Karl Johann Braun von Braunthal Faust Eine Tragödie Personen Personen. Kaiser Karl der Fünfte. Graf Robert. Doctor Johann Faust. Faust's Vater. Wagner, Faust's Famulus. Cosmo, ein Poet. Pater Anselmo. Kern, Weinhold, Zunder, Studenten. Nase, Murrner, Zwitsch, Bürger. Le Doigt Appeau, Spieler. Crabe, ein Beutelschneider. Ein Wirth. Bianca. Ros in Fischermädchen. Madame Dujour. Annchen, eine Kellnerin. Juanito, ein Kind. Mephistopheles. Herren und Damen. Studenten. Bürger. Ballgäste. Diener und Zofen. Mönche. Wache. Volk. Chor der Geister. Erscheinungen. 1. Akt 1. Scene Erste Scene. Ein Krug. Abends. Im Hintergrunde der Stube mehre Bürger. Vorne rechts um einen großen Tisch Studenten, unter welchen Kern, Weinhold und Zunder durch phantastische Tracht ausgezeichnet. Der Wirth und Annchen , die Kellnerin, ab und zu bedienend. Das Studium der Historia, Der großen, ganzen, die allgemein Die Welt umfaßt, nicht blos Germania, Nimmt mich mit allen Wundern jetzt ein. Ich forsche ihren Quellen nach, Und ich mag mich wol erdreisten, Zu sagen laut, daß ich allgemach Will zur Zeit in dem Fach was leisten. Trinkt. Neben der dürren Prudenz des Rechts, Die mich molestirt, je mehr, je länger, Studir' ich die Blumen des Menschengeschlechts, Die alten und die neuen Sänger; Versuche mich selber, so gut es geht, Manchmal den Parnaß breit zu treten; Und ist auch verdorben an mir kein Poet, Versteh' ich den Wein doch und die Poeten. Trinkt. mit Annchen schäkernd. Schwadronirt das von Geschichte Und Reimerei! Weinhold, alter Kern! Da, dem Mädel guckt mal in's Gesichte Und sagt, ob ich wo was Holderes lern'? Ich halt' mich, bin jung, vorerst an den Becher, Und gibt's noch was Klügeres, kommt's wol mit der Zeit; Die Lieb' ist mir jetzt das liebste der Fächer, Mir die einz'ge vernünft'ge Gelehrsamkeit. Nu, Annchen, was sagst du, wie hältst es du? Geb' euch Recht, nur denk' ich mein Theil dazu. Ho, ho! da hast eins, du Feuerfang! Blitzmädel! Schuldet Antwort nicht lang'. will sie küssen. Auch nicht auf ein Mäulchen? ihm einen leichten Backenstreich versetzend. Auch nicht auf ein Maul! Hüpft davon; Alle lachen. Die ist nicht faul! Trinkt. Ich wollte sie gar nicht küssen, ihr – Trinkt. Wie dem Fuchs mit den Trauben, geht's dir Singt. Es schlich ein Fuchs um die Mauer, Süße Trauben hingen hoch daran; Er konnte nicht heran Und sprach: die Trauben sind sauer. Trinkt. Gelächter. zum Wirthe. Was hat die alte Stadt an Neuigkeiten? Die alten Übel, neue schlechte Zeiten. in den Becher guckend. Und wol auch neuen schlechten Wein? Kann auf Kreide nicht gut immer sein. Brav! Was brav? Philisterhaft gesprochen, Sein Witz ist lahm, hat'n Bein gebrochen; Wächst auf Kreideland nicht der Champagner? Drum macht auch so viel Streiche der – Gelächter. Geschlagen, Weinhold, ein and'res Lied! Kann dienen damit! Singt. Streiche hin, Streiche her, Wirthe nichts taugen mehr; Wär' nur der Beutel voll, Gut wär' der Wein auch wol! Gelächter. Wie kann er lang voll sein in deiner Hand, Bei dir ist immer der Grund am Rand! Trinkt. 2. Scene Zweite Scene. Wagner , Faust's Famulus tritt ein. Er geht höflichst grüßend langsam an ein Tischchen vorne links und läßt sich nieder. Annchen stellt ihm einen Krug hin. Sieh da, Freund Wagner, seltner Gast! bringt es ihnen. Euer Wohlsein! WEINHOLD Ich glaube gar, in Bier!? Wahrhaftig! Ihm seinen Becher reichend. Da! ablehnend. Wein schadet mir. Schad't euch? der Wein? Ich denk', ihr spaßt? Na, wie ihr wollt! Doch nun sagt an, Wie lebt der Doctor, euer Herr, Der große Faust, der Wundermann? Man sieht und hört von ihm nichts mehr, Denn, was von ihm der Leumund sagt, Das glaub' ich nicht, doch thut's mir leid; Von allen Lehrern meiner Zeit Hat keiner noch mir so behagt. Welch' tiefer Sinn, welch stolzer Geist; Wie edel; trotzig und wie frei, Ich traf, so weit ich auch gereist, Den Kopf nicht und die Phantasei, Nur paßt das in die Stube nicht, Gehört heraus an's Lebenslicht, An's goldne Sonnenlicht heraus; Da sollte Faust mit vollen Händen Die Gaben seiner Thatkraft spenden, Statt daß er sie vergräbt zu Haus. So schön auch euer Mund da spricht, Ihr kennet meinen Doctor nicht; Auch liebet Haft Die Wissenschaft, Verflüchtigt sich im Leben nur; So ist die Kunst auch nicht Natur. Nun, wenn sein Kopf, Wie eine arme Flasche Wein, Braucht einen Pfropf, Den Geist sich zu erhalten fein, Reut's mich, daß ich gedachte sein, Ich war ein Tropf! Wirft sich in den Stuhl und trinkt. Es ist die Welt darin sehr unbescheiden, Will Alles in dieselbe Jacke kleiden; Will, was vom Narren, auch vom Weisen, Die Lebensart des Jünglings auch vom Greisen Und fodert, daß die schattende Steineiche Auch Blumen und Maulbeeren reiche: Ja, ja, das kennen wir schon Alles Und bieten ihm die Stirne nöth'gen Falles! Trinkt. lachend. Seid nur darob nicht ungehalten, Wir lassen euch schon beim Alten. Das Alte war das Bessere, Und was wir Jüngern auch wirken je, Am Alten hat sich's erstärkt, Wohlgemerkt! Recht so, die Geschichte lehrt es uns! Nur ist nicht der Neue just immer ein Duns. Schwatzt nicht so in's Gelage, Das ist ja gar nicht die Frage; Mich ärgert nichts, als daß ein Mann wie Faust, An unerfreulich dunkelm Wissenskram Geld und Zeit wie seine Federn zerzaust, Und möchte fragen, wie das so kam? Freilich, stand's um ihn stets nicht so! Er war, gleich uns, sonst lebensfroh, Hat eine reiche Erbschaft verfreudet, Wol auch falsche Freunde kennen gelernt, Das hat ihm zuletzt die Welt verleidet, Und von der Geselligkeit ihn entfernt. Weil er die trugvollen Heuchler haßt, Sagen sie nun schändlich von ihm, Der Faust hab' in seinem stillen Grimm, Das Studium der Magie erfaßt, Und suche Gemeinschaft mit höllischen Geistern, Sich des Glückes auf's neue zu bemeistern. Hast Recht, Bruderherz! Es darf nur Einer Versuchen, was vor ihm noch Keiner, Gleich steckt man dem verwegnen Mann Sein Haus an allen vier Ecken an: Ich liebe die Menschen, aber die Leute! Sie lästern, sie müssen, sonst war's wie heute, Fragt die Geschichte darüber nur. Trinkt. Ja, das ist der Menschheit traurig Loos; Der Faust führt mich eben auf die Spur, Daß Alles, was ein Mann, der groß, Für seine Brüder arbeitet und meint, Zuletzt als Teufelswerk erscheint. Pfui! über die Philisterseelen, Die sich in matter Alltäglichkeit, Lieber erbärmlich hinunterquälen, Als geistiger Größe huld'gen zur Zeit! Pfui! allen Schneckennaturen, allen, Die, klebend am angestammten Blatt, Gleichgültig über Steigen und Fallen, An der Erd' sich fressen und saufen satt. Und pfui Denen, die einen Faust verlassen, Ihn verhungern lassen ganz und gar! Da, Brüder! reicht nicht aus das Hassen, Verachtung dem Gesindel! – Fürwahr! Er verdient solch Eifern; fast rührt's mich zu Thränen, Den großen Mann oft so leiden zu seh'n; Mag man dies und das von ihm auch wähnen, Er schreitet vorwärts, bleibt nicht steh'n. Ihr, guter Freund, habt es errathen: Mein Doctor kennt und treibt Chemie, Und die dumme Welt nennt seine Saaten Verruchte Werke der Höllenmagie. herübernäselnd. Wie aber kommt das seltsame Feuer, Das widerlich grüne, in seine Fenster? Ich glaube just nicht an – Gespenster, Allein bei Fausten ist's nicht geheuer. herüberbrummend. Flammende Katzen schießen oft Aus dem Schornstein seines Hauses, Und des Gesurres und des Gebrauses Hat man Nachts manchmal ganz unverhofft. über die Achsel. Darum lege sich auf die Ohren, Wer für Katzenmusik nicht geboren! den Becher niederstoßend. Wir bezahlen, wie ihr, unsern Becher Wein, Und wollen nicht gehänselt sein. Dann plaudert nicht drein! Gesprochen ganz studiret fein! Ihr könnt es wol auch noch mit der Zeit, Wie euer Faust bringen so weit! Die Bürger lachen. auffahrend. Alle Wetter! Händel? – Schäme dich! Mit solchem Kramvolk befassen sich – ängstlich beilegend. Werthe Herrn, o lieben Gäste, Ach, nur keine Zänkerei! – aufstehend. Dulden keine Hudelei – will fort. Sich entfernen ist das Beste. ihn haltend. Bleibt Wagner! – Wollt gehudelt nicht werden, Spießbürger ihr? allein besudeln Wollt ihr, was schön und groß ist auf Erden? Bleibt, Wagner, s'gilt Faust, den wollen die hudeln! zu den Bürgern. Zahlt eure Zeche und macht fort! – Unerhört! auf und nieder. Nur fort! Mit der Wache zu kommen? wüthend. Droh'n?! Nun die Finger in die Hand genommen, Weil ihr pariren nicht wollt auf Wort. Er greift sie an. abwehrend. Ums Himmelswillen – in meinem Haus! Ihr schlagt ihnen ja das Hirn heraus! Sie haben keins! Hinaus! Hinaus! Zurück! Weh euch! ihr bezahlt nur den Strauß! die Thür aufreißend. Weil's denn schon sein muß, hinausgeschmissen; Macht's kurz, ich verwahr' mein Gewissen. sie gegen die Thüre drängend. Sie werfen sie unter wildem Gelächter hinaus und Krüge, Becher und Gläser nach. die Thüre zuschlagend. So, wieder was gethan! Was euch hoch zu stehen kommen kann. Ihr meint die zerbroch'nen Krüg' und Flaschen? Brüder, auf alle Taschen! zusammenschießend. Da ist Geld, da ist Geld! Macht euch bezahlt für Alles, was fehlt! Sie geben dem Wirthe Geld. zu Wagner. Was halft ihr denn nicht, was saht ihr denn zu? Ich prügle mich nie; laß mich in Ruh'! während die Studenten ihre Becher ergreifen, halb singend. Wann ein Weinjahr gesegnet, Hat's Prügel geregnet! Trinkt. singt. Schon ist die Laterne herabgebrannt, Kaum findet mehr in's Gesicht die Hand! den Becher schwingend. Erst, wann die Laterne löscht völlig aus, Verlassen wir illuminirt das Haus! Sie jubeln, stoßen an und bringen es Wagner. 3. Scene Dritte Scene. FAUST'S VATER ein Landmann, tritt ein und geht an's Tischchen Wagner's; ehrwürdiger, noch rüstiger Greis. Gott zum Gruß! – Da geht's ja lustig her! Recht frohen Abend! – FAUST'S VATER. 'Nen Schoppen Wein, Vom besten; kann sonst nicht weiter mehr. Hier soll ja das Haus Doctor Faust's wo sein? Setzt sich. während ihm Annchen Wein vorsetzt. Unweit von hier. Doch, Alter, ihr geht Wol heute nicht hin mehr; s'ist schon spät. FAUST'S VATER trinkt. Spät? Mag sein; zu spät aber nicht; Er blickt mir zu jeder Stund' in's Gesicht. Ich nill euch melden, bin sein Famulus. FAUST'S VATER. Ja? Nu, so bringt ihm den herzlichsten Gruß Von seinem alten Vater – Trinkt. Ihr wär't – ihr seid –? froh durcheinander. Faust's Vater? Er lebt noch? der wackere Mann? FAUST'S VATER. Faust ist mein Sohn. ihn küssend. O wie bin ich erfreut, Daß ich ihm die Freude bringen kann, Meinem überaus trefflichen Herrn! FAUST'S VATER. Ihr nennt ihn trefflich? Das hör' ich gern. Wie mag sich der arme Doctor freu'n! FAUST'S VATER. Warum der arme Doctor? Sagt an! Kommt nur, Alles erfahrt ihr dann. Mein Herr wird reich und glücklich sein; Darf er den Vater wieder mal grüßen, An's verkannte, verlaßne Herz wieder schließen. FAUST'S VATER. Verkannt? Verlassen? – Wir begleiten euch hin! Ja, guter Vater, wir geh'n alle mit! FAUST'S VATER stolz lächelnd. Er ist nicht verlassen, so lang ich bin, Verkannt mag er sein, daß wird er schon quitt. Trinkt. Glaubt ihr denn, ich käm' so ganz leer? Mein Hans hat mich freilich gekostet schon viel, Gott aber lebt noch, alles Andr' ist Spiel; Wer auf ihn vertraut, sinkt nimmermehr. So lang noch mein Beutel 'nen Pfennig hat, Will ich ihn theilen mit meinem Hans. Er trifft wol noch einmal des Glückes Pfad; Hand um, es erinnert sich solchen Manns Und schließt ihn für immer in den Arm, Und macht ihm das kalte Herz wieder warm. Trinkt. Redlicher Greis, schon eurer wegen Kann's ihm nicht fehlen an zeitlichem Segen! FAUST'S VATER. Seht, bin ein schlichter Landmann blos, Hab' mich all' mein Tage gerühret wacker, Zog von meinem kleinen Acker Den Hans mir, wie er ist, so groß. Er aber hatte daheim kein Bleiben, Es schien der Geist ihn fortzutreiben, Und er wollte nun mal hinaus, hinaus, Zu eng für seinen Kopf war mein armes Haus. Ich nahm dem Burschen das nicht eben krumm Und sah mich nach dem Mittel, den besten um. Ihr gabt ihn nach Wittenberg zu Verwandten? FAUST'S VATER. Sein reicher Ohm in Wittenberg nahm Sich seiner an; nu, wie es so kam, Nach und nach seine Lebensgeister entbrannten, Und wie er so Alles und Jedes studirt, Als Doctor und Magister ward graduirt, Ihr wißt's wol, auch was mir viel Kummer gemacht, Wie er das viele schöne Gold und Geld, Die ganze reiche Erbschaft durchgebracht, Daß es ihm oft am Nöthigsten fehlt. Doch, was vorbei ist, ist vorbei, Wie gewonnen, so zerronnen! Für meinen Hans ist das Spielerei, Er hat was gelernt ja, und ist besonnen. Trinkt. So. Ihr also führt mich zu ihm, ihr Herr'n? Wer seid ihr? Studenten und seine Freunde. Für Faust unser Leben wir ließen gern Und erschlügen mit Lust all' seine Feinde! FAUST'S VATER. Er hat wol viel Feinde? Weil er Den übersieht, Und Den; weil sein Geist ist ein Blitz, Der niederschmettert den Afterwitz; Weil er für das Erhabene glüht Und das Gemeine tritt mit Füßen, Drob hat er Verdruß oft übergenung, Wie's noch Jeder hat erfahren müssen, Der was treibt mit Begeisterung. Eben als ihr kamt, lieber Vater, schmissen Zur Thüre wir' naus so'n Lästerpack Von Kerlen, die ihn gern verbrennen ließen Mit all' seinen Feinden so in dem Sack! FAUST'S VATER. Denkt er denn meiner? O, immer! Ich sah ihn weinen um euch auf seinem Zimmer, Vor Sehnsucht nach dem Vaterhaus. FAUST'S VATER steht rasch auf. Ei, so laßt uns denn geh'n! Hinaus! O köstlicher Abend, o Herzensschmaus! Sie gehen. sie hinaus salutirend. Haltet euch nur, verehrte Herren, Eine Weile den Geprügelten fern. als der Letzte. Es ist kein gefährlich Ding um die Rache Von Leuten, die da erst holen die Wache. Alle ab. 4. Scene Vierte Scene. Eine Haide. Nacht und Windsturm. rasch und wild, ein Buch unterm Arme, mit entblößtem Haupte vorne rechts herein. Ihm folgt gegen die Tiefe ein Schatten . Ich that den Schritt, den du mir nanntest! Ich folgte dir, wie du mich hießest, Weil du an deinen Fuß mich banntest, Mich nicht in meiner Tiefe ließest; Was willst du, Faust? Enthülle dich! Ich bin für Menschenaugen nicht; Der Stern, der mich erschaute, bricht; Willst du mich anders, wandle mich. Bin satt der Lebensgaukelei, Heraus aus deinem Höllenei! Zeig' ich mich dir in Urgestalt, Sind wir für uns fortan verloren; Der mich gesandt, gab mir Gewalt, Doch nur beschränkt, für – was geboren! Dann bist du, Teufel! nicht der Mann, Wie ich ihn will, wie ich ihn brauchen kann; Was soll die Mummerei!? Will Klarheit Zum mindesten, gibt's keine Wahrheit! Doch! Eine Wahrheit gibt's! wildlachend. Durch dich!? Durch mich. So sprich sie aus denn! Leben! – sich verhüllend. Ha! muß die Hölle lehren mich, Daß ich dem Tode mich ergeben, Als ich dem Wissen mich ergab, Dem blumig ausgeschmückten Grab!? Du lebst! auffahrend. Ja, das ist Wahrheit, ja! Die einz'ge Wahrheit dieser Erde: Bin da, ich bin, bin lebend da, Und will auch leben, was draus werde! Was soll mir sonst des Lebens Kunde, Die todte, wenn ich selbst nicht bin? Verflucht sei jede Lebensstunde, Die ohne Leben floß dahin! So lebe! O wie fromm, wie gut, Mit welchem kindlichen Gelüsten Sog ich nicht an der Weisheit Brüsten! Sie schien mir Mutter; ihrer Hut Vertraut' ich mich so ganz und gar –! Fluch ihr, der Metze Wissenschaft, Die aus dem Jüngling Geist und Kraft Gezogen, daß der Thor ich war; – So zieht den Bräut'gam nicht zur Braut Das erste brünstigste Verlangen, Wie ich an einem Wissenslaut, An einem Buchstaben gehangen! Mein ganzes Ich gehörte ihr, Mein ganzes Dasein war ein Buch; Gelogen hat sie Treue mir, Drum Fluch ihr ewig, ewig Fluch! Indessen meine Wange blich In unerhörter Leidenschaft Und mit der Rose sank die Kraft, Sah sie nach Andern liederlich, Die sie, gleich mir, belog, betrog, Wie mir die süße Kraft entsog, Wie mir den starken Nacken bog, Wie mich zur Lebensqual erzog! Verflucht darum die feile Dirne; Erkenntniß gibt's nicht, will ich nicht: Die Tugend trägt sie an der Stirne, Doch Lastergift im Angesicht, Anwachsend täglich ekelhaft; Fluch aller, aller Wissenschaft! Wozu des Fluches? Sag' dich los! Nur Eines macht dich stark und groß, Schweig, Ungeheuer! vor der Thräne Der Menschensehnsucht nach dem Wahren! Geschaffnes Herz ist die Hyäne, Lebt nur vom Tod, vom offenbaren. Genug! besorge keine Reue: Ich weiß allein, wie ich gestritten, Was ich um Hoffnung, Lieb' und Treue, Um Kunst und Wissenschaft gelitten. Daß ich Geschöpf, nicht Schöpfer bin, Drum ewig habe nur zu klagen, Das hast du, Wurm, mir nicht zu sagen, Sonst tret' ich in den Staub dich hin! Schweig, wenn ich seufze, wenn ich weine; Daß ich nicht sein kann, was ich will; Steh lieber mir gleich einem Steine Zu meines Daseins Grabschrift still! Du frommst mir nur mit deinem Zorn; Die Zeit entflieht, Faust, sieh dich vor! Die eingesunkne, die verlorne, Ruft selbst Magie nicht mehr empor. Nun denn, sag' an, was kannst du geben? Leben! Und was gewährst du meinem Streben? Leben! Ganz jenes Leben, das ich träumte, Als goldne Jugend mich umsäumte Und liebvoll Himmelsblau umspann, So reich an Sternen, o sag' an? Schwelgerischen Vollgenuß, Gold und Ruhm, stets grüne Freude, Heißersehnt geschenkten Kuß, Immer frische Herzensweide; Kraft und Taumel ab und zu, Ewig ungeschwächte Stärke, Liebesstürme ohne Ruh, Staunenswerthe Wunderwerke: Das ist's, was ich biete dir, Willst du das, so sag' es mir! Gut! – Was hab' ich dir zu geben? Leben um Leben! Der Zeit? Die Zeit steht in der Ewigkeit! Enthülle dich! Bin dein! Hier hast du mich: Schlag' ein! Er verwandelt sich und tritt als Mephistopheles hervor, in eleganter Tracht, fein und voll Haltung. Der Mond geht auf. Des Ernstes Hülle wich von mir, Die Nacht ist hin, der Mond geht auf; Wirf nun auch deinen Ernst von dir, Dann lustig vorwärts dran und drauf. Du also bist und bleibst für mich? Ich diene dir. Wie nennst du dich? Nichts thut der Nam' zur Sach'; indeß, Ich heiße Mephistopheles. Des Menschenlebens kundig, wie Kein andrer Geist, erfahrungsreich, Bin ich erfindrisch, kühn und nie Verlegen und mir immer gleich. An Stärke und an Schnelligkeit Hat mich kein Geist noch übertroffen; Vor meinen Blicken liegen offen Die Schätze der Vergangenheit. Hab' Schlüssel fast zu allen Herzen, Ich weiß den Weg zur ärmsten Kammer, Hab' Überredung für den Jammer, Kann Liebe weg- und Treue scherzen: Ich mach' aus jedem Ja ein Nein, Und stell' dem Festesten ein Bein. Das Alles findet sich zur Zeit, Ich werde prüfen deine Kräfte; Und für des Bundes Pünktlichkeit? Bin kein Pedant in dem Geschäfte, Mit dem Contract hat's keine Noth; Ruf aus nur, gegen mich gekehrt: Dein bin ich nach dem Erdentod! Satan ist nah, damit er's hört. Dein bin ich nach dem Erdentod! Heftiger Windstoß unterirdische Stimmen. Bist unser, unser, wir sind dein! Ferner Posaunenschall. Nun fort und in die Welt hinein! Mich schau verjüngt das Morgenroth, Verjüngt erscheine mir die Erde; Nichts welk, nichts krank, nichts schwach und alt; Rings alles blühend, ohn' Beschwerde, In siegend reizender Gestalt. Ein jeder meiner Schritte sei Sofort ein ganzes Menschenleben! In steter Sinnenraserei Will ich der Welt mich eigen geben, Der Welt, so wie sie ist, der weichen Wollüstig bunten, vollen Welt; O wo, wo ist noch ihresgleichen!? Hinein in sie, bis Alles fällt! Was wissen!? Können! das, ja das Ist ein gewaltig herrlich Wort! Was forschen!? Zeigen fort und fort, Erschaffen – ohne Unterlaß! Ich habe mit dem Bücherwurme Geschwelgt in geist'ger Einsamkeit, Dafür sei jetzt im Sinnensturme Mein Geist durch alle Welt zerstreut! Und schaff' ich auch für Würmer nur, So waltet doch in mir Natur, Ich morde mich nicht selbst, ich handle, Indem ich tausendfach mich wandle. O wie verlangt es mich, zu fliegen! Zu fliegen? durch die Luft zu kriechen? Mit immer matterm Flügelschlag? Das trag' und dulde, wer da mag! Und erst die Menschen, diese armen! Wie, nur ein Gäßchen zu durchwandeln, Sie schrittweis mit dem Boden handeln Daß er sich ihrer mög' erbarmen; Nein, nicht zu fliegen nur, begann Ich dieses Werk, das wäre klein. Da, dort und hier zugleich zu sein, Das fodr' ich, weil ich's fassen kann! Der Sturmschritt selbst der Leidenschaft Sei gegen das Pygmäenkraft, Und selbst die Sonn' in ihrem Lauf Seh' mit entzücktem Staunen drauf. Das, Teufel ist es, was ich fod're; Ich will nun endlich einmal seh'n, Was Zeit und Raum sind; mag gescheh'n Mit mir was immer, wenn ich mod're! Spann' auf denn deines Witzes Segel Und schiffe mich ins Meer der Zeit; Laß mich hohnlachen aller Regel, Der Grenzen all' der Sterblichkeit! Streu Rosen auf empörte Wogen, Gieß Welten in Palästen aus, Zieh' durch die Wolken Brückenbogen, Bring' Mummenschanz ins Leichenhaus; Mach' lüstern stammelnde Matronen, Erröthen Laster, Tugend geil, Ja selbst das Kind nicht soll mir schonen Des Witzes gift'gen Sündenpfeil! Du sollst von einem Menschen lernen, Höllischer Geist, was dieses Sein Sein kann; ich schwör's bei allen Sternen. Nun fort und in die Welt hinein! So recht! Das macht dir Lust, mir Spaß: Du willst – da geht's ohn' Unterlaß. Er faßt ihn, Beide verschwinden. 5. Scene Fünfte Scene. Straße vor Faust's Wohnung. Das Häuschen steht vorne rechts. Mehre Fenster, über dem Thore ein Erker. Grünlich grelles Licht strömt durch die Scheiben, auch seltsames Getöse im Innern. mit Posaunen. Um der Erde kurzes Leben Ew'gem Tode sich ergeben, Für des Diesseits karge Freude Trotz des Jenseits reichem Leide! Bewaffnete Bürger mit Laternen und Wache eilen bestürzt herbei. Dieser Gräuel, Gott, in uns'rer Stadt! Ach, wer ist, der das erlebet hat? Weilt nicht länger, Freunde, laßt uns fort! ineinander. Dies Gerassel, Stimmen hier und dort! Höllisch Schwefellicht schlägt da heraus! Fort zum Schutz von Weib und Kind nach Haus. Hatten wir nicht Recht? Kein Zweifel, Faust verkehrt drin mit dem Teufel! Wie gebannet, bleib' ich stehen, Muß in das Entsetzen sehen! schreiend. Die Studenten! Wache! Muth! O, das endet nimmer gut! Alle Studenten mit Faust's Vater und Wagner aus der Tiefe links hervor. seinen Hieber ziehend. Da stoßen wir auf ein Wespennest – schreiend. Ergreift sie All' und haltet sie fest! Um Gott, es brennt des Doctors Haus! Faust gibt dem Teufel drin einen Schmaus! haut nach ihm. Für dein Schandmaul dies zum Lohn! FAUST'S VATER die Hände ringend. Was sagt ihr da? Was thut mein Sohn? Eilt mit Wagner hervor. Die Wache greift an; man wird unter wildem Geschrei handgemein. Flammen schlagen zu Faust's Fenstern heraus. Die Sturmglocke ertönt, Volk eilt herbei und nimmt am Kampfe Theil. Inzwischen tönen Posaunen, unterirdisches Getöse, gespenstisches Gelächter und Donner. Fechtend schreien Bürger und Studenten in einander. Zurück! – Die Höll' ist los! Hier diesen Stoß! – Und wär's mit der Welt am Ende, Fühlt noch erst unsere Hände! – FAUST'S VATER in die Knie stürzend. Der du so groß dich im Himmel erweist, Gott! in deine Händ' empfehl' ich seinen Geist. – Der Erker springt auf, eine grauenhafte Gestalt zeigt sich in Schwefellicht. Heftiger Donnerschlag. Alles flieht mit Angstgeschrei. Wagner reißt Faust's Vater an sich und eilt mit ihm hinaus. Der Vorhang fällt. 2. Akt 1. Scene Erste Scene. Wilde Schlucht. Gewitter. Mephistopheles schwebt mit Faust aus der Höhe herab und läßt ihn auf dem Gipfel eines über den Abgrund vorhängenden Felsens nieder. Windsturm. So, ruh' nun aus, wir sind zur Stelle, Faust. Wie ist dir nach dem adlerschnellen Fluge? Vom Sturme noch der Phantasie umsaust, Gewahrt' ich schwebend nichts vom Höllenzuge Hin durch den himmeltragenden Azur. Ich bin zufrieden mit dem leisen Truge. Sind wir zur Stelle? Beut mir die Natur, Hier wol, wonach ich mich im Schmerze sehne? Ein irdisches Äquivalent ist's nur, So gut's der Teufel hat für eine Thräne, Für überird'sche Menschensehnsucht, Faust. Beschau' dir also diese Bergescene, In der noch was vom alten Chaos haust, Woran ich selbst nie ohne Schauder denke; Halt' dich an mich. Der Wind, der uns umbraust, Er schleudert sonst hinab dich in's Gesenke Des schwarzen Urgesteins; halt' dich an mich. Nu, sieh dich um! Wohin den Blick ich lenke, Fürwahr! ein Bild, so groß, so schauerlich, Als hold für meine Brust, die, gleich zerrissen, Längst einer Siedelei des Wahnsinns glich; Das ist ein Riesenbeichtstuhl für's Gewissen! Beicht'! Ich nur geb' dir keinen Pfaffen ab. Die Sonne scheidet; an den Felsenrissen Schwärmt noch ein Strahl, er schwankt hinab Betrübt. Wem eine Seele, eine treue, So liebvoll trauernd wandelte zum Grab' Und Blumen der Erinn'rung, immer neue, Wie Strahlen hier die Sonne, legte hin! Du bist im Zuge, Faust; so conterfeie Die Landschaft ab dir recht nach deinem Sinn! Ich lasse dich; nur hüte dich zu fallen. Thu' das. Wol spiegelt sich im tiefsten Busen drin Die wilde Schlucht mir ab, die jetzt mit allen Auswüchsen der Natur ich aufgesucht. Geh' nur; verlaß mich. Gern. Seh' dort was wallen, Ein Menschlein. Wo? Am Rachen dieser Schlucht, Tief unten. Gut, will seh'n, aus welchem Grunde. Verschwindet. an den Fels gelehnt. O unerträgliche Gedankenwucht! Könnt' ich versenken dich in diesem Schlunde, Aus dem kein Seufzer je dich zöge mehr! Was zeigst du mir, Granit, die Schöpfungswunde, Die bis in's Herz dir klafft? Nacht zieht einher Und legt auf dich das Leichentuch vergessen. Was stöhnst du, Wassersturz, so bang und schwer? Was brichst du selbst den Lichtstrahl, sag', indessen Der Himmel aus sich breitet über dir? Ach, wessen schönes Loos ist das noch, wessen? Versteinte Qual ist auch verstorbne hier; Der Sturm ist dir ein Freund, geborstne Öde! Der Donner ist dir Jauchzen, Blitz ist Zier. Was suchte dich mein Auge, dieses blöde? Dich, todtgeborner, stumpfer Grauenort, Dich Leichenkammer, ruh'ge Wolkenrhede, Geeistes Meer, gemächlig stiller Port Für eines Knaben schulentsprungne Leiden: Wo hast du Einklang meinem Wehaccord? Es donnert. Nun Donner gar! Ich lasse mich bescheiden; Nur führ' mir einmal noch die Scene vor, Wie du entstandst, ich will daran mich weiden. Braust, Wasser, auf! Ihr Flammen, brecht empor Noch einmal aus geheimnißvollem Grunde, Der gähre wieder, wie er damals gor, Die Felsenzähne knirschend! Aus dem Schlunde Kriech' nochmals das verhaßte Zwitterlicht Des ersten Tages, wie es noch zur Stunde An jedem Morgen sel'ge Nacht zerbricht! Wie ließ' ich mich belehren, ach! so gerne, Der Mensch sei doch das Jammervollste nicht; Unseliger's sei auf dem morschen Sterne Noch als der Mensch! O zeige mir die Spur, Die Teufelskluft, wo nahe oder ferne, Noch etwas berg' die schweigsame Natur, Was also elend, würdig so der Klage Als ich? – Beweinenswerth sind Menschen nur. Natur ist Glück und Wonnedasein; frage Die Blüten jetzt der süßen Frühlingszeit, Den stillen, frommen Frost der Wintertage: Natur, sie werde oder sterb', ist Seligkeit, Nur Aufgab' für den Maler ihr Entsetzen, Weil an Zertrümm'rung sich der Mensch erfreut. Es stürmt heftiger. Wie Blitze toll das Kleid der Nacht zerfetzen! Daß unter mir der alte Fels erbebt, An dessen Angst die Schlangen sich ergötzen. Dumpf grollt der Donner durch die Schlucht; es schwebt Sichtbar der Tod hier auf den Felsentrümmern, Worin gestürzte Eichen er begräbt, Um welche sterbend tausend Tannen wimmern. – Wo bist du, Lügner, Heuchler, der du mich Zum Hohn hierher geschleift? In goldnen Zimmern, Nicht hier, Verworfener! zeigt Elend sich Und Nahrung meiner Qual; zurück ins Leben, Ins bunte Menschenleben gaukle Dich Mit mir! Die Schrecken, die mich hier umgeben, Die zürnende Natur, sind Balsam mir, Den ich nicht ferner wünsche! Hörst du? – Eben Erhob ich aus dem Abgrund mich zu dir. Ins Menschenleben mich zurückeschleppe – Ei, Faust, schon satt? Es stürmt ganz artig hier; Jetzt wird's erst int'ressant in dieser Steppe. Fort, fort, der Zweifel wohnt bei Menschen nur; All' dieser Schreck ist eine Glaubenstreppe. Beide ab. 2. Scene Zweite Scene. Eingang zur Schlucht in der Tiefe. Voller Sturm mit heftigem Regen. Blitz und Donner. Cosmo , tritt auf. Nimmt ein Pergament an die Brust und hüllt sich in seinen Mantel; er will fort. Faust und Mephistopheles , treten auf. Hier ist der Greis, den wir ersah'n; Ein seltner Mann, Faust, sprich ihn an. Ihr habt euch wol verirrt, mein Freund; S'ist solche Nacht des Menschen Feind. Doch, wen sein Weg zum Feinde führt, Ganz frei gewählt, ist nicht verirrt. Ich suchte einen Schatz und fand Ihn zwischen dieser Felsenwand. Wie? Einen Schatz? Ihr scherzt wol nur? Mit nichten. Schätzt ihr die Natur? Ich schätz' in ihr die ew'ge Kraft Der ewig jungen Leidenschaft. Laßt uns dabei nur weitergeh'n, Nicht in der Felsentraufe steh'n; Bei euerm trockenen Discours Durchnäßt uns ganz der Schatz Natur. Wer ist der übermüth'ge Mann, Der Höchstes so verspotten kann? Laßt ihn gewähren immerdar, Er meint's nicht so, es – ist mein Narr. Ganz recht; bei mancher ernsten That War ich dir schon ein lust'ger Rath. Das ist ein Andres und ganz gut; Ich lieb' am Narren Übermuth, Der keck sich an das Große wagt, Nichts nach Autoritäten fragt. Und wer seid ihr, der ihr sein Herr? Ein reicher Reisender, nichts mehr. Wollt ihr mit mir nach Haus, ihr Zwei? Willkommen ist dort Narretei; Gesellschaft trefft ihr, lust'ge, an, Und was man wünschen mag und kann. Sehr gern. Wer aber seid ihr, sagt, Der sich in diese Schlucht gewagt, Im vollen Aufruhr der Natur; Den, dacht' ich, sucht der Wahnwitz nur. Sie gehen weiter. Man nennt mich Cosmo, bin Poet. Im Schloß, das ihr erleuchtet seht, Wohnt mein Mäcen, Graf Robert, der Seit Tagen erst des Schlosses Herr. Heut gibt er einen Leichenschmaus Zu seines todten Vaters Ehr'n; Kommt immer mit nur, trinkt ihr gern; Die besten Weine schenkt er aus. Mir wässert's Maul – ein Leichenschmaus – Wer Teufel ließe diesen aus! Auch mich verlangt's, gesteh' es ein, Nach einem guten Becher Wein. Doch was ist's, dies noch saget mir, Mit euerm Schatzaufgraben hier? Nun, da ihr mit zum Schlosse geht, Mögt ihr es wissen. Also seht: Mein Herr, Graf Robert, der dies Fest Auch schließen will mit Geist zu best, Befahl mir, ein gut Stück Poem, Zu schaffen, groß und angenehm, Dabei gewaltig, schauerlich! Daß jeglich Herz erschüttre sich, Kurz, einen Sang, versteht ihr wol, So reizend als begeistrungsvoll. Verstehe, und da gingt ihr denn, Das Donnerwetter anzuseh'n? Schweig, Narr; fahrt im Erzählen fort. Der Weise nimmt dem Narrn das Wort. Ein droll'ger Kauz! Mir dankt mein Herr Für euern Schalk gewiß recht sehr. Nun hört! Euch ist doch schon bewußt, Daß jüngst der Doctor Johann Faust, Wol auch Johannes Faust genannt, Dem Teufel sich verschrieb zur Hand? wildlachend. Ist also wirklich was daran? Wie dauert mich der gute Mann! Man sagt es. Wie dem aber sei, Was kümmert Euch die Teufelei? Viel, viel, denn seht, ich wählte sie Zum Vorwurf meiner Poesie! lachend. Na, wie behagt dir, sag' es frank, Gevatter, dieser nette Schwank? Ihr also schriebt in Reimen, ei! Daß Faust nunmehr des Teufels sei? mit Stolz. So ist's. Hier dieses Pergament Umfaßt den Anfang und das End'. Anfang und End'? End' und Beginn, Wie er sich gab dem Teufel hin. Wie, auch der Anfang? Wie es kam, Daß Faust der Unmuth übernahm, Und, weil so lang' sein Himmel schlief, Er wach drob Höll' und Teufel rief? Das ganze ungereimte Zeug Gelang, mein Freund, zu reimen Euch? Ich denke, ja. Ich hab's erschaut. – Und dann der Eselshaut vertraut? Ihr glaubt das wirklich denn von Faust? Wie denkt ihr ihn? Als Sturm, der braust, Und aus der Hölle Eingeweid' Den Feind riß der Unsterblichkeit. So glaubt ihr an den Teufel mit? sich kreuzend. Auch an den Bösen. schüttelt sich. Wir sind quitt. Wie schildert ihr den Doctor, Freund? Als einen finstern Menschenfeind, Den seine wüste Phantasei Zog zu der Hölle Gaukelei, Und der, in ihrem Netze nun, Viel mit der Metze hat zu thun, Die eher wol nicht rasten wird, Bis alles Mark ihm abgeführt. So, so. Vielleicht sein Ende rührt? Ja, er sieht ein, daß er geirrt. wildlachend. Sieht ein? Ha! ha! Dies ist das Wort; Ihr habt's getroffen, fahrt nur fort; Ihr seid schon auf dem rechten Steg, Der führet zu der Wahrheit Weg; Nur noch ein Rosenabgrund liegt Zur Seit', um den ihr spielend biegt. Nun, ich versteh' euch zwar nicht ganz – Auch mir sei närr'sche Frag' erlaubt: Weil ihr schon an den Teufel glaubt, – Mit Hörnern, hoff' ich, Klumpfuß, Schwanz Habt ihr den Teufel ausstaffirt In euerm Lied, wie sich's gebührt? Ei, lust'ger Rath, das ginge nicht; Ganz anders malt ihn mein Gedicht. Wie so? Wie so? Ist eine Frag', Wie sie ein Narr stellt jeden Tag. Drum schritt ich in den Sturm heraus, Verließ das lustdurchjauchzte Haus, Zu finden hier in Nacht und Sturm Ein Bild von jenem Höllenwurm, Der Faustens Füß' als Hund umwand Und hündisch in den Kreis gebannt; Drum ging ich 'raus in diese Schlucht Und fand den Schatz, den ich gesucht: Ein Bild des Teufels suchte ich In dieser Kluft hier fürchterlich. Sie ist Zerstörung, Nacht und Nichts, Abbild des ersten Bösewichts; Sie ist Verneinung, kalte Qual, Abbild von jenem Scheuesal, Das aus dem Garten Gottes noch Jagt Vögel, die da fliegen hoch! Versteht ihr? Nun, ich denk' – Bin just von Kopf nicht umgelenk – Ihr gingt vom fetten Leichenschmaus In diese dürre Schlucht heraus, Den Teufel euch zu conterfei'n Vom Himmel, der da zürnet sein? Ja, Narr, und es gelang mir so, Daß ich nun dessen herzlich froh: Ein gut Stück Arbeit trag' ich hier Auf diesem Pergament mit mir. Des Teufels ganze Schrecklichkeit Erfaßt' in dieser Schlucht ich heut Und stellt' ihn im Momente hin, Wie er dem Doctor Faust erschien. O hättet ihr den Fels geseh'n Taghell in Blitzesflammen steh'n! Er leuchtete rings durch die Nacht So wuthentbrannt ob Gottes Macht, Und sah so kühn zum Himmel, der Auf ihn warf seine Donner her, Daß er die Wetterwolken all' Hinschleuderte wie einen Ball Und von den Schultern, zuckend, scharf, Der Lüfte Thränenströme warf, Indeß sein grimmer Fuß, umdampft Von Schaum und Glut, die Erd' gestampft, Daß sie erbebte tausendmal, Wie bei des ersten Engels Fall! Oh! – lachend. Da mag Faust beim Lampenschein, Nicht wahr, wol recht erschrocken sein? sich die Stirne trocknend. Und dieses Lied tragt ihr noch heut, Im Schlosse vor? Und wenn's euch freut, So nehmt daran gastfreundlich Theil Zu seltsam lehrreich kurzer Weil'. Ja wol! Hinauf ins Schloß, hinan, Bis tief ins Herz mich frostet's an! So kommt, ihr seid willkommen hier. Der Spaß gefällt am Ende mir. Alle Drei ins Schloß. 3. Scene Dritte Scene. Hellerleuchteter Prunksaal in Graf Robert's Schlosse. Graf Robert. Bianca. Damen und Herren. Zofen und Diener. Musikanten. Gaukler. Herren und Damen um eine lange, reichbesetzte Tafel gelagert, schmausen und lachen. Bianca hat zur Laute gesungen und legt sie weg. Die Gäste erheben sich und rufen: Einmal noch, es war zu schön, Zu entzückend anzuhören, Alle Sinne zu bethören, Einmal noch die Laute tön'! Ja, Bianca, dieser Sang, Glüh'nder als der Saft der Reben, Goß er aus sich in mein Leben, O noch einmal diesen Klang, Nur, mein Robert, nicht umsonst; Nur, wenn meine Lippen schlürfen Dir am Seelenbecher dürfen, Wenn vorher du so mich lohnst! sie stürmisch küssend. Meines Daseins schöne Seele, Ohne die es längst verschied, O pulsire und vermähle Uns im voraus durch dein Lied! präludirt. Faust und Cosmo treten ein. Euer Narr blieb außen steh'n? Beim Gesind' sich umzuseh'n, Denn er denkt sich, und mit Recht, Wie der Herr, so auch der Knecht. Braver Cosmo, tücht'ger Sänger, Gut, daß du nicht weiltest länger. Faust vorstellend. Dieser Fremde, der auf Reisen, Will sich freundlich euch erweisen. Diese Nacht seid mir zum Frommen – Edler Herr! seid uns willkommen! Aber setzt euch, trinkt und lauscht, Denn Bianca's Laute rauscht. sich neben Cosmo Bianca gegenüber setzend. Danken muß ich's dem Geschicke, Schutz vor Sturm bei solcher Lust. – Für sich. Welcher Himmel in dem Blicke, O wie wogt's in meiner Brust! spielend zu Faust. Bess'res hörtet ihr wol viel Als mein schwaches Saitenspiel? O was euch Natur verlieh, Bess'res sah und hört' ich nie! singt und spielt. Mehr als Liebe zu geben Vermag kein Geschick: Ohne Liebe kein Leben, Ohne Liebe kein Glück! Das fühlte einst im Mondesschein, Ach, Laura, denn sie saß allein. In dem Schoße der Rose Schläft der Schmetterling ein, Es zog ihn die Lose Durch Honig hinein. Das fühlte Laura süß und warm, Ihr Trauter lag ihr ja im Arm! Der Schmetterling gaukelt Am Morgen dahin; Und Röslein? – es schaukelt Einen andern wie ihn. Dies Laura sich zu Herzen nahm; Ihr Trauter starb, ein Andrer kam. Wiederkommen die Falter, Wieder blühet die Ros'; Nur dem Menschen, im Alter, Lacht nimmer dies Loos! So dachte Laura und – mit ihr? Wir Alle, Alle, Alle hier! Denn mehr als Minne zu geben Vermag kein Geschick: Ohne Liebe kein Leben, Ohne Liebe kein Glück! Alle Gäste fallen jauchzend ein im Chor. Ohne Minne kein Leben, Ohne Liebe kein Glück! Sie springen auf, Herren und Damen drängen sich um Bianca, welcher Robert zu Füßen fällt. durcheinander. Die Liebe ist das Um und Auf Des Lebens, und wir schwören drauf! zusammen. Gäb's keine Zofen wo im Haus, Der Guckguck hielt' es lange aus! knieend. O hätte dich mein Vater nur gehört, Du Zauberin, längst wärest du schon mein; Er starb im Haß, den er für dich genährt, Man grub nunmehr sammt seinem Fluch ihn ein; Ich aber liebe dich wie nichts auf Erden, Durch meine Glut soll auch Ersatz dir werden! erhebt ihn umarmend. Wilder, holder, lieber Mann! Was ein Weib dir bieten kann, In der kurzen Blütezeit, Sei dir zum Genuß geweiht: Wie ich war und wie ich bin, Gerne schenk ich's, nimm es hin! – Man zecht und singt. Frisch, wie vom wilden Rosenstrauch, Weht junger, freier Liebe Hauch. Wir scheuen nicht der Rose Zorn, Wir pflücken sie, zuerst den Dorn. Gäben nicht die Bäume Schatten, Müßten wir vor Glut ermatten. Was die Dam' dem Herrn bei Hofe, Ist dem Diener fein die Zofe. unsichtbar zu Faust. Gib Acht, verrathe dich nur nicht; Du liebst, mir sagt es dein Gesicht: Und daß du nicht Graf Robert liebst, Ist's nicht, wodurch du mich betrübst. Schwelg' immerhin in ihren Blicken, Ich sä' inzwischen meine Saat, Und helf' dir, will es sich nur schicken; Bin ich denn nicht dein lust'ger Rath? glühenden Blickes nach Bianca. Ob ich liebe, ob ich hasse? Mich der Flamme überlasse, Die schon aus der Seele schlägt Und mein Ganzes Ich erregt –? Ich hab' ein Puppenspielchen vor; Bald komm' ich wieder, sei kein Thor. Ab. Alle haben sich wieder gesetzt und schmausen. Bianca im Arme. Nun, wackrer Cosmo, deinen Faustgesang. Noch blitzt und donnert's; fandst du ein Gesicht, Das dir zum Teufel paßt, wie, oder nicht? Du gingst doch nicht im Sturm umsonst den Gang? Gib deine Beute preis, stimm' an das Lied; Ich freue mich des Spuks recht im Gemüth. sich mit der Harfe zurechtsetzend. Ja, theurer Schutzherr und erhabner Graf! Ich fand, was ich gesucht in der Natur; Mein Blick stieß dort auf des Gefallnen Spur, In jener Schlucht, wo diesen Herrn ich traf. Es schlug, denkt euch, ein Wetterstrahl hinein, Mit unermeßnem Schwefelschein, In eine tiefe Kluft, vor mir ganz dicht. Der graue Fels bekam ein Angesicht; Blitzschlangen, zischend, bildeten sein Haar, Und eine schwarze Riesenwolke hielt In der geballten Rechten er so wild Empor, dem Himmel drohend, wie am Tag, An dem er einst des Ew'gen Zorn erlag – Pfui! Alter, das ist häßlich; heute nicht, Enthüll' ein andermal dein Traumgesicht; Heut herrscht hier Lust und selbst den Teufel soll Nichts treffen da, was klänge so wie Groll! aufstehend. So recht, Bianca, und nun, Kind, erlaube, Daß ich den Teufel male an die Wand! Ich habe lustig rothen Stift zur Hand; Ich zeichne dir den Kauz, so wie ich glaube. und HERREN. O schön, o schön, o seltner Schwank! Das ziemt sich und verdienet Dank. und DIENER. Wir freuen uns des Teufels sehr, Geht er nicht gar zu schwarz einher. für sich. Bianca, so an Seel', an Leib' Ersah ich in der Welt kein Weib! ebenso. Das ist ein Mann, so ganz ein Mann, Der ganz ein Weib beglücken kann! geht zur Wand hinter Faust und beginnt eine lebensgroße Contur auf der Tapete zu zeichnen. für sich. Himmel hier und Hölle dort; Dürft' ich bleiben, dürft' ich fort! O wie lechzt mein Herz nach ihr, Und kein Tropfen Liebe mir. für sich. Wie er mich ins Auge faßt, Jetzt erröthet, jetzt erblaßt! leise. Ein Teufel soll das werden, ei? ebenso. Wir freu'n uns schon der Teufelei! zu Faust. Herr, blicket hin doch an die Wand, Bewundert meines Robert's Hand. Der Teufel ist zu zeichnen schwer, Und doch gelingt's ihm mehr und mehr. immer zeichnend. Nun seht auf mich! Ich meine so, Zwar ist der Umriß etwas roh: Vorerst der Teufel ist ein Schalk, Drum hat er Augen wie ein Falk, Doch durchaus ohne alles Grau'n, Nur just nicht immer anzuschau'n. Der feinen Brauen scharfer Bogen Hier an den Schläfen aufgezogen. Die Stirne hoch und scharf durchschnitten, Da senkrecht diese Falt' inmitten Zeigt, wo der Blitz herunterfuhr, Der Abkunft bleibend grelle Spur. Die Adlernase sagt uns an, Von altem Adel sei der Mann, Die, weil er sie in Alles steckt, Keck in die Luft ist ausgestreckt. Am schwierigsten zeigt sich der Mund; Die Lippen, einst wol roth und rund, Sind dünn und herb zusammengekniffen, Fast wie ein wenig ungeschliffen. Das Kinn, ein glattes Marmorstück, Zieht an wie sein Verführerblick. So – nu, gefällt's? O zeichnet fort, Der Teufel wird's, auf unser Wort! weiter zeichnend. Ganz dünne Haare werf' ich hin Dem Lebemann, genug für ihn. Nun diesen leisen Zug von Hohn Noch um den Mund da dem Patron. So –. Trotzig in den Schultern sitzt Der Kopf, langhalsig, nicht erhitzt. Denn Phlegma ist sein Element, Weil er die hitz'gen Menschen kennt; So weit nun wär' ich. Ist es schlecht? Ganz prächtig! O ihr zeichnet recht! beendend. Dann lasset mich vollenden nur Die so begonnene Contur, Denn zeigen kann nur fert'ges Bild, Wie man's Original gefühlt. Seht her! Welch feine Mannsgestalt, Da ist Verführung, ist Gewalt. Von Hahnenfeder, Pferdefuß, Sich Niemand hier was träumen muß; Ein Schalk, wie er, schreckt Keinen je, Und klug birgt er im Wohl das Weh. Da steht er ganz, da steht er fertig, Der Künstler ist des Lohns gewärtig. O wundervoll, o überschön, Nie haben Gleiches wir geseh'n! ihm an den Hals fliegend. Hier hast du, goldner Herzensmann, Den Lohn dafür; nur nimm ihn an! erscheint in der Contur an der Wand, deren Linie er genau ausfüllt, unbeweglich, starr. hinstierend. Fürwahr, fürwahr, ein lebend Bild, Blickt hin, blickt hin, 'sist ausgefüllt. Heftiger Donnerschlag; Alle fahren entsetzt zurück. Weh uns! Zu Hülf'! Die Höll' ist los! Fort aus dem gottverlass'nen Schloß! Sie wollen hinaus, bleiben aber gebannt stehen. Gruppe. Robert, die halbohnmächtige Bianca im Arme und den Becher hochgeschwungen; Faust allein belebt und glühend nach Bianca schauend. Du hast den Teufel an die Wand gemalt, Graf Robert, sei denn für dein Bild bezahlt. Dein Cosmo nicht, mich traf dein Lebesinn, Drum bin ich dein, drum nimm mein Feuer hin! Laß deiner Wollust fürder freien Lauf, Geht auch darob dein Schloß in Feuer auf: Der Donner rollt, die wilde Flamme haust, Ich bin Mephisto, dieser hier – ist Faust! vom Banne befreit, wild durcheinanderstürzend. Weh uns! läßt Bianca zu Boden sinken, die Faust auffängt, und tritt wüthend, den Becher vorstreckend, gegen Mephistopheles hin. Ich trotze dir, verworf'ner Höllenwurm Und deinem ganzen Elementensturm! Ich bin ein Mann: Was ich gethan, Verfecht' ich auch, komm an: Dich fürcht' ich nicht; nicht deiner ganzen Brut Weicht Robert's Muth! Und bricht auch deine ganze Sippschaft los, Und brennt an zwanzig Ecken auch mein Schloß, Und ständen selbst die Todten auf: Nimm dies darauf, Daß ich dich fürchte nicht – Ich schmett're dir den Becher ins Gesicht! Er will den Becher hinschleudern, da verschwindet Mephistopheles und das Bild und an seiner Stelle erscheint der Geist seines Vaters. Robert stürzt zu Boden. Die Gäste fliehen nach allen Seiten. Flammen schlagen zu den Fenstern und Thüren herein. Faust trägt Bianca hinaus. Höllengelächter durch Donner und Sturm. Der Vorhang fällt . 3. Akt 1. Scene Erste Scene. Auf einer Anhöhe vor Paris. Im Hintergrunde ein Sommerhaus; vorne mehre Bäume, zwischen welchen eine Rasenbank. Sonnenaufgang. Faust. Bianca. Mephistopheles . Sie sitzt traurig auf dem Rasen, Faust zur Seite. In einiger Entfernung Mephistopheles, sich in einer Eberesche schaukelnd. Bianca hör', o höre mich! Erblühe neu, für neues Leben, Ihm Farbenschmelz und Duft zu geben, Für deinen Faust erhalte dich! vor sich hin. Himmel hier und Hölle dort! Dürft' ich bleiben, könnt' ich fort! Robert! Faust! – Wen soll ich nennen? Was ich liebe, soll ich trennen? zu ihren Füßen. Bianca! ihn umarmend. Faust! Ist's möglich! mein? Dein! dein! singend. Muß vom Vogelbaum herunter, Denn die Vögel sind schon munter, Und ihr Schnabel, spitz und fein, Pickte selbst des Teufels Bein. Ab. O sprich, was ist aus Robert worden? sich erhebend. Er lebt; doch denke nicht an ihn, Bianca, willst du mich nicht morden, Nicht, daß mein Leben ströme hin! Blick' hin, wie dort die Morgensonne Sich selig auf Paris ergießt; Ihr Strahlenstrom mit frischer Wonne Durch Straßen hin und Gassen fließt! O höre, wie aus hundert Kehlen Der Liebe Zaubersang erschallt; O sieh, wie Millionen Seelen Jetzt faßt der Liebe Allgewalt! Dann blick' auf mich, den Selig-Armen, Der dich in seine Arme schließt, Und, ist im Himmel nur Erbarmen, So denk', daß du sein Himmel bist! sich an ihn schmiegend. Der Geist, den du heraufbeschworen, Gönnt er dir solchen Aufenthalt? Er muß! Noch bin ich unverloren; Ich habe Kraft, hat er Gewalt. Doch fühlst du gleichen Muth in dir? O, was vermag die Liebe, sprich, So heiße Lieb' nicht über sich! Ihr Stamm ist Gott, vertraue mir! Denk'; Faust, vom Weib so schwankend nicht, Glaub' nicht, was seine Thräne spricht; Fänd' ich auch Jammer nur und Noth, Ich folge dir bis in den Tod! Und meinem treuen Herzen glaube, Der Hölle wird kein Mann zur Beute, Ihr wird kein kräft'ger Mann zum Raube An eines edeln Weibes Seite! Bianca! mein Entzücken sage dir, Daß ich in dir mich wieder selbst gefunden, Zwar kaum erschaut, ja kaum empfunden, Gehör' ich dir, gehörst du ewig mir! Und Robert? Lebt. Ist jung und – lebt. Mein Faust! Bianca. Umarmung. Sieh, ein neues Leben, Wie's nur der glüh'ndsten Phantasie entschwebt, Soll dich fortan als holder Traum umweben! Ich führe hin dich durch die ganze Welt, Will alle ihre Wunder dir erschließen; Was sie geheim im tiefsten Busen hält, Es werde dein, du sollst's genießen; Vom Röslein, fern der Gletscherregion, Bis hin zur Zauberblum' im glüh'nden Süden, Sei alles dein, nimm dir zum Schmuck davon Und zum Genusse ohn' Ermüden! So öffn' ich dir des Lebens Wunderschachte Auch in der Kunst; ihr Diamant, Wie er dem Glücklichsten der Erde lachte, Entstrahle blendend deiner Hand! Die Lust, in ewiggleicher Jugendschöne, Küss' deine Frühlingswange roth, Für jeden Schmerz, für jede Thräne Sei dein Gedächtniß todt! Ein Rosenflor soll weh'n um Kirchhofsmauern, Mit Nachtigallen streite die Alraune, Mit Flöten die Posaune, Mit Maienhauch des Fiebers Schauern; Und so gewinne Mit holdem Trug ich jeden deiner Sinne, Bis mir dein ganzes Sein gestehen soll: Mir ist so unaussprechlich wohl! Auch ohne alle Wunder ist mir so: Mein Herz ist selig, blick' ich auch nicht froh! Ich führe dich in Städte und Paläste, Zu Tanz und Spiel! Das Gold ist der willkommenste der Gäste, Ich habe dessen viel! Sodann des Geistes magischer Trug, Ich habe dessen nicht minder genug, Dein süßes Antlitz, meine Kraft, Sie öffnen uns die Herzen all', Die werden unsrer Leidenschaft Zum Federball! Du aber seist das Bild von jedem Rahmen, Entzücket nenne Jedes deinen Namen, Du sollst die Schönste sein von allen Frauen, Wie du die Beste bist von allen Besten, Nur mit Bewund'rung soll man dich erschauen Als Königin von allen Festen! Und jener böse Geist? – Ich kann, Ich will ihm einen Kreis beschreiben, In dessen Bann Er immer gleich entfernt muß bleiben. O thu's! Indem ich denke, ist's gescheh'n! Du wirst ihn nimmer nahekommen seh'n. aus der Ferne. Weh! sich an Faust schmiegend. Nun erst athm' ich wieder frei, Nun führ' mich hin, wohin es sei! Die Welt ist mein, Und ich bin dein! Beide ab. 2. Scene Zweite Scene. Paris. Hellerleuchtete Straße. Gedränge von Spaziergängern im Hintergrunde. Ab und zu Musik. in reicher Kleidung, vorne links herein. Er hat mich, wie ich's nehmen mag, betrogen, Mich dummen Teufel, der ich war und bin! Der Kreis, den er um sich und sie gezogen, Drängt nachgerade vor die Thür mich hin, Und zwingt mich zu des Horchers läst'ger Rolle. Es soll ihn reu'n! – Wie aber fang' ich's an? Wie zwing' ich mich in dem gerechten Grolle? Und wie umgeh' am schnellsten ich den Bann? Fürwahr, er macht genugsam mir zu schaffen; Auch hielt ich für so schwer das Dienen nicht! Wie ich sie tausche, wechselt er die Waffen, Für jeden Winkelzug hat er ein Licht. Zwar ist er mein, er kann mir nicht entgehen, Er war's ja selbst, der sich den Würfel warf, Doch mich beleidigt's, muß es schon gestehen, Daß er mich so gering erachten darf. Was hab' ich denn für alle meine Mühe, Wenn er nur wie ein Stein im Wasser sinkt; Wenn er nicht theilt den Zorn, worin ich glühe, Er nicht mit mir aus einem Becher trinkt? Wenn ich ein Menschenalter hin mich quäle, Bis aus der Welt er sich hinausgequält; Was hilft's, wenn eine halbverdorbne Seele, Der Höll' ich bringe, mühsam ausgeschält? Erbärmlich wär' es! – Also Überlegung! Was fang' ich jetzo mit dem Doctor an? Pack' ich ihn bei der neuen Liebesregung? Sein heißes Blut ist's, was mir nützen kann. Das er sich baldigst von Bianca trenne, Scheint mir das Beste, weil's das Nächste mir. Ich fürchte sie, daß ich es nur bekenne; Zu viel gesunden Sinnes steckt in ihr. Betschwestern schaden nicht so sehr dem Teufel Als solch ein unverkünstelt grades Weib, An solcher Brust zermalmen sich die Zweifel, Der Geist erstarkt an solchem starken Leib. Ihr Werk ist's, daß er mich von sich entfernte; O könnt' ich drum an sie! Doch geht es kaum, Genug, daß ich von einem Weibe lernte, Daß Liebe doch im Grund' kein leerer Traum. Er aber soll's nicht lernen, das ist's eben, Worin ich meine Kraft bewähren mag, Drum lockt' ich her ihn; dieses bunte Leben Versetze seiner Lieb' den Todesschlag! Ihm widersteht er nicht; o seine Säfte Sind viel zu reich für eines Weibes Form! Das Herz ist der Gebieter nicht der Kräfte, Das Blut hat seine ganz abnorme Norm. Und für dergleichen ist Paris ein Plätzchen, Da setzt sich so was leichtlich, spielend um, Da wechselt man wie Kleider seine Schätzchen Und sucht am End' darin noch seinen Ruhm. Hier sollst du, Faust, an Seufzern und an Küssen Erlahmen mir für alle beßre Kraft, Zerstören wirst du dich und sie mir müssen In zügelloser toller Leidenschaft! Zum Ekel soll dir diese Blume werden, Die du so früh in deinen Kreis gepflanzt, Bis du nach mir dich sehnest, dem Gefährten, Vor dem du, Übermüth'ger, dich verschanzt, Nicht eher rast' ich, und du sollst's erfahren, Er reift in mir heran der Hölle Plan; Die Zeit geht um, bald wird sich offenbaren, Was kann ein Mensch und was der Teufel kann! – Er besieht sich eine glänzende Bude. Welcher Luxus, welche Pracht! Was sich doch die Weltgesellen Müh'n, die lange Erdennacht Sich ein wenig zu erhellen! Da ein Kettlein, dort ein Ring: Für die Hand, die so gebunden, Hier ein Gemmchen, aufgefunden In 'ner Stadt, die unterging. Wie das glitzert, wie das gleißt, Ha, und in den Beutel reißt! Ist's ein Wunder, wenn auf Erden Viele drum des Teufels werden? 3. Scene Vierte Scene. der schon früher Mephistopheles in's Auge gefaßt hatte, tritt ihn an. Ihr seid wol fremd in unsrer guten Stadt, Die, wie es scheint, euch zum Bewundrer hat? für sich ins Gewölbefenster hinein. Ein Abenteurer, der von falschem Spiel Und Sonst'gem lebt; ei was mir der nur will! Sich wendend. Ich bin zum ersten Male in Paris. Ihr amüsirt euch doch recht sehr? Gewiß. O ja, 'sist nicht der schlechtste Ort der Welt! Man unterhält sich überall, hat man Geld, – eine Börse ziehend. Wenn diese Börse reicht für einen Tag, So viel hab' ich für jeden Tag fixirt; Sagt, ob ich da mich unterhalten mag? Steckt die Börse wieder ein. gierig. Kein Fürst, der eine beßre Klinge führt! O Herr, wie seid ihr zu beneiden! Mit solchem goldnen Schlüssel öffnet ihr Euch Thür und Thor zu allen Freuden, Zu allen Wunderherrlichkeiten hier. Doch scheint ihr unbekannt? Bin's ganz und gar. Nun, wollt ihr meiner Führung euch vertrauen? Warum denn nicht? Topp! Die Hand ausstreckend. einschlagend. Es ist sonnenklar; Mir winkt das Glück, mir winken holde Frauen Und sonstige Zerstreuungen durch euch? Nicht so? seine Hand zurückziehend. Hu, welche eisigkalte Hand! Ihr habt wol ein recht frost'ges Vaterland? Just nicht; doch komm' ich aus dem deutschen Reich. ihn zum Gewölbe ziehend. Sagt, was gefiel zumeist euch hier Von Schmuck bei diesem Juwelier? emsig musternd. Ich wünsche Alles, was ich sehe, Indem ich fast vor Lust vergehe; Es schweift mein Auge hin und her, Will immer höher, immer mehr. O seht nur den Karfunkel da, Den blutigrothen; den Diamant, In zauberhaftem Wasserbrand. Ob je ein Mensch was Schön'res sah! Hier diese Perlen, diese Spangen, Wie hüben sie nicht Hals und Wangen; Das Stirnband dort, das Haargeschmeid, Nicht unwerth einer Königsmaid, Und all die lieben putz'gen Sachen, Sie müßten Jede stutzig machen! hat sich an ihn gedrängt, mit ihm in den Kasten geguckt und versucht, ihm die Börse zu entwenden; kaum aber hat er danach gegriffen, als er mit einem Schmerzensschrei zurückfährt. Er eilt hervor, beide Hände mit scharf gekrümmten Fingern emporhaltend. heulend. Weh mir, bin ein verlorner Mann! Die Finger sind gelähmt und krumm! Was soll ich jetzt, was fang' ich an? sich wendend. O laßt doch seh'n! Ei, das ist dumm! Ach die zehn armen kleinen Dinger! Sagt, Freund, was macht ihr krumme Finger? zu seinen Füßen. Wer ihr auch sein mögt, Gnade, Gnade! Macht meine Finger wieder grade! ihn aufhebend. So steht nur auf, die Leute gaffen; Ich will da wol noch Rathes schaffen; Eure Hände! Er faßt sie. Anfang, Ende! Wille! That! Krumm ist grad! sich jubelnd die gestreckten Finger reibend. O Dank, o Dank! Die Finger sind mir wieder frank. lachend. Nur hüte dich bei einem nächsten Kampf, Mein rascher Freund, vor Krampf! War wol dein erster Beutelschneiderstreich? Es war mein erster, ich gesteh' es euch, Ich wußte mich nicht recht noch zu geriren, Beim zweiten soll kein Krampf mich mehr geniren; Ihr aber seid in eurer Kunst zu Haus, Respect vor euch, da sieht etwas heraus. Ihr seht, ich jammre nicht bei meinem Elend; Seit Jahren leb' ich so als sans-façon . Bald den Erwerb, bald jenen wählend, Schlägt Alles fehl, geh' ich davon. Was soll ich machen? Soll weinen ich, wo Andre lachen? Mit nichten! Da weiß ich mir bequemere Geschichten. Sie haben Geld, ich zahl' aus ihren Taschen; Sie haben Wein, ich trink' aus ihren Flaschen; Ein Hahn im Korb' bei ihren Frauen, Was soll mir da viel grauen!? Ihr aber macht mir etwas bange, Es sträubt vor euch beinahe sich mein Haar; Herr, euer Kunststück, mehr als wunderbar, Treibt alles Blut mir aus der Wange, Es geht doch zu mit rechten Dingen? Die Kunst soll immer überraschen, Doch ohne nach Effect zu haschen. Wie aber mocht' euch dies gelingen? War nur Natur. Ich zitterte jedoch an allen Gliedern. Das spürt man so bei allen neuen Liedern. Nun aber Eins. Ich kann euch brauchen, Freund. Ihr seid vertrauter mit Paris als ich, Und dient wol gerne, wie es scheint, Ihm die Börse reichend. Den Wünschen eines Bruders Liederlich? lächelnd. Um blankes Gold? Was thut man nicht um solchen Sold! Ihr seid demnach bereit? Zu jeder Zeit. So eilt denn in den Gasthof dort zur Sonne, Ihr trefft da einen reichen Deutschen an; Zwar schwimmt er noch in junger Liebeswonne, Doch ködert ihr durch neue mir den Mann. Mir liegt daran, ihn aus den weichen Armen Zu zieh'n der Dame, der er huldigt jetzt; Ich bin sein Mentor, bin ihm vorgesetzt, Doch er gehorcht mir nicht, 'sist zum Erbarmen! Umstrickt ihn, zieht ihn ab von ihr; Die Mittel werdet ihr schon finden; Sucht ihn aufs reizendste hier zu verbinden Und zählt auf vollen Dank von mir; Jedoch erwähnen dürft ihr meiner nicht, Sonst ists um euch, um mich und ihn geschehen; Ich will nichts mehr, als daß sein Lebenslicht, Nicht länger möge unterm Scheffel stehen. Was hab ich nicht geweint bereits um ihn! Ich bin in mancher Kunst zu Haus, Jedoch zu bänd'gen seinen Sinn, Das Mittel fand ich noch nicht aus. Was mir, dem wahren Freunde, vorenthalten, Vielleicht gelingt es euch, der ihm ein Feind; Das Leben liebt geheimnißvoll zu walten, Und oft geschieht, was ganz unmöglich scheint. Auch zählt auf mich, ich werd euch still umkreisen, Und seid ihr erst so weit an ihm, Will ich euch treulich unterweisen, Das wäre ja des Teufels, ging es schlimm! Ein herrlich Abenteuer das, So reich an Gold, als reich an Spaß! Ich lock' ihn, Herr, nur in ein einz'ges Haus, Und glaubt, mit aller seiner Lieb' ist's aus. Dann muß das Haus ein seltnes sein, Das bis ins Herz ihm dringet ein, Denn dieser Mann, hört, ist ein Mann, Der dies und das gewinnen kann, Auch ohne zu verlieren, was Er wahrhaft liebt, versteht ihr das? Nicht ganz; doch ich verstehe wol, Was ob mir liegt in diesem Sinne: Ihr wollt ihn nicht in dieser Minne, Und seht ihn lieber noch frivol? nimmt seinen Arm. So ist's, ihr habt mich schon begriffen; Ihr seid ein Mann, so zugeschliffen, Wie ich ihn brauche; kommet nun, Ich sag' euch mehr noch auf dem Wege Zum Gasthof, was ihr habt zu thun: Ach, wär' er nur vertraut nicht meiner Pflege! Beide ab. Das Volk entfernt sich. 4. Scene Vierte Scene. Madame Dujour. Monsieur Le Doigt und Monsieur Appeau , zwei Spieler. Ihr kennt des Glückes launenhaften Willen, So haltet fest den flücht'gen Augenblick; Laut strebt das Handwerk vorwärts mit Geschick, Die Industrie des Witzes wirkt im Stillen. Ihr seid behend und liebenswürdig schlau; Gern hab' ich mich mit euch associirt, Doch lernt von einer dreißigjähr'gen Frau, Daß Alles hin ist, wenn man Zeit verliert. Ich bin von feinem Schlage, noblem Blute, Besaß, ach! meinen Mann zwei Jahre kaum, Es lehrte nichts als Spielen mich der Gute, Sonst hab' ich nichts im weiten Erdenraum. Und also hab' ich mich denn eingerichtet Auf gutes Glück; mein Haus ist ganz aimabel; Ihr habt euch, Monsieurs, für mich verpflichtet, Ich bin zufrieden, denn ihr seid traitabel, Wie aber ist es mit dem Fremden, sagt? Er soll ja reich, ganz unermeßlich sein? Den Fisch zu ködern, ist es sehr gewagt? Ich mischt' ihm gern ein Spielchen Mein und Dein. Bald ist er unser, hält nicht schwer; Er ist ein Deutscher, was nun mehr?! Es will vielleicht mir heute noch gelingen, Zu euch den Bären in das Haus zu bringen. Ich geh sogleich zur Sonne Mit Freund Appeau, Wie wär' ich froh, Ihn leichter hier zu machen! Welche Wonne! Indessen traget Sorge nur, Für Magen und für Herz, Madame Dujour; Wein, Spiel und Liebe, Mort de ma vie – wer da phlegmatisch bliebe! Wir aber bleiben still und kalt, Denn nur der Hitzige bezahlt. Ich zähle heute allerliebste Namen, Die niedlichsten Gesichter von der Welt. Ihr kennt noch nicht die schönste meiner Damen; Der wäre mehr als Held, Der ihr nicht huldigte im Augenblicke. O diese Grazie! Nichts Hold'res sah ein Menschenauge je; Wem sie die Karte reicht, Und wär's ein Fels, er ist erweicht! Wer ist's? O sprecht – So recht! Am Ende fängt mein Vielgetreuer Am ersten Feuer? Wie? Was? Ihr könntet – lachend. Glauben? mitlachend. Ja wol, du bist ein großer Weiberfeind! Adele wird ihn seiner Sinne ganz berauben! affectirt. Adele? Aus der Provinz wol? Ja, mein Freund! Doch stieg die über alles Schöne Aus der Provinz beschränktem Lebensraum Wie aus entzücktem Meeresschaum Einst Anadyomene. Genug, ich lobe sie; und loben Frauen, So lohnt's der Mühe, darauf könnt ihr bauen. Daß eure Mühe nicht verloren sei, Laßt uns die Kräfte klug vertheilen. Madame, ihr geht nach Haus, wir zwei Indessen wollen in die Sonne eilen. Sie gehen. Die Sonne bringe goldnen Regen! Ab. Den Boden wollen wir schon pflegen. Ab. 5. Scene Fünfte Scene. tritt auf. Schnell schreitet die Verzweiflung, doch Weit schneller geht die Rache noch; Ihr Gang ist der des Blitzes: ungebahnt Ist seine dunkle Straße; So trifft der Streich aus überfülltem Hasse Den Feind auch ungeahnt! Ihr flogt dahin auf flammendem Höllenwege, Der warf sein Schwefellicht in meine Nacht Und führte mich in eure Schandgehege, Die Sonne hätt' es besser nicht gemacht! Zwar ging ich mich so athemlos Und lebensmüde, kann nicht fürder mehr, Möcht' sinken in der Erde Schoß, So fühl' ich leidend mich und schwer, So drückt auf mich die ungeheure Last; Doch aber gönn' ich mir noch keine Rast; Den stört kein Frost, der glühend haßt, Der kalt bedenkt, was hindert ihn die Glut? Zerstücket tausendmal, wächst meine Wuth, So lange noch in mir ein Tropfen Blut! Noch hat kein Mensch im Traume Das geseh'n, Was mir gescheh'n. Das Unglück einer ganzen Welt Vor meinem Jammer wie in Nichts zerfällt! Mich traf ein Blitz aus heitrer Himmelsbläue, Und ihm nach sanken alle meine Sterne: Für Liebe Haß, für Glauben Reue, Für Reichthum Armuth, für die Heimat Ferne. Kommt also rasch das Unglück angezogen? Um Alles, Alles – so im Nu betrogen? Was dämmte nicht ein Gott des Schicksals Wogen, Wenn über ihnen einer schwebt? O mehr als grauenvolles Sein, Auf einer Erde, die da ewig bebt, Das Glück, das keimende, zu sargen ein! Da ist der Tod das Ende nicht des Lebens, Des Gartens Ausgangspforte nicht; Er ist der Anfang alles Strebens, Die Sonn' ist Wetterleuchten und kein Licht! Und wie, o wie erbarmungsvoll zerstoben Ist, was mein Herz sich jauchzend aufgespeichert; Es hat die Hölle sich bereichert Mit meinem Glück, das wuchernd sich erhoben! Entsetzen hat sie mir dafür gesandt, Ein Bettler steh' ich, aus mir selbst gebannt, Hier unbeklagt wie ungekannt, Als meiner eignen Leiche kalte Wache, Nur ein Gefühl noch nährend, das – der Rache! Ha, göttliches Gefühl der Rache, Himmel- Entsunken, mahnend an Unsterblichkeit! Du übertönst der Schmerzen Angstgetümmel, O du versöhnst noch schneller als die Zeit, Die gern an unsrer Qual sich weidet, Die heuchlerisch den Abgrund links und rechts Mit Blumen überkleidet, Den Glauben höhnend des Menschengeschlechts! Dir, Rache hab' ich mich geweiht! Ein Opfer selbst, ein Opfer sucht' ich auf, Es ist gefunden; – heut Noch stürz' ich mit Entzücken mich darauf! Dann mag des Lebens schöner Engel weinen, Wenn es gescheh'n; Dann mag die Sonne nicht mehr scheinen, Was menschlich ist an mir zu Grunde geh'n! Du, Faust, hast sie dir an dein Herz gelogen, Du schwelgst in meinem Glück; Doch eine Wolke kam dir nachgezogen, Nur mit drei Leichen zieht ihr Blitz zurück. Ab. 6. Scene Sechste Scene. eilig von der andern Seite herein; Robert nachblickend. Der Eine geht, der Andre kommt! Ich aber sorge, daß sie sich begegnen. O was mir Robert's Ankunft frommt! Er folgte schnell der Lockung, der verwegnen. Nun, meine Sachen stehen gut; Das bricht dir, Faust, deinen Übermuth, Und liefert dich, schon sehe ich das Ende, Als Pflegling neuerdings in meine Hände. Noch bist du nicht des Truges quitt Und sollst es auch sobald nicht werden; Der Teufel ist das Schlimmste nicht auf Erden, Viel schlimmer spielt das Herz euch Menschen mit. In die Scene blickend. Da kommt mein Doctor, ganz erhitzt einher, Und wie es scheint, von einem Schmause, Er schwebt, getragen vom Champagner, Den Weg zu seinem Schatz nach Hause. Ich ziehe mich zurück, obwol der Bann Mir nicht so drückend mehr erscheint; Was doch ein Glas zu viel nicht machen kann! Noch eins, und wir sind abermals vereint. Birgt sich an einem Pfeiler. vorne links herein, von Wein erhitzt. Mir war so wohl, so warm und leicht Noch nicht, so lang' ich denke; wonnig beben Mir alle Pulse, ringsum reicht Entzückte Lippen mir das Leben; Ich möcht' an alle sinken, An allen trinken! Wo bin ich! und wo will ich hin? Bin ich am Wege nicht nach Hause? Nach Hause? – Wie? In meine finstre Klause? Wo ist mein Famulus? – Er fährt sich über die Stirne. Ja so! – Das war Genuß, Beginn nur des Genusses zwar, So selig aber ganz und gar! O König Franz, dein Wein, den ich genoß. Dicht am Bibliothekenschloß, Macht mich, wie ich noch nie gewesen, groß, Fast aller Erdenbande los! – Warum doch eilt' ich fort? Wohin doch wollt' ich nur? – Nach Hause? – Wie? Ha, ich besinne mich! Mein wartet sie – O wär' sie nur zu Hause nicht! Zu Hause! Elend Wort! Der Zauber bricht, Luftschlösser stürzen heulend ein, Die aufgebaut der Himmelswein, Es stellt der Sinne Wonnelied sich ein, Und durch die kalte, todte Pause Pfeift's mir ins Ohr: Nach Hause! – Wie? Faust, bist du ein Narr! Drum sprengtest alle Erdenketten du, Daß dich ein Weib beherrschen kann Und fesseln an des Hauses weiche Ruh!? Nach Hause? Brach mein Haus denn nicht zusammen, Verzehrten Alles nicht die Flammen? Was trieb dich in die Welt hinaus, Wenn nicht das Leben? Und du willst nach Haus? Was soll die Puppe für den Riesen? – Daß ich den Geist von mir gewiesen! Wo bist du?! – sich nähernd. Lösest du den Bann? lachend. Du armer Wicht! Nu, komme nur heran – zu seinen Füßen stürzend. Mein großer Meister! Du sollst mir dienen, sei's auch nur für heut. – sich erhebend. Ich weiß dir Lust, Herr, voll Unendlichkeit, S'ist Alles eingeleitet Und zum Entzücken für dich vorbereitet – Komm nur, du sollst mir danken – Doch meine Sinne wanken – So halte dich an mich – lächelnd. Hast Recht, ich stütze mich auf dich. Beide ab. 7. Scene Siebente Scene. Im Hause der Madame Dujour. Elegantes, hellerleuchtetes Gemach, durch einige Säulen vom anstoßenden Tanzsaale getrennt. Im Vordergrunde ein Spieltisch, an welchem reichgekleidete Domestiken Alles schnell ordnen. In der Tiefe des Saales buntes Maskengetriebe bei rauschender Musik, abwechselnd Tanz und Gelächter. Madame Dujour im Ballschmuck. Le Doigt und Appeau eilen aus dem Saale hervor. Lange weilt der Fremde, lange; Näher rückt schon Mitternacht, Wär' er nur schon hergebracht, Um das Hin ist mir nicht bange. Bald, ich hab's von unserm Freunde, Ist der deutsche Goldfisch da, Und er kommt, so wie er meinte, Ganz in Weines Gloria. Nun, ich will ihm an die Schuppe, Denken soll er an Paris, Und bereu'n, daß seine Suppe Er daheim kalt werden ließ! Alles ist geordnet schon, Kleine Mühe, großer Lohn. Nun, was sagt ihr, ist Adele Nicht des Festes schöne Seele? eiligst zu ihnen. Er kommt, er kommt, und ganz von Wein erhitzt, Gleich ist er da – Vortrefflich! Also Acht! Sein Freund, mit dem er seine Reisen macht, Will nicht, daß er zu Hause sich versitzt Mit einer Dame, die er heftig liebt; Zieht vor, daß er dem Spiele sich ergibt – Ist's möglich? lachend. Das ist mir ein Mentor doch, Lebt und läßt leben! Drum leb' er selber hoch –! Sieh da, sie kommen eben. 8. Scene Achte Scene. Faust und Mephistopheles Arm in Arm. mit den Herren sich höflichst verneigend. Monsieur, bien venu – in meinem Haus! sich von Mephistopheles losmachend, heiter erhitzt, betrachtet den Saal. Da sieht's ja zaubervoll liebreizend aus! Madame, den allerschönsten Gruß; Auch Tanz und Spiel? In welchem Glanz! Für schwache Menschensinne fast zu viel! Selbst Mummenschanz? Geht durch die Säulen. Den ich mir näher gleich beschauen muß. zu Mephistopheles. Je vous rends graces Sans gêne – für was? Faust folgend. Ich muß nur seh'n, sonst wär's gefehlt, Daß er die rechte Tänz'rin wählt. zu den Herren. Französisch – das ist meine Sprache; Sie haucht gefällig X hin für ein U! Man weine oder lache, Sie declamirt dazu. Hätt' ich ein Wort zu reden hier auf Erden, Die allgemeine Sprache müßt' sie werden. Man sieht Faust tanzen. O seht, wie er zu leben weiß! Schon dreht er sich im bunten Kreis Dahin mit dem holdesten Mädchen der Welt! Und wie er so feurig und männlich sie hält! Besorgt indessen Wein; Bald wird er müde sein, Champagner macht ihn wieder frisch; Karten und Würfel auf den Tisch. Man bringt Wein; – hier endet der Tanz, und bei leiser Musik drängen sich hinter den Säulen die Masken wieder. Er kommt zurück, Vergnügen malt Sein Antlitz, und das Auge strahlt! Madame Dujour im Arme hereinkommend. Was traf mein Blick? Was hielt mein Arm? Gibt's denn ein Glück, So voll und warm? Wer ist sie, sagt? Schaut Sonne hoch, Wie weit sie tagt, So Holdes noch? Und ich – ich soll sie näher kennen lernen? halblaut. Ja; doch ihr dürft euch nicht zu schnell entfernen. zurückblickend. Ich fort von hier, Hinweg von ihr? O nimmermehr! ihm ein volles Glas reichend. Die Hausfrau selbst kredenzt es euch, mein Herr! leert es rasch. Mehr dieses Saftes! O er birgt so viel! Und nun ein Spielchen vor dem größern Spiel! Er sinkt nachlässig vorne links in einen Armsessel am Tische; die Herren setzen sich ihm gegenüber; Madame Dujour neben ihm; Mephistopheles lehnt sich über ihren Stuhl. Was wünscht ihr, Würfel oder Karten? Zwar lieb' ich großes Spiel in allen Arten, Doch zieh' ich Würfel vor; Da fällt das Glück gleich einem Meteor. Spiel' glücklich nicht, obwol ich sagen darf, Daß ich so manchen großen Wurf schon warf. Des Spieles unberechnenbaren Launen Im Geist zu folgen, das ist mir Genuß; Wenn etwas, macht das Spiel mich staunen, Sein räthselhafter Genius; Was man Verlust sonst nennet und Gewinn, Achte kein Geld, hab' dafür keinen Sinn. Nun denn, die Würfel! ihm dem Becher reichend. Um was ihr wollt! zu Mephistopheles. Du hast doch Gold? leert vor ihm einen Sack. Ich bin verseh'n! trinkt und schnellt mehre Goldstücke hin auf den Tisch. So mag's gescheh'n! Er würfelt. Ei seht, die schöne Sieben! wirft. Fünf; – ihr seid Meister blieben – Faust Gold zuschiebend. Mit wenig viel gewinnen, nenn' ich Glück! Gold hinstoßend. Zehnfachen Satz! Gut; zieh mich nicht zurück. Er würfelt. Elf! – trinkt und wirft. Drüber sieht ein Auge noch – Zwölf! – Seltne Schicksalsgunst! So hoch! Doublirt nun auch den dritten Satz! alles Gold hinschiebend. Doubliren? – Dreimal höher! Platz! Er wirft. Drei! – Appeau ordnet das Gold; Alle sind gespannt. schüttelt und wirft. Vier! – Er schaufelt gierig ein. lacht und trinkt. Ja, ja, die Drei! – Nur keine Grillenfängerei! Es beginnt von neuem laute, rauschende Tanzmusik. Die Masken gehen aus dem Saale durch die Säulen hervor und dem Tische schief gegenüber seitwärts hinaus. Es sei genug für einen Augenblick, Wir messen uns wol später noch im Glück; Das Spiel mag ruh'n, Jetzt, seht doch, haben Aug' und Herz zu thun, Ihr holdes Ziel Ist Tanz nunmehr und loses Maskenspiel. Ihr kommt doch wieder in den Saal? Der Tanz beginnt von neuem Die schönen Menschen allzumal Wie Blumen auszustreuen! Schalk Amor liest sie auf, flicht leise Ein Seufzersträußlein hier, dort einen Kranz, Und selbst der Müde, selbst der Weise Zürnt ihm nicht ganz. Man sieht tanzen. Wenn's euch demnach gefällt? nach den Masken blickend. Was doch mein Aug' an diesen Masken hält! Sind's meine Sinne, die so trügend walten? Mir ist, als zögen aus dem Vaterlande, Dort Bilder, mir sonst theuere Gestalten, Hin an der Wand – Die Hausfrau sann das aus für dich galant, Nicht so, Madame Dujour? Pariser sind's, Pariserinnen nur, In deutsch-altmodischem Gewand! Faust stiert regungslos hin; den Zug der Masken schließen Faust's Vater und Wagner. Diese bleiben an den Säulen stehen, unverwandten Blickes nach Faust, der, mit einem Entsetzensschrei emporfahrend, von Mephistopheles gehalten wird. Mein Vater und mein Famulus! Die beiden Gestalten schweben leise vorüber. Du träumst, und Alles ist hier wach, O hänge doch nicht Gaukeleien nach! BIANCA'S GESTALT erscheint wie die erstern und verweilt. will sich mit Gewalt losreißen. Bianca! – Hier? Ist es der Hölle Schein, Wie, oder bricht der Himmel ein Und wirft zerstört die Engel in die Welt Der Sünde? Ja, sie ist's! hinweg von mir, Verführer, fort! Des Auges Schuppe fällt, Da klafft der Abgrund, Himmel ist nur hier! Ermanne dich; all' diese Bilder Sind Ausgeburten wilder Empfindung oder Phantasie, Du sahst nur eben derlei Masken nie! sich der Gestalt nähernd. Bianca, lebst du noch? Hat der gebrochne Schwur, Verletzte Treue, Verletzt dein Herz, gebrochen schon dein Herz, Und kommst du, mir zu zürnen nur? O rede doch! Sieh meinen Schmerz Und meine ausdruckslose Reue! Bianca! 9. Scene Neunte Scene. Er eilt auf sie zu, sie verschwindet hinter den Säulen unter den Tanzenden. Faust folgt ihr rasch; wie er an die Säulen kommt, tritt ihm Graf Robert, eine Larve vor dem Gesichte, scharf entgegen und stößt ihn zurück. Zurück! nach seinem Schwerte fassend. Wer wagt, zu hemmen meine Schritte? laut durcheinander. Ist gegen alle Maskensitte! für sich die Hände reibend. O Glück! Verwegener, soll dich mein Eisen In Zucht und Regel unterweisen? Du mich in Zucht? der, aller Sitte baar, Längst aller Tugend frecher Mörder war? Hier gruppiren sich Tänzer und alle Andern in einiger Entfernung um die Beiden und schreien wild durcheinander, während Mephistopheles vorn halb über die Achsel lächelnd zusieht. In unserm Hause? Unerhört! Wer ist's, der unsre Freude stört? wüthend. Narr oder Teufel, weiche, sag' ich, weiche! Er zieht. Zurück! Er wirft Larve und Mantel ab und reißt sein Schwert heraus; Faust prallt erschüttert zurück und verhüllt sich das Gesicht. Das fehlte noch! Dein Blick, – Erheb' ihn, Frevler, doch, – Sagt mir, daß du vernichtet! Doch ich will morden nicht, vertheid'ge dich, Der Himmel richtet, Dich trifft sein Rächerstrahl durch mich! Er dringt auf ihn ein. hat sich ermannt, stellt sich und fechtet. Flieh, meiner Klinge stehst du nicht, Und nur dich selber ziehst du vor Gericht. O haltet ein! O bringet sie zum Frieden! Noch bin ich nicht von aller Kraft geschieden, Hier! – parirt und dringt ein. Dir! O ewige Gerechtigkeit! Es ging ans Leben! – Er sinkt. Du hast den Tod beschworen – wird ohnmächtig. Ich bin verloren! Alle. Umringen Robert; Faust eilt hervor. Du hast dich ritterlich gehalten, Ihm ward verdienter Lohn; Doch könnte sich's noch anders hier gestalten, Darum auf und davon! Rett' ihn! er soll nicht sterben! Er stirbt! schreit hin. Er lebt! Er faßt Faust. Nun aber fort, hier wächst Verderben! Eilt mit Faust ab. Der Vorhang fällt. 4. Akt 1. Scene Erste Scene. Kloster St. Just bei Placencia in Estremadura. Kleiner Blumengarten, dicht am Gebäude, mit der Aussicht auf den Fluß Xerte und fernes Gebirge. Früher Morgen; aus der Klosterpforte kommen: Faust und Pater Anselmo. Wie ruhtet ihr in eurer armen Zelle, Mein edler Herr? Wie ich nicht hoffte, gut. Es ist mein Herz gestärkt, erfrischt mein Blut, Mein Geist schwebt leicht auf der verjüngten Welle. O holder Morgen, heil'ger Frühlingsathem, Hinwehend über alle – alle Saaten! Bin ich am Ziel', ehrwürd'ger Herr? Ihr seid's, Ihr steht im Gärtlein Kaiser Carol's, Herr; Er pflegt's mit Lieb' geraume Zeit bereits, Und er verläßt es auch, so scheint's nicht mehr. Ein Riesenbildniß der Vergänglichkeit! In einem kleinen aber schönen Rahmen: Der Weltbeherrscher Carl, vor dessen Namen Allein die Völker bebten seiner Zeit, Landpfleger jetzt von einer Spanne Raum, Aus freier Wahl dazu, – ich faß' es kaum! Ja wol; ein Mann, so mächtig, stolz und groß, Daß, seltsam klingt's, in seines Reiches Ring, Ihr wißt es ja, die Sonn' nicht unterging, Zufrieden jetzt mit eines Mönches Loos. Dies Blumengärtlein also sieht den Kaiser? Ja, stundenlang. Er pflegt der Pflanzen fein, Der Sprossen, die er setzt dem Boden ein, Besorgt für Alles ruhig wie ein Weiser. So schrankenlos sein erster Schmerz gewesen, Vielleicht in Sorg' um seine schönen Lande, Im schlichten Mönchsgewande Ist er der ird'schen Sorgen bald genesen; Er übertrug's, wie's Christen ziemt, dem Himmel Und ruht nun aus vom lauten Weltgetümmel. Doch ich ermüd' euch, da ihr's selber wißt – O sprechet weiter nur, es lauscht Mein Herz der Kunde, sprecht und tauscht Schmerz ein dafür, der es durchfließt! Werd' ich, darf ich den Kaiser seh'n? Auch sprechen, wenn ihr wollt, ja, edler Herr; Doch auf Minuten nur, versteht, nicht mehr. Seid ihr's zufrieden, mag's gescheh'n. Nehmt meinen wärmsten, besten Dank! Ihr danktet schon, denn eure reiche Spende Verpflichtet uns; das Gold, so viel und blank, Kam nicht in undankbare Hände. Wir werden beten oft und viel für euch. Wie aber nenn' ich euch dem Kaiser gleich? Ich bin ein deutscher Freiherr, heiße Walle . Genug. Da kommt der Kaiser; treten wir Fürs erst' in dieses Seitengärtlein hier, Daß nicht sogleich auf euch sein Auge falle. Auch redet wenig, denn er spricht nicht gern; Doch, was er sagt, hat Kern. 2. Scene Zweite Scene. Der Kaiser in weißem Talare, tritt aus der Pforte und bleibt, im Anblicke der Landschaft versunken, eine Weile stehen; dann geht er in sein Gärtchen und besieht sich dies und jenes Gewächs und ordnet Manches. So dacht' ich ihn! Erhabne Demuth, Die stille Größe seiner Haltung, In seinem Blick die fromme Wehmuth Bei allem Adel der Gestaltung; Was er gewesen einst der Welt, Das ist er jetzt für Gott – ein Held! Die Sabbathstille ringsumher, Der Sonnenschaum im Äthermeer, Der Blüten Duft, das frische Grün, Die Himmelsstrahlen drüber hin, Der kleinen Sänger Morgenlied, Das ganze süße Frühlingssein, Der Greis dort im Verklärungsschein – Ich weiß nicht, Gott! wie mir geschieht –! Ehrwürden, kommt, jetzt will ich hin, Mein ganzes Herz zieht mich an ihn. rückkehrend vom Kaiser, mit dem er gesprochen. Er hat es gütig aufgenommen Und heißet euch in Gott willkommen. geht ehrfurchtvollen aber festen Schrittes auf den Kaiser zu, der ihn unter einem blühenden Baume empfängt, läßt sich halb auf ein Knie nieder und bleibt, vom Kaiser aufgerichtet, neben Anselmo vor ihm stehen. Ihr reiset? Seit Jahren. Liebt ihr nicht euer Vaterland? Das Vaterland des Menschen ist die Welt. Die Ewigkeit. Kennt ihr ganz meine Zeit? Ich ward in ihr; sie ist an Thaten reich. Unthaten auch. Pause. Ihr liebt doch Blumen? Innigst; Die Blumen sind der Erde Wangenroth, Der Unschuld Zeichen wie der holden Scham. Sanct Just gefällt euch? Heil'ger Friede weht Durch mich in seinen Mauern. Bleibt noch morgen Und – wohnet meinem Leichenfeste bei. erstaunt und verwirrt. Wie? Großer Gott! – Ja, Gott allein ist groß, Und Demuth ziemt dem Sterblichen. Morgen? – Begehe ich mein eignes Leichenfest. Er winkt, Faust und Anselmo ziehen sich zurück. 3. Scene Dritte Scene. Unweit des Klosters; freie Uferstelle. tritt auf; an einer Cypresse sich lagernd. Was hält mich länger noch in diesem Thale? Darf ich denn theilen diese Himmelsruh? Ist denn geleert schon, Faust, die Höllenschale? Verwirkter Geist, was willst im Frieden du? Auch ohne ihn, von dem du losgewunden, Auch frei von dem beschwornen Lügengeist, Bleibst du verloren und an ihn gebunden, Wenn dich der Hund auch sichtbar nicht umkreist! So weit zwar bin ich, los bin ich der Lüge; O wär' ich nur auch so der Wahrheit los, Die eingrub meiner Stirn die Flammenzüge, Daß ich vom Leben nur das Gift genoß, Den Tod des Daseins nur und nie das Leben. Nie? nie? Bianca! Doch – Bianca's Bild Seh' ich vor mir wie einen Leitstern schweben In der Erinn'rung Nacht, die mich umhüllt! Und hab' ich Alles, ja mich selbst verloren, Bianca, das mit dir erblühte Glück War Glück – und war es teuflisch auch beschworen, Und nur mit Sehnsucht denk' ich dran zurück! Wo weilst du jetzt, o wem erglänzt die Wonne Nun deines Blickes, unvergeßlich Weib? Du flohst, verschwandst, mit dir sank meine Sonne, Und seelenlos treibt sich umher mein Leid. O könnt' ich dieses Flusses Wellen fragen, Tiefunten, wo du weilst! Bianca, du? Die Wellen würden mich zum Meere tragen, Bianca, dir nicht – nicht dem Himmel zu. unsichtbar. Mir also? Mir! Bin ich auch nicht bei dir! O schäme, Faust, dich solcher Schwäche, Da starrst du in des Flusses Spiegelfläche, Willst unten sein und oben, dort und hier. Heb' auf den Bann, Durch den du mich von dir geschieden, Genieße, was ich dir kann bieten; Komm, sei ein Mann; Denn sage selbst, was hilft's, daß du Von mir dich trenntest, wie von bösem Weibe, Wenn du mir zugethan mit Seel' und Leibe? Das ist fruchtlos und abgeschmackt dazu. Ich legte nie dir eine Falle; Mich rief aus tiefer Einsamkeit – Doch, du vergaßest wol der Zeit, Besinne dich, nur deine Galle, – Nachdem du Hab' und Gut verschwendet, Die Kunst und Wissenschaft in Staub getreten Und selbst von ihm, zu dem die Sünder beten, Dich frevelnd ab- und frech mir zugewendet. Was soll die Narrheit, mich von dir zu scheiden? That ich so ganz und gar denn nichts für dich? Der Teufel ist der Mann nicht, das zu leiden, Glaub', er entschädigt sich. – Was störst du, Gaukler, mich in der Betrachtung, Bin ich nicht dein? Wie, oder kränkt dich die Verachtung, Und hättest du mir Qualen nur gegeben? Ich fodere nichts weiter mehr fürs Leben, Und will zur Zeit mein Wort doch lösen ein. Du sollst mich achten, wie ich dich verachte, Du kupplerischer Wicht, Und zwäng' ich dich mir nochmal vors Gesicht, Wär's nur, daß ich ins Antlitz dich verlachte. Faust, zittere! Vor dir? Mit nichten. Nach unten magst du deine Drohung richten, Knecht – Wehe! Diene! Wehe! Wehe! Und wenn ich auch zu Grunde gehe, Dir hab' ich nie mich ganz und gar ergeben! Fort, Heuchler, fort, denn meine Pulse beben, Sonst stampf' ich dich in deinen tiefsten Schlund. Wehe! Wehe! Wehe! lehnt sich ermattet an die Cypresse. 4. Scene Vierte Scene. Rosa , ein Fischermädchen, mit dem Kinde Juanito . Sie kommt, ein Körbchen am Arme, singend. Die Nacht geht vorüber, Die Sonne geht auf, Und muß sie hinüber, Ziehn Sterne herauf. Der Sturmwind, der schnelle, Erschüttert den Kahn, Dann rieselt die Welle Beruhigt die Bahn. Dann schmeichelt mein Lieber Mich ins Schiffelein, Zur Insel hinüber, Zum Himmel hinein! Sie wollen vorbeigehen. Wohin, ihr lieben Kinder? Kommt zu mir! Gott sei mit euch; wir haben Eile! Juanito, grüß den Herrn dahier, Gib ihm das Händchen, so – springt auf. O weile, Lieb' Mägdlein, einen Augenblick! Er hebt den Knaben auf und küßt ihn. Juanito? Süßer Knabe! Glück dir, Glück! Wie alt bist du? Vier Jahre. Gott, wie wird Mir, da der Blick des Knaben mich berührt: Ich glaub' in meiner Kindheit mich zu seh'n, Ich seh' als Kind mich vor mir selber steh'n! Sag', Mädchen, ist's dein Brüderlein? Nein, nein; Es ist der Frau Benita einzig Kind. Und wer ist Frau Benita? O geschwind Sag Alles, denn der liebe blonde Knabe, – O, daß ich kein Geschenk doch für ihn habe! – Erregt so ganz mein Inn'res an, Daß ich so leicht ihn nicht entlassen kann. Wer bist du, Holde, und wie nennt man dich? halbsingend. Bin eine arme Fischerin Und Rosa heiße ich, Mir starben meine Ältern hin, Doch Gott versorgte mich. Er nimmt sich jeder Waise an, So dacht' er denn auch mein: Mir gab er einen Fischerkahn, Ein Netz und Fischchen drein. Und bist nun glücklich, jeder Sorge baar? Denn also stellest du dich dar. Ja, Herr, das bin ich, und daß ich es bin, Dank' ich, nächst Gott und meinem frischen Sinn, Der Frau Benita, der im weiten Thal So mancher Arme täglich dankt sein Mahl. Seht nur, in diesem Körbchen trage Zum frommen Eremiten ich im Wald Frisch Labsal, nur mit – Gottes Lohn! – bezahlt, Und alle Tage. das Kind liebkosend. Ist Frau Benita denn so reich? An Liebe für die ganze Welt, Mehr, glaub' ich, als an Geld; Sie spart sich Manches ab. Wer ist ihr Gatte? Ach, der ist im Grab! Die edle Frau ist Witwe seit zwei Jahren; So lang' auch lebt sie still hier in der Gegend, Mehr kann und wollte Niemand auch erfahren; Zu viele Achtung für die Gute hegend. Sie ist so gut! Seht ihr das Häuschen dort, Umfriedet vom Orangengarten? Das ist ihr Eigenthum. Nun aber muß ich fort, Der fromme Siedler wird mein warten. Noch eins. Ei, geht doch hin, o Herr; Ihr werdet's nicht bereuen, Man findet Holdres nirgend mehr, Es muß ein jedes Herz sich freuen. Doch, wenn ihr hingeht, Herr, so sagt Nicht, wenn sie nach Juanito fragt, Daß ich den Kleinen mitgenommen; Er hing so bittend sich an mich, Denn auf den Eremiten freut er sich; Auch werden wir bald wiederkommen. Sieh, liebe Rosa, nur Recht auf den Knaben, denn wie bald Verlöre sich des Kindes Spur Im Wald. – Ich will euch folgen, Kinder, ja? O thut das, und dann kommt ihr mit nach Haus? Geh mit, du Mann! Dein Händchen – schlägt ein. Da! für sich. O Gott! so selig war ich lange, Wie jetzt in diesen Wald hinaus, Auf keinem Gange –! Mit den Kindern ab. 5. Scene Fünfte Scene. Einsame Waldpartie. In der Tiefe rechts eine ärmliche Eremitage, vor welcher unter einem Baume ein Kreuz von Birkenzweigen; links im Grunde ein Fels, zu dessen Gipfel ein mit Steinen belegter Steig führt; zwischen dem Felsen und der Hütte freier Raum an einem Abgrunde. er ist in eine dunkle Kutte gehüllt, die ein Strick um die Lenden festhält, in Sandalen und baarhaupt. Bart und Haare hängen wild ins Gesicht, er sieht verstört und bleich, sein ganzes Wesen ist Zerrüttung. Noch im Leben, noch in Qual, Auf – ach, noch nicht in der Erde! Noch als Bettler hier im Thal Und der Wahnwitz dein Gefährte. Aber jener Wahnsinn nicht, Der als Ungewitter wettert Und im Abgrund sich zerschmettert, Ist ein Wurm blos, der da kriecht, Nur ins dunkle Herz sich wagt Und es allgemach zernagt. O wie feige, schlecht und elend! Tiefeste Gesunkenheit, Die da lieber lebt, sich quälend, Als sich losreißt von der Zeit – Von der Ewigkeit! aufgeschreckt. Hohn noch, Spott noch meinem Grimme? Pause. Sprach's nicht mit des Vaters Stimme, Sänftigend den Streit? Sag', was bangst Du, die Qual dir zu verkürzen, In die Ruhe dich zu stürzen, Die du doch verlangst? Ruhe wohnt im Abgrund nicht. Wohnet sie im Sonnenlicht? Dulde! Weh! wild um sich blickend. Stimme hier und Stimme dort, Bin ich nicht mehr ich? O fort, Trugerscheinung irrer Kraft! Will nicht wimmern, Auch nicht das Gefäß zertrümmern, Meines kranken Geistes Haft. Dulde? – Wohl, ein schönes Wort! Und es legt so schmeichelnd sich Stets an mich, Kindlich weisend nach dem Dort, Nach der Seelensonnenwende, Wo die Qualen geh'n zu Ende. Weh? – Ein Wort der Erdenzeit Weh – ist fortgesetzter Mord, Denkt an Hier nur, nicht an Dort, Weh ist mehr als Ewigkeit! Wäre Eins, nur Eines nicht! O Bianca! Bist du todt? Ach, mir sagt's kein Morgenlicht, Kündet es kein Abendroth! Fort! – Mit ihm? Grauenvollster der Gedanken! Wilder Grimm Geißelt meinen Geist, den kranken, Denk' ich den Gedanken aus! Wirft sich am Kreuze nieder. O nur ihn, nur ihn einmal, Gott, bring' in mein armes Haus, Führe einmal durch dies Thal! Übergib ihn meiner Rache! Ihn, den Schöpfer meiner Qual, Ihn, der mir Bianca stahl: Lock' ihn her zu meinem Dache; Meinem Dolche, der mir blieb, Ach! von Allem, was mir lieb, Meinem Dolch' ihn übergib. Herr, und eine Dornenkrone, Wie man flocht sie deinem Sohne, Press' zum Dank ich mir ins Haupt, Dankend, daß es – dich geglaubt! Pause; er bleibt in sich versunken am Kreuze knieend. 6. Scene Sechste Scene. Faust mit Juanito an der Hand und Rosa kommen vorne links herein und bleiben stehen. halblaut. Dort kniet der fromme Siedler, edler Herr, Mit abgewandtem Angesicht; Den tollen Robert heißt ihn das Gerücht. Krank mag er sein, wahnwitzig? nimmermehr! Zwar sieht er wild, Er ist ein wahres Schreckensbild; Sein Auge rollt und brennt oft lichterloh, Doch sieht nicht auch das Unglück so? Du sagtest, Robert nenn' er sich? O sprich, Kennt Frau Benita, sah sie jemals ihn? Nie, Herr! stets schickt sie mit dem Körbchen mich; Auch wagt er nie sich unter Menschen hin, Von ihrem Hohn bedroht, Ist stets in diesem Wald allein; Ich glaub', er wäre längst schon todt, Erbarmte sich nicht Frau Benita sein; Ich sag' es euch, der Mann ist fromm und arm, Und all sein Wahnwitz ist nur Harm. für sich. Eine dunkele Gewalt Hält mein Aug' an der Gestalt, Und ein Grauen faßt mich an Vor dem unbekannten Mann! sich von Faust losmachend. Gib mir das Körbchen! Da, nu trag' es hin – Küß ihm das Kleid und grüße freundlich ihn. geht mit dem Körbchen zu Robert und küßt ihn. Das schickt dir meine Mutter, frommer Mann. wendet sich heftig, springt beim Anblick des Knaben, der erschrocken zu Rosa zurückläuft, auf und starrt wie leblos nach Faust hin, der eben so entsetzt zurückbebt und nach Robert schaut. sich das Gesicht verhüllend. Graf Robert, ihr? In diesem Elend? – Gott! ermannt sich plötzlich und stürzt mit hochgeschwungenem Dolche auf Faust zu. Ich bin erhört; – Dies für der Hölle Spott! – mit ihm ringend. Ohnmächtiger, Unglücklicher, zurück! – BIANCA'S STIMME. Juanito! Rosa! Rosa! zurücktaumelnd. Ew'ge Macht! O tödtlicher Blitzstrahl hin durch die Nacht! Gott, welche Stimme!? Juanito an sich pressend; schreiend. Frau Benita! Hier! Hierher zu Hülf'! Juanito ist bei mir! 7. Scene Siebente Scene. Bianca stürzt herein; allgemeines Erstarren. erholt sich zuerst und sinkt ihr zu Füßen. Bianca!? hingerissen. Faust!? Die Kinder schmiegen sich an sie. im Wahnsinn. Der Himmel bricht ein! In die Hölle hinein, Doch nimmer allein! Er stürzt auf die Gruppe, ergreift Juanito und trägt ihn laufend den Felssteig hinab. während Faust entrüstet auffährt. O rette, rette, Faust, mein Kind, Juanito, unser Kind! auf dem Gipfel, den Knaben hoch emporhaltend. Geschwind! Geschwind! Der Tod ist schnell: Windet euch in euerm Glücke, Während ich den Wurm zerstücke! ihm nacheilend. O haltet ein! Zu Hülfe! durchsticht das Kind. Stirb! – Fluch euch! Hier und in aller Ewigkeit zugleich! Er stürzt sich mit dem Kinde hinab. oben angelangt. Weh! Verhüllt sich. zu Boden sinkend. Ach! neben ihr in die Knie stürzend. Gott! – Der Vorhang fällt. 5. Akt 1. Scene Erste Scene. Offene Galerie in Bianca's Hause. Faust. Pater Anselmo. Rosa. Sie hat in Gott vollendet. Die Seele hat sich schmerzlos still Der Heimat zugewendet. Verlaßt mich, frommer Vater, jetzt; ich will Mit beßrer Fassung euch besuchen bald. Ich ehre euern Schmerz; sucht im Gebet, Das, noch so einfach, nicht verloren geht, Schutz, Herr, bei jeder Leidenschaft Gewalt. Wir seh'n uns bei des Kaisers Leichenfeste Noch heute Nacht; ein seltsam Fest mag's werden, Ein seltnes jedenfalls, wie es das Beste, Des eignen Tods zu denken hier auf Erden. Ab. Rosa bleibt seitwärts weinend stehend. Durch des Baums zerstörte Krone Heult der Sturm; ein Wetterstrahl Noch vom ew'gen Rächerthrone, Und er schmettert hin zumal! – Wird es Tag nun, Faust, in dir? Wie die Nebel rings zerbeben! Was versprach die Hölle? – Leben?! Leben? Tod nur gab sie mir. – Armes Herz, du hast nicht Kraft, Mit der Freude zu verkehren, Froher warst du im Entbehren, Glücklicher in Kummerzähren, Freier in der Armuth Haft Als in dieser Leidenschaft! O du konntest selig sein, Doch allein nur, nur allein! Mit den Menschen kaum verbunden, Denen du sonst ferne standst, Hast du Schmerz so reich gefunden, Wie du arm ihn nimmer fandst; Und nun liegt im Zauberkreise Ringsum all dein schönes Glück; Todt, ach, todt! – Nach einer Pause zu Rosa. Du arme Waise! Riefst sie auch wol gern zurück? Sie sinkt schluchzend zu seinen Füßen. sie aufrichtend. Dein sei, Kind, Bianca's Habe, Dein auch sei ihr Engelsherz; Immortellen ihrem Grabe, Mädchen, pflanzt dein treuer Schmerz! Nähr' ihn redlich: Schmerz ist Glück, Schutzwehr gegen Misgeschick, Denn dies sucht – so will's Natur – Wie durch Blumen schleicht die Schlange, Nur des Frohsinns Rosenwange, Stets den Unbesorgten nur. Geh in Frieden! Rosa küßt stumm seine Hand und entfernt sich. sich verhüllend. Alles todt! O mein Gott! – 2. Scene Zweite Scene. erscheint als Schatten zwischen den Säulen. Faust! – aufgeschreckt. Ha, du wagst es, deinen Bann zu brechen? Die ihn verlangt, ist todt; ich will dich sprechen, Denn retten will ich vor dir selber dich; Dein Lebensgeist in neuen Flammen Erheb' zu neuem, herrlichen Genusse sich: Des Schmerzes Feste stürzt zusammen, Und in phantastisch holder Hast Wird die Ruine dir zum Lustpalast! Wir sind geschieden –! Mit nichten! Wir sind nicht zu trennen mehr. Hienieden! Das Jenseits also kümmert dich nicht sehr? Kamst du, dein elend Werk dir zu beschauen, Die blitzgetroffne Eiche zu verhöhnen? Nun willst mein Glück aus Trümmern du erbauen, Um es aufs neu zertrümmern mir zu können? Wie, sage, lohntest du mir mein Vertrauen, Der du mir Leben heuchelnd zugesprochen? Sieh, Lügner, mich umstarrt von Todesgrauen, Mich selbst zersplittert, meine Kraft gebrochen, Am offnen, frischgewühlten Grabe Von aller, aller meiner Herzenshabe! Und dennoch wagst du, wieder mich zu seh'n? Kannst du mir Rede steh'n? Schwelgerischen Vollgenuß, Ewig grüne Freude, Heißersehnt geschenkten Kuß, Immer frische Herzensweide! – Wie? Lautete nicht also deine Lüge? Antworte mir! Verzerre nur zu neuem Trug die Züge, Ich fodre Rechenschaft von dir. Kennst du den Pact? Leben um Leben! Dir schuld' ich keins, du hast mir keins gegeben. Darüber ließe sich so Manches sagen! Zum Beispiel, daß ich für den Tod nicht kann. Was hattest du mit Treue dich zu plagen, Von Treu stand nichts in meinem Lebensplan! Ist dir ein Liebchen hingestorben, Ich hätte hundert andre dir geworben; Starb eurer Liebe süße Sündenfrucht, Die Früchte wachsen überall; Sank deinerwegen Robert hin verflucht, Zu deinem Frommen war sein Fall. Was also mehr? Nichts weiter mehr, du Hund; Kehr' heim in deiner Heimat gift'gen Schlund! Wir haben fortan weiter nichts gemein, Du bist nicht mein mehr, ich bin nicht mehr dein! Wozu, Herr Doctor, nur die vielen Worte! Ihr seid ein gar zu heft'ger Mann; Gefiel euch nicht die erste Lebenssorte; – Ich kann mit andern dienen; sprecht: Wohlan! Und ihr sollt seh'n, was unser Einer kann. vor sich hin. Das also ist der Hölle Leben! Der Erde Leben welkt nicht schneller hin; Du bautest mir ein Glück bei Erdebeben, Der Boden brach, deß Herr ich worden bin. Ein weites Grab klafft vor mir aufgerissen, Darinnen liegt mein Können und mein Wissen, Sie winken mir zu sich hinab, Zu ruh'n in ihrem kaum verglühten Schutt; Des Kinds zerschmettert Häuptlein ist mein Kissen, Voll Rosen noch von Blut; Bianca's gramgebrochnes Herz dabei, Robert, zerstückt durch mich in Raserei! Soweit der Mond auch geht in seinem Lauf, Ging über keinem solchen Grab noch auf; Es sank noch keines Morgenrothes Schein In eine gleiche Gruft hinein! – Bezähme männlich deine Qual, Faust, und versuch' es noch einmal! wüthend. Du hier noch, Ungeheuer, Giftmischer aller Menschheit, Höllenfreier, Auswurf des Himmels! du noch hier? in drohender Stellung. Ich weiche nicht von dir; – Bist mein! im höchsten Zorne. Und wär' es so, und wär' ich einstens dein, Jetzt, Knecht, fürcht' noch den Herrn in mir – will ihn erfassen. Ich soll dir weichen? – Und wenn nicht mir, – doch – diesem Zeichen! Er schlägt ein Kreuz; Mephistopheles versinkt unter lautem unterirdischen Angstgeheule. Blitze schlagen über ihm aus dem Boden und der Donner rollt. sinkt in die Knie und betet stumm mit hocherhobenen Händen; es schallt Glockengeläute aus der Ferne. kommt zurück. Man sandte aus dem Kloster, Herr, nach euch, Hört ihr die Glocken schallen? Zum Todesamt des Kaisers rufen sie; Erleuchtet festlich sind bereits die Hallen; Herübertönt der Orgel Melodie, Pater Anselmo wünscht, ihr kommt sogleich. Es wird allmälig dunkel. der sich bei Rosa's Eintritt erhoben. Dank, Rosa, Dank! Bleib' bei der theuern Leiche, Schließ im Gebet mich deiner Thränen ein, Indeß ich in dem friedlichen Bereiche Des Klosters Zeuge will des Festes sein. Nacht bricht herein, ich habe nicht zu weilen; Vorüber ist der unheilvolle Tag, Was nun auch kommen mag, Unvorbereitet wird mich nichts ereilen! Die Hand auf ihr Haupt legend. Der Himmel sei mit dir, Er ist dir nah, bleibst du ihm zugewandt! Leb' wohl! Bald scheide ich von hier, Denn mich verlangt es in mein Vaterland. Beide ab. Hier endet das Geläute. 3. Scene Dritte Scene. Das Innere der Klosterkirche Sanct Just. Nur von der ewigen Lampe erhellt. tritt auf. Was liegt im engen Stundenkreise Oft eines einz'gen Tages nicht! Daß selbst der gottergebne Weise Wegbeugt entsetzt sein Angesicht; Was sah ich nicht am heut'gen Tage! Kaum, daß ich's rückzudenken wage: Wahnsinn, Selbstmord und Mord, Sündhaft geheimen Bund der Herzen, Das eine todt, vom Gram durchbohrt, Und einen Mann, deß dunkles Wort Auf Tage deutet, reich an Schmerzen, Reich an Verbrechen auch vielleicht! Und Alles dies in wenig Stunden! Wer sollte lieben da ein Leben, Wenn solches Leiden es beschleicht, Wenn solche Qualen es durchbeben? Wie selig, wer an Einsamkeit Am Lebensmorgen schon gefunden, Das ganze Glück der Lebenszeit! tritt ein. Schmerz sucht den Schmerz; so seht ihr mich Denn hier auf euer frommes Wort, Doch morgen, Vater, pilgre ich Mit meiner Last von Leiden fort. Vielleicht, daß dieses hohe Fest Euch Seelenruhe finden läßt. So ist's denn wahr, was ich für Worte Des Wahnsinns hielt, der Kaiser schließt Sich selber auf des Todes Pforte? So grau'nvoll der Gedank' auch ist, In seinen eignen Sarg zu schauen, Er will's; er will im Todtenamt, Im eignen, seinen Geist erbauen; Es wird sogleich; gut, daß ihr kamt. O seltsam Schauspiel, Bild voll Trauer! Wie stimmt es mir das Herz so bang; Es überfloß kein gleicher Schauer Mich sonst bei Sonnenuntergang: Er war die Sonne meiner Zeit, Sie sinkt nach einem heißen Tage Verklärt ins Meer der Ewigkeit. Es ehrt euch diese tiefe Klage. Wer strebt noch nach des Ruhmes Kranze, Wenn solcher Weltbau so zerstäubt, Wenn selbst von solchem Kronenglanze Nichts als ein Lampenschimmer bleibt? Wer blickt ins Auge noch dem Leben Mit Liebe, wenn selbst solch ein Herz, Purpur bedeckt und Stahl umgeben, Zernagt der Wurm, der Lebensschmerz? Was sollen wir dann, wir, die Kleinen Die unbekannt durchs Leben geh'n, Wenn Macht die Ohnmacht lehret weinen, Wer will, wo Riesen fallen, steh'n? O das ist bitterste Erfahrung, Voll Lehre von Vergänglichkeit, Des ew'gen Todes Offenbarung, Das ist Zerstörung ohne Streit; Ich seh' das andern Blickes an: Der Tag verbleicht, der blüht heran; Doch über alle Tage strahlt Des Himmels milde Allgewalt Mit unversiegtem Sonnenschein Ins ewig junge Herz hinein. So tröstet mich Religion; Das ist des Christen stiller Ruhm: Geht alle Herrlichkeit davon, Eins bleibt, – das Evangelium! Posaunen. Nun tretet an die Säulen, Herr; Der Zug beginnt, der Kaiser naht. Ab. Er wandelt schönen Traumes Pfad Und kehrt zur Wirklichkeit nicht mehr. Er stellt sich vorne an eine Säule. 4. Scene Vierte Scene. Posaunen nähern sich. Sechs Mönche mit langen Wachslichtern eröffnen den Zug. Nach ihnen vier mit Posaunen; hierauf sechs Mönche mit dem Sarge, hinter diesem der Kaiser in langem weißen Talare, ein Kruzifix mit beiden Händen an die Brust drückend. Ihm folgen die ältesten Mönche, an deren Seite jüngere mit Fackeln. Den Zug schließen des Kaisers Diener in reicher Kleidung. Sie schreiten unter nachfolgendem Gesang, begleitet von Posaunen, feierlich einher und stellen sich so, daß der Sarg der Länge nach zu stehen kommt, der Kaiser am Fuße desselben, mit dem Antlitze gegen die Zuschauer, bei der nothwendigen Annahme, daß der Hochaltar vorne außerhalb der Bühne sei; um ihn reihen sich symmetrisch alle Mönche. Mortis semper esto memor, Vita mortis incrementum; Omnis autem fugit tremor Per aeternum sacramentum. mit erhobener Stimme, von den Posaunen recitativartig begleitet. Ich dachte deiner, Befreiender Tod! Im Brausen der Schlacht Wie im Abendroth, Wenn in reiner, Süßer Maienluft Die Seele über Blüten schwebte, Alles Todte belebte. Jeder meiner Erdentage War mir leises Verwehen Und Vergehen Oft in Klage; Die Säulen des Ruhms, An den Marken meines Eigenthums, Den weltgetrennten, meergeschiednen, Grüßten mich nur, Den nie Zufriednen, Als Leichensteine der Menschennatur. Sie stehen noch und prunken Mit der Macht, die gesunken; Ich streifte die Krone vom Scheitel: Alles ist eitel! wie anfangs. wie vorher. Wiege des Lebens, Grab. Zieh den Müden hinab: Den letzten Traum zu träumen, Dann ohne Säumen, Auch diesem entrafft, Neu zu versuchen die neue Kraft, Ewig zu leben, Endlos! Ich streifte die Krone vom Scheitel, Alles ist eitel – Saaten nur, in Gott gesä't, Wuchern bis die Welt vergeht! Der Kaiser und alle Übrigen knien nieder und beten stumm, unter feierlichem Glockenschalle; dann erheben sich die Mönche und ziehen, den ersten Chorgesang wieder anstimmend, langsam hinaus. Faust folgt ihnen erschüttert, den Blick nach dem Kaiser, der knieend, das Antlitz auf den Sarg gelehnt, zurückbleibt. 5. Scene Fünfte Scene. Schmaler Weg vor einer Kirchhofsmauer, deren Gitterthor an den Seiten angebracht ist, und über welche mehre Kreuze und Momente bezeichnend hervorragen, vom Mondlicht erhellt. als Schatten flüchtig herein. Noch einmal warf ich mich mit ganzer Kraft Dem stolzen Faust entgegen, Dem kühnsten aller Erdengeister. Zürn', Hölle! nicht, daß er sich mir entrafft Für einen Augenblick; ich bring' ihn dir, Noch heute bin ich seiner Seele Meister. Schon wühlt in ihr des Grames Leidenschaft, Und ein Entschluß durchzuckt sie wild verwegen, Der übergibt sie mir. Ich riß sein ganzes Glück ihm nieder; Dem jüngst an Kraft so überreichen Mann Hab' ich vernichtet allen Lebensmuth; In seinem armen Städtlein ist er wieder, Wo er begann, wie er begann! Daß er im Kreise um sich selbst gegangen, Drob packt ihn der Verzweiflung Schwindel an, Zum Herzen rückwärts strömt sein Blut Und Sehnsucht nach dem Tod bleicht seine Wangen, Sie wird die morsche Brust ihm brechen, Wenn frommer Wehmuth Wahnwitz ihn beschleicht: Sein Herz soll mich an seinem Kopfe rächen! – Die Stätte seiner Schmach hat er erreicht, Will er ans Tageslicht sich wagen, Muß ihn der Bürger Hohn zu Boden schlagen. Todt fand er seinen Vater, todt sein Haus, Todt die Bewundrung seiner, todt Ist all sein Hoffen, um ihn lebt nur Spott, Den er nicht tragen kann, mit ihm ist's aus! Und wie er jetzt schon einem Bettler gleicht, Versteckt im Hause seines Famulus, Der halb ihm seine karge Nahrung reicht, Da er im tiefen Lebensüberdruß All seine Zauberkraft belegt mit Fluch, Vernichtet Alles hat, sogar sein Buch, Lossagend sich von meinen Mitteln allen: So soll der Faust, – ich schwör' es, Satan, dir Beim finstersten Geheimniß! – heut noch fallen; Schon jauchzt die Hölle, fallen soll er mir! Verschwindet. 6. Scene Sechste Scene. Das Gitterthor öffnet sich; mehre Männer und Knaben in schwarzen Mänteln mit Fackeln gehen heraus und über die Bühne ab. Zuletzt kommen: Nase, Murrner und Zwitsch von der Seite herein. Faust in einfacher schwarzer Tracht; gestützt auf Wagner, dem Kern folgt. auf Faust weisend. Das ist das End' vom Lied' Hochmuth kommt vor dem Falle. Kommt, laßt uns fort, mich überläuft die Galle; Er schändet unser Stadtgebiet! Ich will es auch nicht länger leiden, Noch morgen soll er's meiden! vortretend. Ihr Schurken, Ehrfurcht vor dem Schmerz! FAUST ihn zurückhaltend O lasse sie gewähren! Dem Vater brach er's Herz, Nun kommt er noch zu schmähen ihn durch Zähren! O habt doch Schonung – wie sie Menschen haben! Ihr wetterwend'schen Hundeseelen! Raben! Ich denk' euch morgen zu begegnen Und euern Witz euch blutig zu gesegnen –! Wir sollen seiner schonen? Hat er seiner Denn selbst geschont? Sich selbst bewein' er Und fliehe, denn es duldet hier ihn Keiner Von uns! Ein Schlangensumpf ist reiner Als seine Seele, die des Teufels ist! Ab. Er suche morgen bald das Weite, Ihr könnt ihm geben das Geleite! Mit Zwitsch lachend ab. von Faust zurückgehalten. O laßt mich ihnen nach, In ihrem Blut zu waschen ab die Schmach! – Beruhigt euch. Die Schmach ist Balsam mir. – Ihr wart bei meines Vaters Ende? Wie war sein Tod? So wie sein Leben, Ganz gottergeben; So schwindet sanft das letzte Abendroth. Er hob verscheidend himmelwärts die Hände, Und der Gedanken letzter waret ihr, Er gab euch scheidend seinen frommen Segen. Dank. – Führe, Wagner, mich zu seinem Grabe. Kommt, Meister. Er führt ihn durchs Thor. allein. Ströme, Thränenregen Von einer Welt, als milde Himmelslabe Auf solches Unglück hin! – Er bricht zusammen, Des Wissens einst so mächt'ger Sohn; Die Ceder lodert auf dem Libanon Hoch von der Tiefe kühn beschwornen Flammen! Sie reichte ihm für eines Tempels Bau Empor in Gottes reinstes Himmelsblau, Jetzt gibt sie kaum sechs Bretlein ab, Zu sargen ein, was Ewigkeit ihm gab! Die Geisterwelt war ihm erschlossen, Drum schloß sich ihm die Welt der Menschen zu; Den Sturm der Phantasie hat er genossen, Doch nicht des Lebens Glück und Ruh. Das Leben ist kein Reich blos der Gedanken; Dies hat er nicht bedacht, Daß uns das Herz, Empfindung setzte Schranken, Er kannte noch nicht des Gefühles Macht. O Schmerzensbeitrag, Faust, der Weltgeschichte, Die ganze Menschheit spiegelt sich in dir! In Dämm'rung wandeln wir, Das schwache Auge bildend einst'gem Lichte. Ab. 7. Scene Siebente Scene. Das Innere der Ruine von Faust's Hause. Dachloses halbverfallenes schwarzes Gemach mit zum Theil erhaltenen Bogenfenstern, rings Schutt und Trümmer. Über der eingebrochenen Mauer des Hintergrunds erhebt sich der Vollmond, der das Ganze magisch beleuchtet. kommt mit entblößtem Haupte aus der Tiefe; gleich nach ihm Wagner, der am Eingange stehen bleibt. Nur leise, Faust, beschreite diese Schwelle, Daß nicht erwache die Vergangenheit. O holdes Grabmal mein, vom Mond so helle Mit hundert frommen Lilien bestreut! Da schlummert sie in sichrer, schwarzer Wiege, Faust, schreite leise! deine Jugendzeit; Verklärtes Lächeln schwebt um ihre Züge Mit zarten Spuren von Vergänglichkeit. Ich will zu dir mich legen und entschlafen! Doch! – ruht denn hier auch meine Jugend? Nein! Das ist ja keine Wiege. S'ist der Hafen, Da lief ich aus, da lauf' ich wieder ein! O ich besinne mich! Und in den Tagen, Den wenigen, da ich das Meer befuhr, Ward er verbrannt vom Blitze und zerschlagen. Sein ganzer Schutzbau ist Ruine nur. Die Wellen rauschen jammernd durchs Gemäuer, Sie schleudern Glück, versunknes, ringsum aus, Und Leichen, für der Tiefe Ungeheuer Und für Hyänenzahn ein sichrer Schmaus! Ja, ja, so ist's! Vom Himmelsleuchtthurm blicken Zur Warnung allen Schiffern, Strahlen dort, Hier sei die Stelle, wo die Schiffe sinken, Und für das Elend nur sei hier ein Port. Eine Phiole ziehend. Du, Lootse, führe mich zum Jenseitsstrande Rasch, auf gedankenschnellem Kahn! Hin zu der Wahrheit unentdecktem Lande, Sei's zur Vernichtung auch, wohlan! tritt auf. Kommt, theurer Herr, mir graut an diesem Orte, Der Böse fußt noch inner seiner Pforte; Kommt, Meister, folget mir hinaus, Hier wohnt der Hölle Graus. Ich kann mich des Entsetzens nicht entschlagen; Das ist kein Ort für euch, Es ist des Lügengeists Bereich; Für euch nur sorgend mocht' ich her mich wagen! Kommt in mein armes, aber sichres Haus: Ich dank' es Gott und redlichem Bemüh'n, Beginnt von neuem, zieht auf Gutes aus. Wer weiß, wo euch das Glück noch kann erblüh'n. Ich berg' indessen euch in eine Kammer Und trag' den Zoll euch meines Dankes ab; Ihr sollt euch selber wiederfinden und den Jammer Verwinden, den euch Gott zur Sühne gab. Kommt, Herr, o macht mir diese Freude, Bei mir, bis bess're Zeit, zu weilen, Mein Stückchen Brot mit mir zu theilen Und zu genesen bald von jedem Leide! Vergaßest du, wem ich mich gab zu eigen? O könnt' ich, guter Meister, es vergessen, Wem ihr euch hingegeben jüngst vermessen! Laßt uns davon jetzt schweigen; Es gilt in diesem Augenblick, Des Schicksals Rad auf andern Pfad zu lenken. Ihr lehrtet mich, wie man beherrscht das Glück, So mag man sich beherrscht vom Glücke denken; Und wart ihr euers Misgeschickes Schmied, Beschwort ihr auch den bösesten der Geister, Herr, glaubt, ein gottergebenes Gemüth Wird endlich selbst der Hölle Meister. Ja; und ich kann nicht glauben, Daß, was in holdem Sonnenlicht geboren, Die Finsterniß so gänzlich könne rauben, Daß es für ewig sei verloren! ihm an die Brust sinkend. O Gott! ihn umschlingend. Mein Geist ist schwach nur gegen euern, Doch keines Menschen Herzen weicht mein Herz, Drum laßt mich herzlich euch betheuern, Ich theile euern Schmerz; Nur blickt mein Auge noch zum Himmel offen, Noch hab' ich nicht verlernt zu hoffen, Wißt ihr, warum? – weil ich noch glauben kann! Das ist der Bann, Der aus mich schließt von deinem Frieden! O kommt mit mir, o folget schnell, Die Himmelslampe leuchtet hell, Sie zeigt uns des Vertrauens Pfad hienieden. in vollem Schmerze. Du reinste, theuerste der Seelen, O wie beschämst du mich! Ich kanns dir nicht verhehlen, Noch schlägt in mir ein Herz, noch fühl' ich Leben, Noch macht in mir die Menschheit geltend sich; So lange noch des Daseins Saiten beben, Ertönt das Lied der Sehnsucht ewiglich. O Wagner, könnt' ich ungeschehen machen, Was, ach! durch mich gescheh'n! Zu spät, du siehst mich an der Hölle Rachen Ein angebanntes Opfer steh'n: Ein Athemzug von ihr, ich bin nicht mehr! Warum noch kam ich in mein Haus? Blick' um dich her: Erkennst du noch die Stelle da? Hier stand mein Arbeitstisch, du warst mir nah, Und hörtest lernbegierig auf mein Wort, Mein Fernrohr stand an jenem Fenster dort, Wodurch ich in den Himmel sah, Zu zählen und zu messen in der Ferne Die ewig unveränderlichen Sterne! Hier war mein Bücherschrank, Mein Apparat, Die Werke rings, aus denen früh und spat In meinem Wissensdurst ich trank! Und Alles hin nun, Alles, Alles! In Schutt und Trümmern all mein Eigenthum, Ringsum Nichts als ein Schreckensdenkstein meines Falles! Ein Haus und keine Seele drin, Kein Gott darin, und Alles hin! Die ganze Lebensseligkeit, Die ganze Hoffnung meiner Jugend, Mein Geist, mein Herz und meine Tugend In alle Winde hin zerstreut Und ich am Rande der Verworfenheit! O Jammer, nicht in Worten zu erfassen, O unaussprechliche Zerstörung! Weh! – Ihr letzten Thränen, die man mir gelassen, Strömt hin! Natur, die ewige, Will den Tribut, der lange vorenthalten; O, daß mit euch mein Leben strömte hin! Ihr rastlos thätigen Gewalten, Sagt mir durch Thränen, daß ein Mensch ich bin. Ich lern' es jetzt im letzten Augenblicke, Er ist mir Strafe für mein ganzes Sein, Indem ich dich zerstücke O Leben, bin ich dein! – Gebt euch nicht so dem Grame hin, Ihr seid ja noch nicht ganz und gar verlassen, Traut mir, ob ich gleich selber hülflos bin, Und suchet euch zu fassen. Was kann der Mensch nicht, Herr, wenn er besonnen Berechnet seine Kraft; Aus euch spricht jetzt des Schmerzes Leidenschaft! Gewinnt nur Zeit, und Alles ist gewonnen. im Wahnsinn. Hast Recht, ich will vertrauen mich der Zeit, Der lachenden Tochter der Ewigkeit, Ich will an die Brust ihr sinken, Mich schmücken mit den Schlangen ihres Haars, Will ihren süßen Zauberathem trinken, Auf den Fittigen des Aars, Der in das Meer des Sonnenlichtes taucht, Von Himmelslüften umhaucht! Ich habe ja selbst das Mittel erfunden, In seligen Stunden Gelehrter Abgeschiedenheit. Denkst du noch ihrer, Freund? Ich will sie nützen zur Zeit! So lange der volle Mond noch scheint, Die Studirlampe der Welt, Deren Öl nicht versiegt! Die des Tigers Schlucht erhellt, Wie's Nestlein, wo sich die Schwalbe wiegt. Geh, mein Sohn, zur Ruhe; bald Folg' ich dir nach in die bestimmte Kammer, In der, wie du gesagt, der Hölle Gewalt Soll weichen von mir und aller Erdenjammer. O nimmermehr Verlass' ich euch in dieser Stimmung, Herr! Sah eines Bettlers Bild, an dessen Grabe Sein Hund vor Gram zu Tode sich geheult; Seit ich das Bild gesehen habe, Hat keine Todesangst mich mehr ereilt. Mein Hund, du kennst ihn ja? Als letzter Freund bleibt meinem Grabe nah, Wenn auch aus Gram nicht eben. ängstlich umblickend. O Meister, meine Glieder beben Mir vor Entsetzen, laßt uns fort Aus diesem Schreckensort Ins traulich angewohnte Leben! Geh nur voraus, ich folge dir von ferne, Der schöne Mond leiht mir sein Licht, Und geht er unter, glänzen andre Sterne; Den Weg verfehlen kann ich nicht. Ihr wollt es? Nun, so geh' ich denn voran, Ihr folgt doch also gleich? rasch die Phiole leerend. Sogleich! Er wankt und bricht zusammen. auf ihn zu. O ew'ge Macht! Starker Wetterschlag, der Sturmwind heult. Willkommen, Nacht – Ach, Hülfe, Hülfe! O mein theurer Herr! Das Leben nur – das Sterben ist nicht schwer. Er stirbt. Ihr sterbt – Gott sei mit euch! Eilt ab. Ein Blitzstrahl fährt neben Faust in den Boden. Posaunenstoß. Ein Schatten schießt aus dem Hintergrunde auf die Leiche hervor; in diesem Augenblicke erhebt sich am Haupte die leuchtende Gestalt Juanito's, einen Palmzweig ausstreckend. Orgeltöne erschallen fernher, der Schatten versinkt.