Das Haus der drei Schönen 1. In dem Jahre siebzehnhundert, Vierundzwanzig Jahre zählend, Ausstudiert zu Salamanca Hat Alfonso de Vidal. – Oheims Muntschaft ist zu Ende: Und zurück ins Schloß der Väter An dem blauen Manzanares Kehrt er als sein eigner Herr. Aber vor dem Scheiden will er Noch das Abenteuer krönen, Das geheimnisvoll schon lang' ihm Aus dem »Haus der Schönen« winkt. »Haus der Schönen« heißt die Villa, Lauschend in Granatenbüschen, Daran täglich die Studenten Gehn vorüber ins Kolleg. »Haus der Dreie«: denn es wohnen – Die Studenten wissen's! – drinnen Eine Tante und zwei Nichten: – Alle drei bezaubernd schön! Donna Laura heißt die Tante: Junge Witwe, feurig, üppig, Schwarzgelockt: daß sie zu mager, – Selbst der Neid behauptet's nicht. Braune Zöpfe trägt Ximene, Rote Flechten Donna Sancha: Ob die Tante, ob die Nichten, Welche Nichte schöner sei, – Zwei Gemester disputierten Die Studenten Salamancas Eifriger um diese Frage, Als um Aristoteles. Und so oft Alfons vorüber Schritt den grünen Gitterläden, War es Morgens, war es Abends, – Eine Blume glitt herab. (Daran war nun nichts Besondres: Weil Alfonso, wie wir sehen Werden, wie in anderm Muster, Schön von Wuchs und Antlitz war.) Aber welche von den dreien Lohnt den fleißigen Studenten So für seinen Fleiß alltäglich? Dies ergründen muß Alfons. Und er nimmt die treue Zither – (Denn auch musikalisch war er, Dieser reichbegabte Jüngling) Und er singt im Mondenschein: »Edle Donna, übermorgen Muß ich ziehn aus Salamanca: Darf ich morgen nacht es wagen, – Eine Blume wirf herab!« Und bevor der Ton verhallt ist, Sieh, schon öffnen sich drei Lädchen, Und es sinken ihm zu Füßen Wunderschöner Blumen drei. Eine rabenschwarze Malve: »Das ist von der Tante Laura!« Eine dunkelbraune Nelke: »Von Ximene dies, dem Bräunchen!« Rotes Röslein: »Sancha rot!« Schwer betroffen steht der Jüngling! »Alle drei? Wie soll das werden?« Auf den Hut steckt er die Malve, An das Wams die Nelke braun! Doch wie er die rote Rose Mit der Hand führt an die Nase, Sieh, aus schmaler Mauerritze Eine vierte Blume fällt. Eine kleine, weiße Blüte: Niemals sah er ihresgleichen, Und ein Duft entströmt der weißen, Wie er niemals ihn genoß. An den Hut steckt zu der Malve Er die Rose: nur der weißen Blüte Duft verlangt er sehnlich, Die er hält in seiner Hand. 2. In der nächsten Nacht im runden Saale steht des ersten Stockwerks Don Alfons, die seidne Leiter Zieht er nach auf den Balkon. (Nun darf das euch nicht befremden, Daß er solch ein Werkzeug hatte: Dies gehört in Salamanca Nun einmal zum Studium.) Sieh, drei Schlafgemächer münden Mit den Türen in den Rundsaal, Nur ein Vorhang deckt die Öffnung, Welche zu der Treppe führt. Aus der Osttür tritt in roten Flechten Sancha: – doch der Vorhang Wallt so seltsam: – er verscheucht sie. Auf die Schwelle nun im West Schwebt die bräunliche Ximene: Doch ein weißes Füßlein streckt sich Schüchtern unterm Vorhang in den Rundsaal, und Ximene flieht. Aus der Südtür stürmt da glühend Im Gewog der schwarzen Locken Tante Laura: besser als die Mädchen weiß sie, was sie will. Mag der Vorhang wehn, das Füßlein Kecker auf der Schwelle spielen, Sie erschließt ihm weit die Arme: » Aber Tante! « tönet da Aus dem Vorhang süß ein Stimmlein Und die Tante flüchtet zürnend. Aber aus dem Vorhang schwebt nun In den Saal ein Zaubertraum: Ganz gehüllt in weiße Schleier, Schwebt ein Kind von fünfzehn Lenzen, Schlank und schmal und zart und zaghaft, Wie ein frommes Heil'genbild. Lichte goldne Locken fluten Auf den kaum entknospten Busen, Und Madonnenaugen schlägt sie Schämig zu dem Jüngling auf. Dieser sinkt aufs Knie vor Staunen, Süße Glut durchrinnt ihn leise: »Sprich, wer bist du? Und wie heißt du?« »Ach, Maria bin ich nur, Bin das Bäslein aus Asturien. Tante haben und Kusinen Immer mich versteckt gehalten, Wohl weil sie sich schämten mein. Wann sie aus den Läden grüßten Alle Herrn von Salamanca, Ich – aus meiner Mauerritze – Sah verstohlen nur nach Euch! In den Bergen von Asturien Lernt' ich Künste nicht, noch Feinheit, Und ich weiß nicht viel zu sagen –: Doch ich sterbe, scheidest du!« Auf vom Boden sprang Alfonso, An die Brust riß er die Blonde: »O, Maria! Weiße Blume! Ewig, ewig bist du mein!« Und herab die seidne Leiter Trug er die verschämte Kleine, Und er hob sie auf sein Rößlein Im Gebüsche von Jasmin. »Ach, wohin, wohin, Geliebter?« »Auf mein Schloß am Manzanares!« Doch am Kloster in der Vorstadt Hielt er an. Nun sagt: weshalb? Er hielt an vor jenem Kloster, Um sich schleunigst traun zu lassen, Weil er nicht nur musikalisch, Sondern auch moralisch war.