Vom Menschen (Herrn Harry Grafen Kessler zugeeignet.) Zwei Menschen fanden sich Im dichten Garten des Lebens, Wie sich zwei Blätter im Wirbelwinde finden; Und sie zeugten mich. Dann haben sie mich gehütet und genährt, Gehalten und geführt, Bis ich stark ward, allein zu gehen In den großen, dichten Garten. Ich bin aufs geradewohl gegangen, Dahin, dorthin, Hatte kein Ziel. Irgend ein Ding in mir Trieb mich, Bald sachte drängend wie aus dunklen Tiefen, Bald mit Stößen, die waren, Als ob sie aus grellen Hellen kämen. Manchmal stand ich still Und lauschte: Ob ich nicht einen Ruf vernähme, daß ich wüßte: Wohin? Kein Ruf. Wanderte weiter in die Welt Ohn Ahnen, wohin. Aber das Ding in mir, Das wußte wohl, wohin Michs triebe. Hat mich über Berge geführt, Abgründen vorüber, Hat mich durch schwüle Ebenen gedrängt, Mitten durch Fieberdünste, Warf mich aufs Meer und lehrte mich schwimmen. Manchen Stoß erhielt ich in der Welt, Wunden empfing ich, Die Narben wurden, Schmerzen wühlten sich Wohnungen in mir Und kalkten sich ein; Ich müßte mich selber zerreißen, Wollte ich sie aus mir austreiben. Ich vergaß sie, wenn sie nicht tobten, Und, wenn sie tobten, schrie ich mit, Bis sie stille waren. Hetzte auch einen Schmerz auf den andern, Daß sie sich fraßen, Und ich lachte, wenn ich sah, Wie sie im Uebereinanderherfallen Stücke aus mir rissen. Dann kamen weiche Hände und streichelten mich; Wie ein schwarzer Baum, der grüne Knospen Der Sonne aufthut, fühlte ich die Wollust Im Sein zu werden. Alles, das war, War nur für mich, Alle die Welt War mein Geschwister. Ich wuchs in die Welt, wie in der Blume Der starke Samenstengel sich hebt, Und mir war: Ich wäre der Sinn der Welt. Wunderbar schwoll meine Seele aus, Ueber mich weg in die Ahnungen des Seins; Götter gebar ich aus mir Und spielte mit ihnen Spiele der Seligkeiten und Spiele der Angst, Und schlug meine Götter tot, Da ich ihrer müde wurde. Nun ward ich still Und spielte nicht mehr. Ich sah mich selber an und erschrak, Daß ich allein sei. Endlos Leben an Leben um mich, Ich aber allein, Und nichts über mir. Da bückte ich mich in mich selbst Und verbarg mich in mir Und träumte. Was ich geträumt, war wirr und wild, Aber als ich erwachte War ich heiter und wußte Den Sinn meines Lebens. Der ist: Still mich treiben lassen von dem, Das in mir ist und nicht fragen: Wohin? Dunkel sind die Ziele, Dunkel sind die Götter, Dunkel ist die Welt. Aber eine warme Flamme leuchtet in mir Und läßt mich wachsen. Weiter weiß ich nichts als diese Flamme, Aber in ihr ahne ich alles. Ich laufe nicht mehr querhin durch den Garten Und stoße mich an keinen Stein mehr. Ich wachse wie ein Baum empor Und fühle unendlich und immer die Wollust Im Sein zu werden.