Walther von der Vogelweide Ein Zyklus. Vorgesang Kein liebes Vöglein kommt zu Leide, Das mir in Garn und Schlaghaus geht: Im Winter, wann durch Wald und Heide Der Eiswind und der Hunger weht, Da trifft in meiner Halle Weide, Was zierlich Schopf und Fittich dreht: Frei, sonder Käfig, hüpfen sie Auf Harfe mir, auf Buch und Knie. Dann sitz' ich, deckend Bein mit Beine, Das Kinn geneigt zur Hand geschmiegt, Bei mattem Wintersonnwendscheine Durch Hänflingsang in Lenz gewiegt, Und bis zum Jordan, fern vom Maine, Gedenken frührer Zeit mir fliegt, Gedenken, wie ich rang und stritt Und wie ich minnte, sang und litt. – Doch, wann der Frühling kaum vom weiten Den scheuen Gruß der Halde beut, Wann in dem roten, eisbefreiten Geknosp der Saft sich schwellend neut, Wann schüchtern um die Dämmerzeiten Zuerst die Amsel lockt – wie heut' –: Dann schließ' ich auf die Winterfeste Und hui! entschwirren meine Gäste. – Und Undank ist nicht Vöglein Weise! Sie kennt mich gut, die luft'ge Schar: Zieh' ich im Mai auf grüne Reise, Werd' ich geleitet wunderbar. Das singt und flattert laut und leise Zu Häupten dicht mir um das Haar Und grüßt: »Herr Wirt der Winterrast, – Im Walde bist du unser Gast.« Und nun hebt's an. In Ätherreine Trilliert der Lerchen Morgenchor, Schwarzköpflein singt im Busch, das feine, Herr Fink schlägt schmetternd mir ins Ohr, Bachstelzlein wippt auf feuchtem Steine Und aus dem Eichstumpf lugt hervor, Mit silbertönigem Gepiep, Zaunköniglein, der kleine Dieb. Ja, rings im Buchhag schwankt kein Reislein, Von dem kein: Waldwillkomm! mir hallt, Im Klopfen rasten Specht und Meislein, Der Pirol flötet, daß es schallt, Im niedern Weidicht schreit das Zeislein: »Herr Walther kam zum grünen Wald«, Nur Nachtigall setzt sich zu ruhn: »Du kamst und singst: – so schweig' ich nun.«