Deutsche Barden Eine Fiktion Es schimmerten in rötlich heller Pracht Die schnee'gen Gipfel über mir; es lagen Die Täler tief und fern in dunkler Nacht. Der frühe Nebel ward empor getragen; Ich sah ihn in den Schluchten bald zerfließen, Bald über mich die feuchte Hülle schlagen, Den Bergstrom hört ich brausend sich ergießen, Das starre Meer des Gletschers sich zerspalten, Und donnernde Lauvinen niederschießen. Ich hatte Müh den steilen Pfad zu halten, Auf dem ich klomm zum hohen Bergestor, Von wo die Blicke ostwärts sich entfalten. Und wie ich zu der Höhe mich empor Geschwungen hatte, traf mit heim'schem Klange Hochdeutsche Mundart lockend mir das Ohr. Ich stand gefesselt und ich lauschte lange, Und hörte der gewalt'gen Rede Fluten Melodisch schwellend werden zum Gesange. Es stand der Sänger einsam, in die Gluten Der Sonne starrend, die sich nun erhoben Aus Wolken, die am Horizonte ruhten. Der Schleier, blutigrot aus Dunst gewoben, Auf ebne, weite Landschaft ausgebreitet; Das tiefe Blau der Himmelswölbung oben; Die Bilder, so der Morgen hier bereitet, Sie wurden auf der Griechen Heldenkampf Verherrlichend vom Liede hingeleitet. Ich hört ihm zu, sah über Blut und Dampf Die Freiheitssonne Hellas' sich erheben, Das Leben siegen ob dem Todeskrampf: »Du goldne Freiheit, bist das Licht, das Leben; Die blut'ge Taufe tilgt der Ketten Schmach; Du hast dir, Heldenvolk, das Sein gegeben.« Er schwieg, ich lauschte noch; vortretend sprach Den Mann ich an mit dargereichter Rechten: »Du deutscher Bard', der sich die Palme brach, Du siehst mein Aug von deines Liedes Mächten Geschmückt noch mit der Tränen Perlenzier, Und nicht ob meinem Antrag wirst du rechten. Ich bin ein Deutscher, so wie du, und mir Entströmet der Gesang aus Herzens Grunde Um Freiheit, Recht und Glauben, so wie dir. Die Wildnis bringt uns näher und die Stunde, Was in der Brust wir tragen und im Schilde; O reiche mir die Hand zu heil'gem Bunde!« Drauf er mit Wehmut lächelnd und mit Milde: »Mich freut in deinem Aug der Widerschein Von dem aus mir hervorgeblühten Bilde. Doch blicke hier ins offne Tal hinein: Du wirst auf jenem Pfade niedersteigen, Und Mensch dort unten unter Menschen sein. Dein Wille, deine Kraft, sie sind dein eigen; Du magst mit Lieb und Haß ins Triebrad greifen, Und magst, so wie du bist, dich offen zeigen. Dort wird der Freundschaft edle Frucht dir reifen, Dort gilt der Wärme glückliche Gewalt, Die es verschmäht zu diesen Höhn zu schweifen. Blick um uns her, wie lebensleer und kalt Die starren Zinnen des Gebirges trauern; Hier ist mein winterlicher Aufenthalt. Sie sind der Völkerfreiheit feste Mauern, Und sammeln still die Wolken für das Tal Zu Quellensegen und zu Regenschauern. Ich haus in Sturm und Wolken hier zumal; Dem dieser Alpen ist mein Schaffen gleich, Ob aber liebend, ob aus freier Wahl –? Wer blickt in meines Herzens Schattenreich? Wer fragt nach mir, der einsam ich verbannt Aus menschlicher Genossenschaft Bereich? Die flücht'ge Stunde, wo du mich erkannt, Du magst in der Erinnerung sie feiern, Wir sind getrennt, so bald ich mich genannt – Ich bin der König Ludewig von Baiern.«