Die Berge Ps. CIV, 8. Die Berge gehen hoch hervor, und die Breiten setzen sich herunter zum Ort, den Du ihnen gegründet hast. 1. Lasst uns Gott ein Opfer bringen, Und, Sein' Allmacht zu erhöhn, Auch der Berge Bau besingen, Die so ungeheuer schön, Daß sie uns zugleich ergetzen, Und auch in Erstaunen setzen. Ihre Gröss' erregt uns Lust, Ihre Gähe schreckt die Brust. 2. Welche Cörper! welche Spitzen! Welche Welt von Kies und Stein! Welche Hölen, Brüch' und Ritzen Sieht man, wo viel Berge seyn! Was für Spalten! welche Grüfte! Welche Klippen! welche Klüfte! Gipfel, deren steile Höh'n Selbst die Wolcken übergehn. 3. Ihre graue Häupter decken Unvergänglichs Eis und Schnee, Ihre Felsen-Füsse stecken In dem Grund der tiefsten See, Und die starre Brust erträget Unverändert, unbeweget Alle Wetter, Frost und Hitz', Donner, Hagel, Sturm und Blitz. 4. So viel Jahre, so viel Zeiten Nagen auf der Berge Rumpf: Doch wird auf den schroffen Seiten Der Verwesungs-Zahn selbst stumpf, Und es will ihr steifer Rücken Sich vor keiner Aend'rung bücken: Aller Elementen Macht Wird von ihnen nichts geacht't. 5. So entsetzlich sind die Höhen, Die bald steil, bald rauh, bald glatt, Daß der Blick von vielem Sehen, Und so ferner Reife, matt, Kaum zum Gipfel kann gelangen, Die, wenn sie voll Wolcken hangen, Nach dem blöden Augen-Schein Selbst des Himmels Stützen seyn. 6. Wenn man jemand, dessen Augen Niemahls ein Gebürg' gesehn, Sollt' im Schlaf zu bringen taugen Auf der Alpen rauhe Höh'n, Und ihn dort erwachen lassen; Würd' er nicht vor Furcht erblassen? Glaubend, daß er nun nicht mehr Lebend und auf Erden wär. 7. Der abscheulich-tiefen Gründe Unbelaubte Wüsteney Die zerborst'ne Felsen-Schlünde, Das entsetzliche Gebäu Der ohn' Händ' erbauten Thürne, Deren Eis-beharn'schte Stirne Mit Wind, Luft und Wolcken ficht, Und derselben Wüten bricht. 8. Tausend Brüche, deren Lücken Fast wie Rachen offen stehn, Abgerollte Felsen-Stücken, Welche nicht zu übersehn, Dornen, deren rauhe Hecken Voller Furcht und Grauen stecken, Klippen, die dem Erden-Ball Droh'n mit ihrem nahen Fall. 9. Hölen, wo die Wölf' und Eulen, Schlangen, Bären, Sturm und Wind Brausen, zischen, schreyen, heulen; Thäler, die stets dunckel sind, Halb-verdorrte selt'ne Fichten, Ohne Laub und leer an Früchten, Und ein Boden, dessen Schooß Nichts trägt, als ein faules Moß. 10. Wenn man an der Berge Füssen Den verworr'nen Zustand sieht, Sollte man fast glauben müssen, Mit erstaunendem Gemüth: Es läg', durch die Macht der Flammen Alles dergestalt zusammen, Da es, wenn mans recht ermisst, Einer Brand-Stätt' ähnlich ist. 11. Recht wie ausgebrannte Steine, Schutt und Kohlen, Asch' und Graus, Siehet, nach dem Augen-Scheine, Vieles bey den Bergen aus. Wenn, durch's Feuers Kraft, mit Knallen, Mauren bersten und zerfallen, Siehet man, mit Furcht erfüllt, Ein den Felsen gleiches Bild. 12. Welcher Mensch kann wohl begreifen, Wie sich doch an einem Ort So verschied'ne Felsen häufen, Und woher bald hier bald dort Solche Haufen Stein' entstehen, Denn sie sind, wie leicht zu sehen, Nicht gebracht, weil sie zu groß, Nicht gewachsen, weil sie los. 13. Wann Burnet der Berge Höhen, Als von der geborst'nen Welt Rest und Zeichen, angesehen, Und durch Fluth verursacht hält: Sollt' ihr Schutt fast glaubend machen, Daß vielleicht die Welt, mit Krachen, Durch die Gluht, schon einst verheert, Und, durch Brand sey umgekehrt. 14. Ob nun gleich der Berge Spitzen Oed' und grausam anzusehn; Sind sie doch, indem sie nützen, Und in ihrer Grösse, schön. Wer wird jeden Vortheil nennen, Zählen und beschreiben können, Den, zur Lust und Nutz der Welt, Der Gebürge Raum enthält? 15. Daß auch in der Erden Gründen Eine solche Felsen-Last, Die erstaunlich ist, zu finden; Wird die Ursach leicht gefasst. Würde nicht der Bau der Erden Leichtlich aufgefressen werden, Sonder Felsen, durch die Wuth Einer unterird'schen Gluht? 16. Bald deckt Marmor, bald hüllt Kreide, Bald nur Kies, bald Kieselstein Ihr geschätztes Eingeweide, Als in festen Mauren, ein. Alle kostbare Metallen, Diamanten, Berg-Krystallen, Silber, Gold (der Menschen Lust) Steckt in ihrer finstern Brust. 17. Des Gewässers Sturtz und Brausen, So aus ihren Gipfeln springt, Und, mit Lust-vermischtem Grausen, Ein drob schwindelnd Aug' durchdringt, Wenn es schäumend abwärts fliesset, Rauschend über Felsen schiesset, In die Thäler wirbelnd fällt, Träncket und beström't die Welt. 18. Lasst uns, nach den innern Schätzen, Auch die äusserlichen sehn! Welch ein nützliches Ergetzen Tragen uns der Berge Höh'n Wenn sie, in den süssen Reben, Leib' und Geiste Labsal geben? Ist nicht der beliebte Wein Fast der Berge Frucht allein? 19. Sieht man nicht mit grösten Freuden, So viel Lämmer, Schaf' und Küh' Auf der Berge Gipfeln weiden? Wie viel Gemsen nähren sie? Merckt, wie sehr der Berge Spitzen, Durch der Kräuter Menge, nützen, Welche nirgend so voll Kraft Und gesunder Eigenschaft. 20. Wie viel tausend Aecker drücken, Mit der Aeren süssen Last, Vieler Berge breiten Rücken, Die der Sonnen Strahl umfasst, Eh noch, als die niedern Felder. Wie viel ungeheure Wälder Zinsen, für der Kälte Wuth, Auf den Bergen, Holtz zur Gluht. 21. Sprich, verwildertes Gemüthe, Kommt dieß alles ohngefehr, Oder aus der Macht und Güte Eines weisen Wesens her? Sprich, verdienen solche Wercke Nicht einmahl, daß man sie mercke? Wer's Geschöpfe nicht betracht't, Schändet seines Schöpfers Macht.