Frülings-Gedancken. – Sigismund Pichler und Elisabeth Bulbeck 22. Ostermonat 1652. Ich grüsst' in diesen Tagen Das Friedeländer Thor, Es hatte sechs geschlagen, Die Sonne stieg empor: Was sah' ich nicht für Frewden? Der Reiff lag vmb das Graß, Ein Finck sang auff den Weyden, Der Pregel stund wie Glaß. Ich war die Brück' hinüber, Wie sprang das geile Vieh, Der stoltze Stier, jhr Lieber, Trat mitten vnter sie, Der Hirt hub an zu blasen, Wie tantzten sie vmbher Auff den betawten Rasen Als wenn es Hochzeit wär! Sie wurden ausgetrieben Dieß Jahr zum erstenmal, Nachdem sie lang geblieben In jhrem finstern Stall, Ich sprach: der Freyheit Gaben Thun diesem Vieh auch wol, Wer dieses Gut kan haben, Ist alles Reichthums vol. Vnd hätt' ich Goldes-Tonnen Vnd was des Pregels Rand An Schätzen hegt, gewonnen, Säß' aber eingespannt Vnd könte mich nicht retten Aus Sorgen, Furcht vnd Pein, Ich würd' in güldnen Ketten Dennoch ein Sclave seyn. Wolt ich ein Vöglein schliessen Gleich in ein silbern Hauß, Der Freyheit zu geniessen Sehnt sich es doch hinaus: Die Schätze sampt den Würden Sind ein geschminckter Schmertz, Sind Dienst vnd schwere Bürden, Ich lob ein freyes Hertz. Ein Vnschuldreiches Leben, Das sich des Herren Zucht Gehorsam vntergeben Vnd jhm zu dienen sucht: Kan ich nur den Schatz werben, Vnd, nimmt der Tod mich hin, Ihn lassen meinen Erben, So hab ich gnug Gewinn. Wir reisen hin vnd wieder Weit über Land vnd See, Vernützen vnsre Glieder, Thun vnserm Hertzen weh: Das wahre Gut zu kriegen, Das vns in vns nur führt Vnd ewig kan begnügen, Wird wenig fleiß gespürt. Lasst bleiben, liebe Leute, Das reiche Morgen-Land, Steht nicht nach grosser Beute Fern vmb Hydaspes Strand, Ein jeder thu die Reise Tieff in sein Hertz hinein, Das laß er aller Weise Von Schuld gesaubert seyn. Vnd dan erst wird er finden Das Bodenlose Gut, Das nimmermehr kan schwinden, Den allzeit freyen Muth, Ihm ist kein Pracht, kein Prangen Auff aller Erden gleich, Wer diesen Schatz kan fangen, Hat erst ein Königreich. Wie kömpt dieß ewrer Liebe, Hochwerther Bräutgam, bey? Auch ewer Hauß war trübe Vnd eine Wüsteney, Seit ewer Hertz verstorben, Ihr lebtet als im Bann An Sinn vnd Geist verdorben Vnd ein gefangner Mann. Jetzt aber legt jhr nieder Den trüben Witwer-Stand, Freyt ewre Freyheit wieder Durch dieses Heyraht-Band, Auff ewrer Liebsten Sinnen Ist ewer Sinn gestellt, Ihr lasst Euch Sie gewinnen, Sie ewer freyes Feld. Entsagt nun allem Leiden, Nehmt ewrer Freyheit war, Gebraucht euch jhr in Frewden, Sie kröhn euch jmmerdar: Lasst frembdes Vrtheil streichen, Folgt ewrem Raht allein, Der nach so manchem Zeichen Nichts kan als Wolstand seyn.