Nachtbild Heil dem Lebend'gen, der mit voller Hand Sich zu den Armen und Verlassenen wendet, Der seinen Trost aus kühlen Bronnen spendet. Heil dem Propheten in der Sonne Brand! Dranmor. Nacht bedeckt den kleinen Friedhof. In dem dumpfen Leichenhause Flackert zitternd einer Lampe Rothe Flamme. – Heiser knarren Jene Thüren, die das Leben Sorgsam von dem Tode trennen. Meine Hand hat sichern Druckes Sie geöffnet; wie im Schlafe Aber wandelnd, dacht' ich nimmer, Sie zu schließen. – Leise, wie mit Geisterstimmen Klagt der Wind dort in den Weiden, Pochet zürnend an die Fenster, Flüstert mit den kranken Blumen, Die aus der Verwesung sprießen, Treibet mit den Wetterhähnen Auf dem Thurm sein ächzend Spiel, Flieget wimmernd um das Häuschen, Daß die Fenster ängstlich klirren Und die Flamme furchsam zuckt ... Jener bangen rothen Flamme Schwankend Leuchten schien ein Winken, Dem ich folgte, traumbefangen, Und nun steh' ich in dem engen Schaurig-öden, kahlen Stübchen, – Ich allein bei einem Todten. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Auf zwei Schragen und zwei Brettern Ruht der Todte, alt und häßlich, Nur in Lumpen eingehüllet; Ihm zu Haupte brennt die Lampe, Deren zuckend rothe Lichter Öfter wie ein Lächeln gleiten Über die erstarrten Züge Des verkommenen Gesellen. Eine harmlos gläub'ge Hand Suchte seine wildgeballten, Nun im Tod gekrampften Hände Fromm zu falten, wie bei Jenen, Deren Leben schloß ein Beten. – Auf zwei Schragen und zwei Brettern Ruht der Todte, still und einsam, Schläft den letzten, traumlos, leeren, Ewigen Schlaf..... Noch am Morgen jagten Bosheit, Breit Behagen – dem das Elend Unverständlich – Rohheit, Kaltsinn Ruhlos ihn von Thür zu Thüre, Und des Abends wankte jener Unglücksel'ge, wie betrunken, Durch die Straßen. Hunger weinte Aus den kranken, trock'nen Augen, Aber Trotz zuckt um die Lippen, Als die Buben, die ihm folgten, Näher trabten, um das Unthier Zu beschauen, das man eben Auf Befehl der weisen, milden Obrigkeit von dannen hetzet. Vagabund! so klingt es lachend Aus dem Munde wilder Kinder; Vagabund! so klingt es höhnend Aus dem Mund der klugen Alten; Vagabund! schreit roh der Büttel; Vagabund! so ächzt er selber, Weitertaumelnd. – – – An der Straße, bei der Grenze Todesmüde sinkt er nieder. Fern verklinget das Gejohle Jener tugendsamen Meute, Die ihn hetzte und befriedigt Von dem Schauspiel heim jetzt kehret Zu dem Herde. – Dunkel senket schon die Nacht sich Nieder auf die stille Erde, Und es senket auch die Nacht sich Nieder auf die dunkle Seele Des Gehetzten, des Verfluchten; Über seinem armen Antlitz, Grau, wie Spinngeweb' gebreitet, Liegen Elend und Verzweiflung. Stumm umklammert er den Grenzstein Und starrt finster nach dem einz'gen Trüben Sterne, der herabschaut, Auf sein Elend. – Und es lösen von dem Steine Los sich seine feuchten Hände Und sie zucken, zittern, haschen Nach den dunklen Nebelschatten. Wild empor sind sie gerichtet, Eine stumme, fürchterliche, Himmelstürmend, crasse Drohung, Wild empor noch schreit der Augen Gottverneinend herbe Klage. Aber plötzlich sinken nieder Seine Arme; es verlöschen Seiner Blicke letzte Blitze. Von dem schwarzen Himmel knisternd Fällt der einz'ge Stern hernieder, Und ein Windstoß, zaust die Haare Einer Leiche ..... – – – – – – – – – – – – – – – – – War es wie bei jenen Geiern, Die da wittern, wo das Aas liegt, Das sie nährt sammt ihren Jungen? War es des Geschäftes Eifer, Der ihn trieb, Dich aufzusuchen? Denn es fand Dich, der berufen, Sich zu nähren von den Todten, An dem Grenzstein fand Dich, einsam, Kalt und todt der – Todtengräber. Mit den rauhen, derben Händen Trug er selbst Dich in das Stübchen, Das bestimmt ist für die Leichen Jener, die am Wege sterben; Für die Gott- und Weltverlass'nen Ist dies Stübchen, ist der Schragen. – Morgen aber scharret ein Dich, Dort im letzten Friedhofwinkel, Einsam, wie er Dich gefunden, Für gar kargen Lohn der Alte, Er allein kann Dich verwerthen: Tod ist Brot ihm! – Und doch trug auf seinen Händen Dich ein Mensch zum Ort des Friedens, Und es schlug ein Menschenherz Einmal doch an Deinem Herzen..... Schaurig Mitleid: Dich verspottend Noch im Tode, giebt er Dir nun, Was im Leben Dir wohl nimmer Ist geworden: Licht und Ruhe Dach und Hände, die Dich nimmer Von sich stoßen! .... – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Nacht bedeckt den kleinen Friedhof, In dem dumpfen Leichenhause Flackert ängstlich knisternd, zuckend, Jener Lampe rothe Flamme, Deren Schwanken mir ein Winken, Dem ich folgte traumbefangen – Und noch steh' ich in dem engen Schaurig-öden, kahlen Stübchen, – Ich alleine bei dem Todten! –