Graf Lauzun Ein edler Mann aus Frankenland, Lauzun war er genannt, Der einst den Lohn der Tapferkeit, Verfolgt von Fürstengunst und Neid, Im tiefen Kerker fand, Lag nun darin, mit seinem Gram Sich nährend, wie im Grab; Nur kärglich ließ ein Fensterlein: Der lieben Sonne milden Schein Mittags zu ihm hinab. Der tiefstn Todtenstille Grau'n Vermehrte seine Noth: Es schien ihm, hätten manche Nacht Nicht Uhu's schaudern ihn gemacht, Die ganze Schöpfung todt- Kein sanfter Freundeszuspruch hob Sein leidend Herz empor, Nur seiner Ketten wild Geklirr, Und Knarren seiner Kerkerthür Drang täglich in sein Ohr. Des Kerkerwärters Tiegerblick Und Henkermiene gab Des Armen mitleidfleh'ndem Blick Nur Trotz und kalten Spott zurück, Und schlug ihm alles ab. Er fleht um Feder und Papier, Damit er schreiben könnt'; Umsonst. Es wurde nicht einmal Sich seiner Jammertage Zahl Zu merken ihm vergönnt. Es drückte langer Weile Last Schwer, wie der Alp, sein Herz: Die Geist- und Herzenshungersnoth. Viel ärger oft, als selbst der Tod, War nun sein größter Schmerz. Einst, als ihm die Verlassenheit Tief in die Seele ging, Er auf von seinem Lager sprang, Und in des Herzens Ueberdrang Die Kerkerwand umfing, Da nahm er eine Spinne tief In einer Ecke wahr, Das erste Thierchen, das so nah' Er leben und sich regen sah Seit manchem, langen Jahr. Er freute dieses Thierchens sich In seiner Einsamkeit; Er kannte Menschen, liebte sie; Doch hatten Freunde selber nie So sehr sein Herz erfreut. Oft sah er ihrer Arbeit zu Wohl ganze Stunden lang, Wie sie behend und fleissig an Dem feinen Wundernetzchen spann Zum schlauen Mückenfang. Bald wie die kleine Lauscherin In ihrem Häuschen, klug, Auf Mückchen lau'rte, wenn ein's kam, Herausfuhr, blitzgeschwind es nahm, Und in ihr Hellchen trug; Bald wie sie sich zum Zeitvertreib Von Fäden, fein wie Haar, Ein luftig schwebend Scheiblein spann, In dessen Mittelpunkte dann Ihr keiner Lustsitz war. Er sprach mit ihr, als hätte sie Für seine Worte Sinn: So oft sie neue Arbeit spann, Besah er sie, und lobte dann Die kleine Weberin. Besorgt für ihren Unterhalt Der gute Mann auch war; Denn schlüpft' ein Mückchen in sein Grab Oft auf der Sonne Strahl hinab, Bracht' er's zur Speis' ihr dar. Vertraut und heimlich hatte sie Ein Fädchen sich gespannt, Bis hin, wo ihr Ernährer lag, D'rauf hollte sie sich jeden Tag Die Speis' aus seiner Hand. So lebt' er nun in Freude, die Der Spinne Fleiß ihm bot; Sein Trost, sein Zeitvertreib, sein Freund, Sein Alles war in ihr vereint, Und er vergaß der Noth. Den Kerkermeister wunderte Des Grafen froher Sinn, Er sah den Jammerblick nicht mehr, D'rob sann er oft wohl hin und her, Es wurmt' und ärgert' ihn. Und als ihm einst das Schlüsselloch Des Grafen Lust verrieth, Da dachte sich der Schadenfroh: Vergnügt dies Fratzenspiel dich so? Ha, bald ist's aus damit! Und nun trat er hinein zu ihm Mit halb verbiß'nem Spott: Sieh, rief er, eine Spinne da, Und trat, eh' sich's der Graf versah, Das arme Thierchen todt. Wie Dolchstich fuhr die Mörderthat Dem Grafen tief in's Herz, Er sah mit schmerzbetäubtem Sinn Auf das zertret'ne Thierchen hin, Und rang mit wildem Schmerz. Wie wüthend fuhr mit Rachbegier Er auf den Mörder hin; Allein die Kette, die ihn band, War stärker, als die schwache Hand, Und zog auf's Lager ihn. Der Mörder ging, gesättigt war Von Teufelslust sein Herz: Sein Hohngelächter schallte noch Hinein zu ihm durch's Schlüsselloch, Und schärfte seinen Schmerz. Mein Glück, mein Alles, rief er, war's, Was hier dein Fuß zertrat! Zwar linderte die Zeit sein Weh; Doch wer es hörte, schauderte Zurück vor dieser That.