lüften Die weißlichen Wölklein, – Nicht sind's des Septembers Nebelgespinste: – Siehe, sie bersten: Das sind des Feindes Todesgeschosse! Und das Getöse: – Nicht von Gewittern: – Hell ist der Himmel: Das ist der Donner, Der herrliche Schlachtruf Der deutschen Geschütze. Erjauchze, mein Herz, nun: Dein Sehnen von Kind auf, Dein Wunsch in den heißen Schmerzen des Mannes, – Alles erfüllt sich: Denn es umtoset dich Schrecklich und herrlich, Vom Heer Alldeutschlands Sieghaft geschlagen, Die heilige Schlacht! Auf und hinein! Dort, von den Höh'n des Ragenden Hügels, Muß sich das ganze Kampfesgefild den Blicken erschließen. – O Deutschland! Welch' Schauspiel! Rings mir zu Füßen, Zur Rechten, zur Linken, Da wallet und woget In schimmernden Scharen Ringend die Streitmacht Deutschlands und Frankreichs! Vor mir im Talgrund Windet der Fluß sich, Die Maas, durch die Nied'rung: Dort an den Ufern, In glitzernden Gliedern, Das sind Franzosen: Fußvolk und Reiter Und brüllend Geschütz. Und aus der Mitte Hebt sich die Feste, Mit Toren und Türmen, Mit Zinnen und Zacken Stachlig zu schauen: Ein feuerspeiender, Kauernder Wurm. Aber umher auf Waldigen Höhen Rings in dem Halbkreis Von Süden, von Osten Und fern her von Westen Die dunkelnden Massen: – Das sind die Unsern, Das sind die Deutschen! Siehe, sie stoßen Herab von den Höhen, Gleichwie ein Adler Mit rauschenden, schwarzen Schwingen und Fängen Zu würgen im Tale Den gleißenden Wurm. Da, hart mir zur Rechten, Auf rasselnden Rädern Rollt's an den Höh'nrand: »Halt! Halt, Batterie!« Das sind meine Bayern: Den Führer erkenn' ich: Oft sah ich sie ziehen Durchs friedliche Maintal: Jetzt find' ich sie wieder In tosender Schlacht. »Zielt dort auf das Dorf mir, Dort, dicht vor der Festung: Da seht ihr in Masse Geschart die Franzosen: Dort droh'n sie den Durchbruch: Doch sie dürfen nicht durch!« Und neben mir Blitz und Knall aus dem Rohre: Wie gellt mir das Ohr! »Seht nur, wir müssen sie Mächtig erzürnen: Sie richten auf uns nun Ergrimmt die Geschütze: Recht so! Da werden Dort unten die Unsern, Die wackeren Jäger, Links von der Straße Granatenfrei.« Horch, da erzischt es Sausend und schwirrend Hoch mir zu Häupten: Aber unschädlich Zerschellt das Geschoß, Dort nur die Spitze Der Tanne zerspellend. Horch, wieder! Und wieder! Das fehlte nur wenig: Deutlich den Windstoß Fühlt' ich der sausenden Schwirregewalt: Sei mir gesegnet Ob meinem Haupte, Weihender, heilender, Heiliger Hauch! – Da rechts in der Ferne, Da flammt's aus dem Flecken Flackernd empor: Rauch, Feuer und Lohe Und glühender Qualm: »Da brennet Bazeilles! Da brennet auch Balan! Dort fechten die Unsern Schwerringend seit Stunden, Bergbayern zumal.« Horch auf, was da knarret Und schnarret und rasselt! Das sind nicht Gewehre! Nie hört' ich's zuvor! »Mitrailleusen sind's, Wohl viele Batt'rien. Nun, endet das nicht?« Drei lange Minuten! Der Braven gedenkend, Erbleicht' ich mit Frösteln: Es erlag wohl da unten Der Mordmaschine Manch freudiger Schütze, Dem einst auf dem Bergpfad Im heimischen Chiemgau Die Hand ich gedrückt. Doch herab jetzt vom Hügel: Denn links nun entlodert Noch wilder und wüt'ger Die wogende Schlacht. Sieh, verstört aus der Stille Der friedlichen Dörfer Weißer Tauben Verschüchterte Schwärme! Sieh, wie sie ratlos Flattern und flüchten Von links nach rechts Weit über das Tal hin Hoch durch den Himmel! Dort, jenseit des Flusses, An steilem Gelände Aufsteigen drei Dörfer Mit steinernen Mauern: Ige und Illy Und das bergige Floing: Da wimmelt und wogt es Von roten Hosen; Sie schützen, noch uner- Schüttert, die rechte, Die westliche Flanke: Sie halten die Höh'n Und die Häuser und Höfe: Sie liegen in Gärten Und Gräben gedeckt. Da sammelt sich unten Am Fuße des Bergs Beim Schlage der Trommel Die schwärzliche Schar: Siehst du die Fahne Schwarzweiß flattern? Das sind die Preußen! Sie trommeln zum Sturm! Wie? Empor diesen Berghang? Den steinigen, steilen? Den nackten, den kahlen? Kein Baum, kein Busch! Entgegen dem tausend- Schlündigen Tode? Mir gerinnet vor Grauen In den Adern das Blut! Sie stürmen, bei Gott! G'radauf! G'radan! Entsetzen! Wie rollt das In Knattern und Rasseln! Rings Feuer und Blitze Und Pulverdampf. Gott, wie bang, wie lang! Da verzieht sich der Rauch: O Jammer und Wehe! Wie besät liegt der Berg nun, Der nackt war und leer war, Mit schwarzen Gestalten: Das sind die Gefall'nen, Die tapferen Stürmer! Wie viele! O wehe! Ich seh' sie sich winden In zuckender Qual. Und die Fahne? – Zurück? O wehe, sie weichen Den Hügel herunter! Gescheitert der Sturm! Und sieh, – o Verderben! – Aus Häusern und Höfen, Aus Gräben und Gärten Brechen verfolgend, Nacheilend, nachschießend, Die Halde herab Die Feinde hervor: In wenig Sekunden Können sie hier stehn Und durchbrochen wäre Das deutsche Heer! – – – Und zum erstenmal mir Kam der Gedanke: Wenn heute der Sieg uns Urplötzlich versagte? Dann – – doch nein! O Triumph! Sieh Wie hurtig sie hasten, Wie rasch sie da rennen, Die roten Hosen, Zurück und den Hügel Wieder hinan! Sie lösen die Glieder! Sie werfen die Waffen Weit hinweg: Umgangen, gefangen! Denn von links aus dem Walde Mit hellem Hurra, Mit mächtigem Marsch! Marsch! Mit fliegenden Fahnen Da brechen in Scharen Die Preußen hervor! Sieg! Heil euch, ihr Helden! Durch Ige und durch Illy In das flammende Floing! Schon halten sie hoch Auf dem Kamme des Hügels, Schon drohn sie Geschütze Zu fassen und Fußvolk, Gespann und Geschirre, Bevor sie entrinnen – –! Kein Ende! Welch' neues, Gewaltiges Schauspiel! Lange gezogener Reiterfanfaren Freudiger Ruf Erklinget von fern: Und herab dort vom Hügel Und aufwärts den zweiten, Wo halten die Unsern, – Welch' rasend Beginnen! – Jagen, den Rückzug Der Ihren zu retten, Französische Reiter- Geschwader heran! Treffliche, tapfre Rühmliche Reiter! Hei, glitzernder Küraß! Hei, ragende Lanzen Und bunte Husaren Und Jäger zu Pferd, Wohl fünf Regimenter. Kaum seh' ich die Preußen Im Pulverdampf. Doch horch! welche Stille! Auf wenige Schritte noch Lassen sie rasen Die Reiter heran: – – Da, Salve nach Salve! Salve nach Salve! Und niedergeschmettert, Wie Ähren vom Hagel, Wie Garben vom Schnitter, Bevor Bajonett sich Und Säbel gekreuzt, Stürzen sie nieder, Die Reiter, die Rosse, In Scharen, in Reihen, Dicht, wie sie geritten, Und abwärts den Hügel Zurück mit Entsetzen Jagt, was sich gerettet Von fünf Regimentern! Sie fielen für Frankreich! Doch Heil euch, ihr Helden! Euer soll ehrend Deutschland gedenken! Und nun unaufhaltsam Wogt das Gewirre Von Geschützen und Fußvolk, Dahinter die Reiter, Den rettenden Toren Der Festung zu. Nicht lange mehr rettend! Denn schon aus den Dächern Bricht flackernder Brand, Und in den Straßen Des Städtleins staut sich Chaotisch' Gedräng, Und die deutschen Granaten Schlagen hinein. Und fern auf den Hügeln Im Norden auch endlich Fahren, wo lang Mitrailleusen geknarret, Deutsche Geschütze Donnernd nun auf: Dort, wo die Wälder Belgiens dunkeln, Reichen sich Preußen, Reichen sich Sachsen, Allumklafternd Den Feind, die Hände: Dort bei Givonne Schließt sich der Ring: Siehe, da stürzen Die letzten Franzosen Verzweifelnd ins Tal sich, Verfolgt von dem Sturmschritt Der preußischen Garde! Jetzt ununterbrochen Rollet der Donner Von tausend Kanonen Aus allen Wäldern, Von Hügeln und Höhn: Auf allen Seiten Des Tales zugleich Blitzt es und kracht es Und dröhnet und schlägt: Wie wenn sich im felsigen Kessel des Hochlands Zwei Wetter verfingen Und unaufhörlich Gegeneinander Rollen und grollen Und Felsen und Berge Hallen es nach: – So donnert und dröhnt es Von allen Seiten: Es bebet die Erde, Es zittert die Luft: So ward er geschmiedet Mit Blitz und mit Donner, Der Schicksalsring. Es neigt sich die Sonne. Ich suche die Freunde. Dort, hoch auf dem Hügel, Der auf Frênois schaut, Da halten versammelt Viel Führer und Fürsten: – Auf scharrendem Rappen Ein hoher Greis: – Er lüftet den Helm: – Das ist der Preußen Ehrwürdiger König. Aber mir war, als Säh' ich, geformt aus Den goldenen Strahlen Der sinkenden Sonne, Ob seinem Haupte Schimmernd schweben Hochgewölbt Eine Kaiserkrone. – Und als am Abend Wir die Gespanne Der Wagen entschirrten, Dort auf des Städtleins Donchéry Markt, Fragte wohl sorgend Einer den andern: »Heute geschlagen Zwar ist der Feind: Aber ob morgen Nicht sich erneut das Verzweifelte Ringen? Ob nicht der Kaiser, Ob nicht sein Marschall Morgen von Metz her Zum Entsatze der Seinen Rächend heranrückt? Denn, wo sie weilen, Kaiser und Marschall, Keiner ja weiß es.« Horch, da erschallt von Der Brücke der Maas her Freudiges Rufen: Und auf den Marktplatz, Wo sich der Deutschen Wohl Tausende drängen, Sprenget ein Reiter, Ein roter Husar: Hält in der Linken Zügel und Mütze, Schwingt in der Rechten Ein beschriebenes Blatt, Moltkes, des Feldherrn, Tagesbefehl: »Hurra, Kameraden, Stimmt ein,« rief der Reiter: »Gefangen der Kaiser, Mac Mahon, der Marschall, Gefangen das ganze Französische Heer!« Da stieg in die Lüfte Ein Jubeln, ein Jauchzen, Wie ich es nimmer Gehört noch geahnt: Mancher umarmte Mit Tränen den Nächsten. Ich aber drückte, Schweigend und schauernd, Fest auf das pochende Herz die Hand mir Und ich dachte: »Nun magst getrosten Mutes du sterben, Da du geschaut hast Diesen Schlachttag, Da du erlebt hast Diese Stunde. Heil, mein Deutschland.«