Finkenlied, von neun Groschen Münze, Kamelgedanken und Überbeinen Vom Gesange lust'ger Finken Durch das Fenster aufgeweckt Lasse ich den Schleier sinken, Der mir meine Seele deckt. Durch des alten Birnbaums Blüten Schaut zwar trüber Himmel her Doch in meiner Brust ist Frieden, Ach wenn's doch der ew'ge wär'. Nein, jetzt kann ich gar nicht trauern Alles scheint mir lieb und gut, Und mir wächst da überm Lauern Auch ein Finkenliedermut. Wie die kleinen Sänger schweben Wie es sehnt und lockt und zirpt. O wie herrlich klingt das Leben Wenn's zu neuem Leben wirbt. Keiner fällt ohn' Gottes Willen Von dem Dach, vom Haupt kein Haar, Und mein Schmerz läßt sich schon stillen, Weil ich einst unschuldig war. Und bin ich gleich abgefallen Fiel ich doch in Gottes Schoß Lieg' da mit den andern allen Heil in seiner Gnade groß. Munter, Herz, schwing dein Gefieder Auf, wohl auf zum Kreuzesbaum Täglich Sonne, täglich Lieder, Alle Nacht ein frommer Traum! Und ein Nest in seine Wunden Meiner Leidensbrut ich bau', Grün liegt seine Erde unten Oben schwebt sein Himmel blau. Und ich seh' auf grüner Aue Eine fromme Magd hinziehn Primlen bricht sie schwer vom Taue, Bis der jüngste Tag erschien. Bricht die Blumen, bricht die Blüte Bricht ihr Herz, die Heilandsfrucht Bietet es dem Gott der Güte Der den dürren Baum verflucht. Und sie spricht mit schwerem Herzen Gestern war mein Leiden schwer, Und ich fragte sie mit Schmerzen Was ihr dann begegnet wär'. Bange zagten meine Ohren, Was sie wohl für Leid angiebt, Weil neun Groschen ich verloren, Sagt sie, bin ich so betrübt. War's Courant? – Ei Gott behüte, Münze war's, dem Herrn sei Dank! – O du Spiegel aller Güte! Machst du mich doch freudenkrank. Denk, vom Dache fällt kein Sperling, Ohne Gott, vom Haupt kein Haar, Aus dem Beutel kein Pfund Sterling, Oder auch neun Groschen bar. Denk, was hatt' ich all verloren Leib und Seel und Gut und Heil Alles ward mir neu geboren Und noch mehr ward mir zuteil. Dich zu kennen, dich zu lieben, Dir zu folgen treu und still, Was mir wird, was mir geblieben, Alles ich dir teilen will. Leben, Kämpfen, Siegen, Sterben Abendrot und Morgenrot, Mitleid mit den armen Erben, Ihnen bleibt die Erdennot. Als die Magd mein Lied vernommen Hat sie freundlich mir genickt, Und der Nebel schien verschwommen, Und ein bißchen Sonne blickt. O lieb Herz! um Jesu willen Fasse einen frischen Mut Laß dich doch sein Herzblut stillen Bist ja Pelikanenbrut. Himmel, Himmel werd' doch heiter, Ach, herrje! da regnet's gar! Liebe Finklein, singt doch weiter, Da versteckte sich die Schar. Liebes, liebes Linum denke An neun Groschen Münze nicht. Doch sie spricht: zur Erde senke Ich des Opfers Fruchtgewicht. Doch es nimmt mit meinen Blüten Ja mein Heiland schon vorlieb, Apfel brauch' ich nicht zu hüten Vor dem schlauen Apfeldieb. Als ich sonst mit brünst'gen Ranken Auch auf goldne Frucht gehofft Hatte ich Kamelgedanken Über mich wohl selber oft. Arme Näherin mußt' lesen Vom Kamel und Nadelöhr Und gab dann dem eiteln Wesen Nimmer wieder ein Gehör. Bin jetzt eine arme Made, Matte Fliege, Stäublein klein, Bin ein Ekel, der aus Gnade Höchstens trägt ein Überbein. Wer giebt um solch schlechte Dinge Wohl neun Groschen Münze hin Drum mir mehr verloren gienge, Als ich selber wert ja bin. So? doch ist der armen Made Keine Speise je zu gut, Selbst für Jesu Leib nicht schade, Schade nicht für Jesu Blut. Ja ganz wohl! die matte Fliege Sitzt auf Gottes Angesicht, Wenn ein Engelsflügel schlüge, Er vertriebe sie da nicht. Stäublein klein! o ja! um nimmer Abzutreten von dem Tanz, Sonnenstäubchen tanzen immer Ohn' zu sinken aus dem Glanz. Ei du Ekel! ja ich eckle Seit ich dich im Herzen trug Vor der Welt, an allem mäckle Ich, nur nie an mir genug. Überbeines Gnaden zähle Überige Gnaden ein Überfleisch und Überseele, Überhimmelsschlüsselbein. Wer kann es dem Herrn verdenken Daß er Milde an dir übt, Dir, die ihm ihr Fleisch will schenken, Dafür Überbeine giebt. War doch Eva auch im Schlafe Nur des Adams Überbein, Eva umgekehrt ward Ave, Mögst du auch gegrüßet sein. Und weil ein Kameles Rücken Nur ein großes Überbein, Mag's drum, wenn die Schuh' dich drücken Gotts Kamelgedanken sein. Und so soll mein Mut nicht wanken Wenn er deinen hinken sieht, Also aus Kamelgedanken Sang ich dir dies Finkenlied.